Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban

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Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe - Peter Urban

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ganz besonderen Wesen das Leben geschenkt hatte, einem Geschöpf das auf der Schwelle zwischen Abred und Gwenved stand, ein Kind, dass der Ankoù fortgeschickt hatte, obwohl seine Augen bereits die weiße Welt von Inis Gwenva und die Kinder des Lichtes gesehen hatten. Weder ihre Herrin noch Aodrén Jaouen Kréc’h Elis hatten ihr damals abverlangt, über das was sie miterlebt hatte Stillschweigen zu bewahren. Doch sie wusste ganz genau, dass sie bis zum Tag ihres Todes niemals wieder frei und unbefangen über diese Nacht sprechen durfte, nicht einmal mit den drei Menschen, die in diesem Augenblick in diesem Raum zugegen waren.

      Die alte Frau nahm ihre Stricknadeln auf und setzte ihre Arbeit fort, doch ihre wässrig blauen Augen starrten weiterhin das Bett an, auf dem das Kind lag. Seine kleine Hand schien sich zu bewegen. Ihre Herrin Maeliennyd Glyn Dwyr beugte sich plötzlich zu ihrem jüngsten Sohn hinunter, küsste ihm erleichtert die Stirn und nahm ihn fest in die Arme.

      Das Unwetter draußen wurde kräftiger. Obwohl die Ohren der alten Frau nicht mehr viel taugten, hörte sie doch das Wasser, wie es tröpfelnd und rieselnd durch die Ritzen der Mauern des Turmes von Rusquec quoll. Das Kind lebte. Sie konnte ihre Strickarbeit fortlegen und endlich wieder die müden Augen schließen.

      V

      „Er behauptet, er erinnert sich an nichts mehr“, sagte Aodrén leise zu Ambrosius Arzhur. „Dein Sohn hat das „Zweite Gesicht“, soviel ist gewiss. Doch niemand hat ihn je gelehrt, Visionen zu beherrschen oder sich an sie zurückzuerinnern.

      Der Herzog hörte zu. Er war immer noch von den Worten, die die unbekannte Stimme im großen Saal gesprochen hatte zutiefst verletzt und schockiert...diese Stimme aus der Weißen Welt von Inis Gwenva. Die ganze Zeit über, während Aodrén mit ihm sprach stand er seinem Sohn und Maeliennyd mit dem Rücken zugewandt. Er kannte nicht nur die Gerüchte...

      Er hatte schon immer gewusst, dass Sévran ein außergewöhnliches Kind war, doch er hätte nie zu glauben gewagt, dass die übernatürlichen Fähigkeiten des Jungen sich eines Tages auf eine so dramatische Art und Weise manifestieren würden.

      Natürlich war Sévran von klein auf trotzdem als Edelmann erzogen worden. Er war ihm zwar gelegentlich unheimlich und manchmal fürchtete Ambrosius sich insgeheim sogar ein bisschen vor dem Knaben, doch er war trotzdem ein Sohn des Herzogs von Cornouailles. Er erhielt den üblichen Französisch-, Griechisch- und Lateinunterricht, lernte Gedichte zu verfassen, Harfe zu spielen und sich höflich zu benehmen. Er wusste, wie man ordentlich zu Pferd saß, konnte einen Falken für die Jagd abrichten und war mit Pfeil und Bogen durchaus geschickt. Natürlich waren diese Schulstunden immer nur schmückendes Beiwerk für den Knaben, genauso, wie die halbherzigen Versuche des Konnetabels von Cornouailles, Gud’wal Le Floa’ch de Morlaix, ihm von Zeit zu Zeit die Grundlagen des Waffenhandwerkes zu vermitteln.

      Nur was die Drouiz seinen jüngsten Sohn lehrten, hatte wirklich Bedeutung: Das Wissen um die höheren Mächte und von den alten Ritualen, die wahre Geschichte ihres Volkes, die Weisheiten ihrer Vorfahren, das Rechtswesen seines Landes, Astronomie, Mathematik, Pflanzenkunde, Heilkunst, das Deuten von Träumen, die Geheimnisse der heiligen Schrift. Und es war Ambrosius nicht verborgen geblieben, dass ihn Aodrén und Maeliennyd bereits in der weißen und der hohen weißen Magie unterrichteten.

      Natürlich liebten er und seine Herzogin ihren kleinen, etwas schwächlichen und oftmals kränkelnden Nachzügler innig und sie erzogen ihn fürstlich, doch sie hatten ihn niemals zum Fürsten erzogen. Dieser Weg war Aorélian vorbestimmt gewesen und in geringerem Masse auch Glaoda. Auf Sévran haftete, auch wenn Ambrosius dies niemals offen zugeben würde, der Makel seiner seltsamen Geburt.

      Der Herzog sah Aodrén nachdenklich an. Er hatte in dieser Nacht die ganze Zukunft seines Landes verloren. Er hatte zwar drei Töchter, die alle mit guten, noblen Männern verheiratet waren, doch sie waren Fürsten in ihren eigenen Ländern, weit weg von den Felsenküsten und den undurchdringlichen Wäldern von Cornouailles. Ambrosius seufzte: “Wenn es der Wille der Götter ist, dann wird nach meinem Tod ein Ollamh und Herr der Stehenden Steine über Penn-ar-Bed, Armôr und Argoat herrschen und die Steinringe, die heiligen Haine und die alten Heiligtümer schützen.“

      Der Herzog mühte sich, diese Worte hervorzubringen. Seine Kehle versagte beinahe den Dienst. Es klang für ihn so, als würde er selbst das Todesurteil über seinem kleinen Land aussprechen. Niemals seit den Tagen des Rhiotomas hatte ein Mann über Cornouailles geherrscht, der das Land nicht auch mit der Waffe in der Hand zu schützen wusste. Und niemals hatte etwas über dieses Land geherrscht, von dem man nicht genau sagen konnte, ob es Mensch oder Sidhe war.

      Ambrosius wusste zwar, dass es sein Same gewesen war, den seine Gemahlin damals entgegen aller Vernunft in ihrem Leib ausgetragen hatte, doch er wusste nicht, was in der Nacht von Bealltainn wirklich über die Wasser aus dem Hafen der Untergehenden Sonne zu ihnen zurückgekehrt war. Tief in seinem Inneren verfluchte er Bran'wen und ihre Ehrlichkeit. Er hatte es sich niemals verziehen, die alte Frau am Morgen nach der Geburt von Sévran ausgefragt zu haben. Und er trug es seinem alten Freund Guy de Chaulliac immer noch nach, weil diesem nach unmöglich vielen Humpen Wein herausgerutscht war, dass die Alte in einer Ecke kauernd in Maeliennyds Gemach zurückgeblieben war, während Aodrén alle anderen von ihrem Lager vertrieben hatte.

      Auf diesem Feld in der Picardie war Frankreich verheerend geschlagen worden. Das Ausmaß der Niederlage von Azincourt überschritt bei Weitem das der Katastrophe von Poitiers, die dem Land im September 1356 seinen Königs geraubt hatte. Am Tag von Azincourt hatte das französische Heer und mit ihm Frankreich aufgehört, zu existieren.

      Damit hatte ihr ärgster und unerbittlichster Feind Lancaster, der Königsmörder und Thronräuber die besten Aussichten, in nicht allzu ferner Zukunft neben seiner eigenen englischen Krone auch die französische Krone auf dem Haupt zu tragen. Und dann würde er nicht zögern, sondern sich wie ein hungriger Wolf auf die Bretagne und auf Cornouailles stürzen, genauso wie sein Vater sich zuvor auf Wales und Irland gestürzt hatte. Lancaster würde jede Gelegenheit wahr nehmen, sich an den Männern zu rächen, die seit Jahrzehnten bereits den walisischen Dorn in seiner Seite, Cadwalladr Owain Glyn Dwyr unterstützten und die seinen Vater Henry IV. und Reginald de Grey, den Lord von Ruthin in Stücke geschlagen hatten. Nur der Fall der Festungen von Harle'ch und Aberystwyth und die englische Übermacht hatten die Waliser in die Knie und seinen eigenen Schwiegervater ins Exil gezwungen. Ohne ein starkes Frankreich auf der anderen Seite des Meeres, gab es für König Cadwalladr Owain und Wales keine Hoffnung, jemals wieder von der Unterdrückung der Engländer frei zu sein. Und das letzte freie irische Königreich -Thomond- über das sein Schwiegersohn Brian Catha an Eanagh herrschte, würde von den Engländern überschwemmt werden, wie von einer erbarmungslosen Sturmflut.

      „Es hat keinen Sinn zu versuchen, den Lauf der Dinge jetzt noch zu ändern, Aodrén. Du wirst meinen Sohn in den Heiligen Wald bringen. Den Rest wird uns die Zukunft zeigen, mein Freund.“

      „Du bist der Herzog von Cornouailles und trotzdem bist Du ein Weiser, Ambrosius. Warum zweifelst Du so sehr daran, dass Sévran in der Lage ist, es seinem Vater eines Tages gleich zu tun?“ Aodréns Stimme klang bekümmert. Außer der tiefen Trauer um Aorélian und Glaoda las er in den Augen des Herren von Cornouailles Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.

      Ambrosius warf einen kurzen Blick über die Schulter. Maeliennyd hielt das Geschöpf in ihren Armen und streichelte sanft sein blasses Gesicht. In der Stille des Raumes, die nur von den knackenden Holzscheiten und dem Regen, der gegen die Scheiben trommelte durchbrochen wurde, hörte er, wie sie ihm ein altes Lied aus ihrer walisischen Heimat vorsang, um ihn zu beruhigen. Seit sein Sohn aus seiner Ohnmacht aufgewacht war, hatte er keinen Laut von sich gegeben. Er klammerte sich nur stumm und mit völlig verschreckten Augen an der Mutter fest.

      „ Aodrén“, der Herzog

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