Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban

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Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe - Peter Urban

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      Henrys Bruder Bedford befand sich in Caen, dass das Regierungszentrum der Engländer auf dem Kontinent geworden war. Zuvor hatte er die französischen Bürger der Stadt gnadenlos enteignet und vertrieben. Der Hafen von Trouville erlitt das gleiche Schicksal und nur zwei Jahre nach dem Tod des Herzogs von Alençon auf dem Feld von Azincourt hatte die Kriegsknechte von Henry Lancaster sowohl Argentan, als auch den Herzogssitz Alençon unterworfen. Jean, der junge Herzog kämpfte einen erbitterten, aber aussichtslosen Guerillakrieg gegen die Engländer. Rouen wurde von Lancasters Truppen hart belagert. Der Feind stand direkt vor den Toren der Bretagne.

      Die einfachen Menschen, die von dem politischen Gewittersturm nach Azincourt und von den finsteren Machenschaften des englischen Königs keine Ahnung hatten, zitterten vor plündernden Waffenleuten und Söldnern ohne dabei einen Unterschied zwischen Lancaster, Bourgogne, Armagnac oder Orleans zu machen.

      Anstatt sich ausrauben und totschlagen zu lassen, verließen sie ihre Höfe auf dem Land und flüchteten in die befestigten Städte. Die Verwegenen verschwanden durch den Passais in die Bretagne und bevölkerten heimatlos und abgerissen die Gossen von Rennes und anderen größeren Städten im Herrschaftsgebiet von Yann de Montforzh. Außer dem Bürgerkrieg und der Eroberung der Normandie, die Henry, der seit dem Vertrag von Canterbury vom August 1416 auch noch mit Sigismund von Luxemburg und dem Heiligen Römischen Reich verbündet war vorantrieb, drohten überall Hungersnot und Seuchen. Selbst Cornouailles, fern ab, am Ende der Welt, spürte inzwischen schon die Auswirkungen der Katastrophe und sah abgerissene, halb verhungerte Bettler und Vertriebene in den größeren Hafenstädten an der Küste.

      Auch ohne diesen überraschenden Brief aus Paris war Ambrosius über die Lage in Frankreich bestens informiert und er konnte sich ohne Mühe ausrechnen, dass angesichts von Armagnacs Regime und der harten Hand seines Hauptmanns Tanguy du Châtel, die Anhängerschaft für Jean Sans Peur in der französischen Hauptstadt stetig zunahm. Es würde nicht mehr lange dauern und irgendwer würde dem Burgunder ohne Rücksicht auf seine englischen Neigungen die Tore weit öffnen, nur um Armagnac, Tanguy, seinen schwarzen Mörderhaufen und ihre brutale Zwangsherrschaft loszuwerden.

      „Sidonius von Concarneau!“ Er hatte in einer energischen Handschrift unterschrieben. Der Brief erweckte auch in Ambrosius zahlreiche schmerzhafte Erinnerungen: Sidonius von Concarneau. Szenec!

      Wie alt war Meister Juizigs Sohn jetzt? Siebzehn oder achtzehn Jahre?

      Ambrosius knackte mit der Hand eine große Walnuss. Er hatte nie herausgefunden, warum Sévran am Morgen nach der Schreckensnacht vor drei Jahren so energisch darauf bestanden hatte, das sie sich um den Sohn eines einfachen Fischers von Cap Coz und um dessen Weib kümmern mussten. Dieser Juizig war offensichtlich einer von denen gewesen, die zusammen mit Glaoda bei Azincourt umgekommen waren, als Henry anordnete, die Gefangenen totzuschlagen, damit sie ihn auf seinem Marsch nach Calais nicht behindern konnten. Warum ausgerechnet der Sohn dieses Juizig und nicht der Sohn irgendeines anderen Bauern oder Fischers aus Cornouailles, der auch dort oben in der Picardie geblieben war? Es waren mehr als fünfhundert Männer gewesen…

      Ambrosius erinnerte sich noch in allen Einzelheiten an den Morgen nach der schrecklichen Vision seines jüngsten Sohnes. Es war ein stürmischer, kalter Herbsttag gewesen. Durchdringende Regenschauer rissen vor den Toren von Rusquec das goldene Laub von den Ästen der Bäume des Uhel Koad und verwandelten sie in schwarze Skelette, ganz so, als ob die Natur in die Trauer der Bewohner der Festung einstimmte.

      Sévran war nach einer unruhigen Nacht aus den Gemächern im Turm geschlichen und hatte heimlich und von allen unbemerkt Rusquec verlassen. Stunden später war er bis auf die Knochen durchweicht aus dem Uhel Koad zurückgekehrt und hatte ihm diese sonderbare Bitte bezüglich des Fischerjungen Szenec vorgetragen...mit einer viel zu ruhigen Stimme und Augen, die über Nacht kalt geworden waren, wie Eis. Es waren die Augen eines erwachsenen Mannes gewesen, die ihn damals an diesem Oktobermorgen vor drei Jahren angeblickt hatten.

      Ambrosius war noch viel zu sehr in seinem Schmerz und seiner Trauer um den Erben von Cornouailles und seinen zweiten Sohn Glaoda gefangen gewesen, um mit einem erschöpften, bis auf die Knochen durchnässten, halberfrorenen und dickköpfigen Kind zu diskutieren, das die letzte Hoffnung für sein Herzogtum darstellte. Er hatte einfach einen Boten losgeschickt, mit einem Beutel Gold und dem Auftrag, es Juizigs Weib und seinem Sohn schonend beizubringen. Offensichtlich hatten sie sein Gold nicht verschwendet.

      „Sidonius von Concarneau!“ Anstatt in die Fußstapfen von Meister Juizig zu treten und Fischer zu werden, war Szenec mit den herzoglichen Goldstücken in ein Benediktinerkloster geschickt worden, während seine eigene Herzogin die verwitwete Mutter des Knaben offensichtlich als Bedienstete in ihren persönlichen Haushalt geholt hatte.

      Die Benediktiner und die ihnen verwandten Zisterzienser hatten Ambrosius Arzhur nie gestört. Der irische Mönch Columban war vor fast eintausend Jahren nach Cornouailles und Breizh gekommen. Er hatte damals gesagt: „Christus ist mein Druide“, und der Marzhin selbst hatte ihm die Hand gereicht, denn Columbans Mönche versuchten nicht zu missionieren oder die Menschen gegen die Weiße Brüder aufzubringen. Sie waren einfach da und lebten im Schutz der Steinringe und der Eichenhaine oder als Eremiten, tief in den Wäldern, die sich durch den Passais und das Bocage bis tief in die von den Nordmännern beanspruchte Normandie erstreckten. Sie lebten in Frieden miteinander, sie kannten einander gut und jeder schätzte den anderen für das was er war.

      Aus unerfindlichen Gründen waren Sévran und der Sohn des Fischers von der Felsenküste offensichtlich schon immer Freunde gewesen. Sévran war zu Anfang des Sommers, nach der Katastrophe von Azincourt zusammen mit Aodrén in den Heiligen Wald, nach Brocéliande fortgegangen, um den alten Göttern zu dienen. Szenec hatte sich einen neuen Gott gesucht. Es hatte ihrer Freundschaft scheinbar keinen Abbruch getan. Genauso wenig wie der Unterschied in ihrer Geburt und die vielen Jahre, die sie sich nun schon nicht mehr gesehen hatten. Er würde natürlich auch einen Boten zu Sévran schicken, damit dieser die Neuigkeiten von seinem alten Freund Szenec erfuhr.

      Szenec. Ein Benediktiner! Und jetzt war er in Paris und studierte an der Sorbonne. Er schrieb, dass er es seinem Herzog schuldig war, das Beste zu versuchen. Und er hatte mit energischer Hand seinen neuen lateinischen Namen auf das Pergament gesetzt: Sidonius von Concarneau. Zu Ehren der herzoglichen Familie von Cornouailles!

      „Guethenoc“, rief Ambrosius seinen Truchsess zu sich.

      Der kleine, beleibte Mann sprang von der warmen Bank am Kamin hoch, auf der sich gewärmt hatte und lies dabei beinahe den Becher mit Gewürzwein fallen, den er in der Hand hielt. Ambrosius hatte sich im Verlauf vieler Jahre mit dieser Unart seines Verwalters abgefunden. Obwohl es nicht seine Gewohnheit war, die Magistraten wie Dreck zu behandeln, konnte der Truchsess sich einfach nicht angewöhnen seinen Befehlen ruhig und gelassen zu folgen. Er verbeugte sich tief vor dem Herzog: “Mein teurer Herr?“

      „Lasse zwei Mönchskutten schneidern. Finde heraus was die Benediktiner für gewöhnlich tragen. Ich glaube, es ist von schwarzer Farbe.“

      Der Truchsess verbeugte sich eifrig.

      „Sorge auch dafür, dass es vom allerfeinsten Tuch ist, das sie tragen dürfen. Du erinnerst Dich doch noch an den Sohn von Meister Juizig, dem Fischer von Cap-Coz ? Szenec! Die Kutten schick ihm nach Paris an das Collegium Sorbonianum, wo er jetzt studiert...mit einem zuverlässigen Boten. Das versteht sich von selbst, damit er für unseren Bruder Sidonius von Concarneau auch gleich noch ein paar Goldmünzen mitnimmt. Niemand soll behaupten können, das Ambrosius von Cornouailles seine Getreuen nur von Luft und...Theologie leben lässt!“

      Guethenoc schmunzelte. Für gewöhnlich lag über seinem fleischigen, bleichen

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