Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban

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Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe - Peter Urban

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de Ponthieu ein ähnliches Schicksal. Tanguy schleifte den völlig verstörten Charles in die Bastille und organisierte noch am gleichen Tag von dort aus die Flucht des jungen Mannes. Er brachte ihn nach Bourges, im Südwesten der Hauptstadt Paris und auf der anderen Seite der Loire.

      Niemand beachtete den jungen Ritter, der durch die umkämpften Straßen von Paris seinen Weg über den Petit Pont auf die linke Seite der Seine suchte. Jean de Craon hatte ihm alles ganz genau beschrieben: Die sogenannte Grande Rue führte mitten durch das Universitätsviertel. Hier waren die Kämpfe nicht ganz so gewalttätig. Bernard d’Armagnac hatte mit seiner Politik der brutalen Härte die gelehrten Männer der Sorbonne so sehr provoziert, dass die meisten von ihnen für Jean de Bourgogne Partei ergriffen hatten.

      Die Porte Saint Jacques befand sich am äußersten Ende der Grande Rue. Als Claire endlich die Kirche Saint Jacques-de-la Boucherie ausmachte, senkte sich die Nacht bereits über Paris. Die Kampfhandlungen zwischen den Waffenleuten von Bourgogne und den führungslos gewordenen Anhängern von Armagnac ebbten langsam ab, aber die durch Blut und Lärm toll gewordenen Soldaten beider Seiten liefen ihren Hauptleuten völlig aus dem Ruder. Sie schlugen die Türen und Fenster der Häuser ein, in denen die verzweifelten Bürger der französischen Hauptstadt sich vor dem Kampf verbarrikadiert hatten. Mark und Bein erschauerten, wenn unmenschliche Schreie daran erinnerten, dass niemand vor Truppen die eine Stadt gestürmt hatten sicher sein konnte. Man schlug alte Männer und kleine Kinder einfach tot, stürzte sich auf Frauen und Mädchen, wobei das Alter keine Rolle spielte.

      Claire konnte im roten Feuerschein eines brennenden Hauses deutlich erkennen, was ihr furchtbares Los war. Nachdem eine ganze Gruppe vom Blut und vom Wein berauschter Waffenleute das Mädchen - ein Kind von gerade einmal zwölf oder dreizehn Lenzen - aufs Brutalste missbraucht hatten, ohne sich dabei um die Schreie der Kleinen zu kümmern, schlug ihr der Letzte, nachdem er seine Lust an ihr befriedigt hatte, ohne mit der Wimper zu zucken den Schädel mit einem Holzknüppel ein. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, das Zeugnis ihres Verbrechens zu beseitigen und den Leichnam in die Flammen zu schmeißen. Grölend und lachend zogen die Kriegsknechte weiter auf der Suche nach dem nächsten hilflosen Opfer. Claire fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Vorsichtig drückte er gegen die kleine Pforte, die versteckt hinter Büschen und Sträuchern den Weg zur Sakristei der Kirche freigab.

      Der Alchemist war am Dreikönigstag gestorben. Er hatte das gesegnete Alter von neunundachtzig Jahren erreicht. Gemäß seiner testamentarischen Verfügung hatten sie ihn in Saint Jacques zur Ruhe gelegt. In den letzten zwanzig Jahren seines Erdendaseins hatten die Kirche und die Gemeinde von freizügigen Geldspenden profitiert. Die Steinfreske über dem Hauptportal bezeugte Nicolas Flamels Großzügigkeit. Im Kreis der Jünger Jesu und Israeliten, die dem Christus lauschten stand einer, dessen Gesicht die Züge des berühmten Alchemisten trug. Die Tür schwang auf. Claire duckte sich instinktiv ganz tief, als er durch die leere, dunkle Sakristei schlich. Er war auf dem Weg, einen Leichnam zu schänden.

      Im Glockenstuhl seiner Lieblingskirche hatte Flamel sich neben seinem treuen Weib Perenelle unter einem großen, schön bearbeiteten Stein zur letzten Ruhe gelegt. Und er hatte sein geheimnisvolles Buch mitgenommen. Dieses Buch barg nach Aussagen von Jean de Craon den Schlüssel zum größten aller Geheimnisse dieser Welt: Dem Lapis Philosophorum, dem Stein der Weisen, der in sich das reine Leben trug und damit die alles umfassende Kraft, Geist und Seele miteinander zu vereinen. Unsterblichkeit! Wem es glückte diesen wunderbaren Stein – Lapis ex Coelis - zu erschaffen, der konnte nicht nur unedle Metalle in Gold umwandeln. Er durfte sich auch von Gott, dem Allmächtigen ein ewiges Lehen auf Erden erbitten. Flamel, so sagte man, sei dies gelungen, obwohl er von dem Elixier des Lebens, dem Aurum Potabile, dem legendären Trank, der alle Leiden zu heilen vermochte und auch dem Tod Einhalt gebot offensichtlich nicht zu kosten gewagt hatte. Der junge Ritter aus Anjou schmunzelte. Die Schrecken des Krieges, draußen vor der Pforte von Saint Jacques waren bereits vergessen. Vorsichtig, fast ehrfürchtig ging er in die Knie.

      Flamels Gruft!

      Er zog seinen Dolch aus dem Gürtel und begann die Ritze zwischen dem Grabstein und den Bodenplatten im Glockenstuhl entlang zu fahren. Es würde eine lange Nacht werden. Er musste ganz alleine zuerst diesen schweren Stein lösen und anheben. Dann musste er ihn wieder an seinen Platz zurückbefördern.....so das niemand je bemerken würde, das man sich hier zu schaffen gemacht hatte.

      IV

      Sidonius kauerte sich unter dem Altar des Heiligen Jakobus zusammen, als er den Ritter durch die Tür schleichen sah. Hatten sie nicht einmal mehr Respekt vor dem Haus Gottes? Trugen sie ihren Krieg nun auch in seine Kirche? Der junge Benediktiner wagte es kaum noch zu atmen, so sehr fürchtete er sich vor diesem bewaffneten Mann, obwohl sein hübsches, glattes Gesicht, die klaren, blauen Augen und die blonden Locken ihm mehr den Anschein eines Engels, als eines Mordbuben gaben. Doch der Mann trug gut sichtbar ein Schwert und ein spitzer Dolch steckte im Gürtel. Sidonius hörte, wie die Schritte des Ritters auf dem Boden der menschenleeren Kirche widerhallten. Sie kamen näher. Er duckte sich noch tiefer in die Ecke unter dem Altar.

      Üblicherweise verbeugten sich an dieser Stelle Männer und Frauen, bevor sie sich auf den weiten Pilgerweg nach Santiago-de-Compostella in Galizien machten. Hier ließen sie ihre Gurden, ihre Pilgerstäbe und die Jakobus-Muscheln weihen, die sie als äußeres Zeichen ihres Gelübdes trugen.

      Der junge Benediktiner hielt den Atem an. Die Kirche war wieder still. Die Schritte auf dem Steinboden verstummt. Ganz vorsichtig schob er das Tuch zur Seite, mit dem der Altar geschmückt war.

      Der junge, blonde Kriegsmann hatte sich hingekniet und seinen Dolch gezogen und er machte sich an einer Grabplatte zu schaffen. Sidonius brauchte nicht zwei Mal nachzudenken. Sie hatten diese Platte erst vor wenigen Monaten niedergelegt und versiegelt, als der steinalte Meister Flamel gestorben war. Meister Flamel hatte nicht nur viel für diese Kirche in seinem Viertel, in der Nähe seines berühmten Skriptoriums Rue de Mariveaux getan; er war ein wahrhaft gottesfürchtiger Mensch gewesen: Die schön restaurierten Pforten zum „Friedhof der Unschuldigen Kinder“ zeugten von seiner Güte. Er hatte den Bürgern der Hauptstadt im Verlauf von beinahe dreißig Jahren insgesamt vierzehn Spitäler, drei Kapellen und sieben kleine Kirchen gestiftet. In Boulogne, auf dem Weg nach Santiago-de-Compostella - so erzählte man - habe er ähnlich viel Gutes getan und er war immer freizügig mit dem Geld gewesen, um Armen, insbesondere hilflosen Witwen und Waisen zu helfen und Leid das ihm ins Auge stach zu lindern. Meister Flamel war wahrlich ein großartiger Mann gewesen, ungeachtet der vielen seltsamen Gerüchte, die es über ihn in der Hauptstadt gab.

      Sidonius erinnerte sich noch genau daran, wie sehr der Priester von Saint Jacques sich am Dreikönigstag geziert hatte, Meister Flamel dieses sonderbare, uralte und große Buch mit ins Grab zu legen, dieses Buch, von dem man munkelte, es sei ein Wunderbuch zur Herstellung von Gold und Meister Flamel selbst habe es dem Teufel abgeluchst. Meister Flamel war auch ein berühmter Gelehrter und Alchemist gewesen.

      Sidonius wurde etwas waghalsiger, als er erkannte, wie konzentriert der blonde Ritter arbeitete. Natürlich! Dieser junge Mann trachtete ihm nicht nach dem Leben. Er profitierte vom Krieg und von dem Chaos in den Straßen der Stadt, um das Grab von Nicolas Flamel zu schänden und ihm sein Zauberbuch wegzunehmen. Irgendjemand hatte dem Krieger verraten, dass es hier begraben lag. Vielleicht war es der Pfarrer von Saint Jacques gewesen, dem der Blonde den Dolch an die Kehle gesetzt hatte. Um seine Haut zu retten musste der zittrige, versoffene Alte ihm davon erzählt haben. Oder er war über den sonderbaren, düsteren Professor mit der Adlernase und den kalten Augen gestolpert, der sich während der Grablegung so still und ernst im Hintergrund gehalten hatte, zusammen mit dem Notarius, den Flamel als seinen Testamentsvollstrecker eingesetzt hatte.

      Der Notarius war aus Pontoise gekommen, Flamels Geburtsort. Sidonius hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Er hatte nur stumm neben dem Professor Anselmus von

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