Die Liebesfalle. Peter Splitt
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Ich nahm es an mich und las.
Hiermit verpflichte ich mich zu vollkommener Loyalität dem sowjetischen Staat gegenüber. Des Weiteren werde ich strengsten Gehorsam leisten, sämtliche Aufträge befolgen, sowie alle Hemmungen und Scham über Bord werfen. Ich bin bereit, notfalls auch meinen Körper sowie mein Leben in den Dienst der Sache zu stellen.
Ich schluckte. Das war verdammt starker Tobak.
Oberst Kurganow reichte mir seinen Kugelschreiber. „Hier, unterschreiben Sie.“
Ich dachte nicht lange nach und unterschrieb. Was sollte ich auch anderes tun? Schließlich hatte ich den Stein ins Rollen gebracht und damit mein Schicksal herausgefordert.
Oberst Kurganow saß in seinem geräumigen Dienstzimmer und dachte über seine neuste Rekrutierung nach. Sie war ein Glücksfall. Hübsch, klug, ehrlich und unverbraucht. Er würde sie nach Belieben formen können. Sie war etwas anderes als diese Stümper, die die Rekrutierungen an Hochschulen normalerweise hervorbrachten. Wenn er nur an die letzte Veranstaltung dachte, die er in Leipzig organisiert hatte. Das sogenannte ‚Konfliktforschungsseminar‘ war ein großer Flop gewesen. Niemand hatte sich wirklich für sein Anliegen interessiert. Und dann stand da so ein Prachtmädchen quasi direkt vor seiner Haustür und fragte an, ob er eine Verwendung für sie hätte. Natürlich hatte er die. Er würde …
Das Telefon klingelte, und das penetrante Geräusch unterbrach seine Gedanken, auch wenn er den Anruf erwartet hatte.
„Boris?“
„Dobryy vecher, Juri. Hat alles geklappt?“
„Ja, sie hat unterschrieben.“
„Und jetzt?“
„Na, ich werde sie perfekt ausbilden lassen. Du weißt schon: Treffs, Mikrofone, Geheimschrift, Funk, Code, Fototechnik, das volle Programm. Die Kleine ist sehr begabt. An der werden wir viel Freude haben.“
„Und ideologisch?“
„Ich habe sie auf Herz und Nieren geprüft. Das Mädchen ist klasse. Sie hat Charakter, falls du verstehst, was ich meine.“
„Du meinst, sie hat Format?“
„Ja, und gute Umgangsformen. Sie ist wirklich ganz außergewöhnlich.“
„Wie alt ist sie eigentlich?“
„Gerade achtzehn geworden.“
„Was, noch so jung? Na, in dem Alter stellt man sich unsere Tätigkeit noch als großes Abenteuer vor.“
„Na und? Ist es das etwa nicht?“
„Schon, aber nicht so, wie sie sich unsere Arbeit vorstellen wird. Glaub mir, sie träumt wahrscheinlich noch davon, sich im Kleiderschrank des Bundeskanzlers zu verstecken oder das Hauptquartier der amerikanischen Armee in die Luft zu sprengen.“
„Ach was. So naiv kann sie nicht sein. Wir sind doch hier nicht bei der RAF.“
„Das sagst du was. Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe sitzen schon längst in Stammheim, und Ulrike Meinhof weilt schon nicht mehr unter uns.“
„Das ist mir bekannt. Sie hat sich am 9. Mai in ihrer Zelle erhängt. Somit ist die gesamte Führungsmannschaft der RAF ausgeschaltet.“
„Und dafür haben sie sich 1970 extra in Jordanien ausbilden lassen. Aber es gibt doch sicher eine Nachfolgeorganisation?“
„Sicher, die gibt es. Nennen sich ‚Die zweite Generation‘. Da hatten sogar unsere Jungs die Finger mit im Spiel. Wusstest du, dass sie aus dem 1970 gegründeten Sozialistischen Patientenkollektiv entstanden ist?“
„Mein Gott, Juri, was für ein Wort. Ne, das wusste ich allerdings nicht. Wer ist denn dabei?“
„Zwei Typen namens Haag und Mayer sollen die Anführer sein.“
„Ist mit denen etwas anzufangen?“
„Keine Ahnung. Unsere Leute versuchen gerade, einen Kontakt herzustellen, was sich allerdings als sehr schwierig erweist. Die beiden sind äußerst misstrauisch.“
„Verstehe. Also was ist nun mit der Kleinen? Ist sie naiv oder nicht?“
„Ich denke schon. Immerhin hat sie einen unserer Wachsoldaten nach dem KGB gefragt.“
„Ich würde sie mir ja gern selbst ansehen, aber leider schaffe ich es nicht, von hier wegzukommen. Du weißt schon, das Z. K. bereitet gerade die große Militärparade vor. Da brauchen sie jeden Mann.“
„Kann ich mir vorstellen.“
„Also, du willst sie ausbilden und dann als Kundschafterin nach Westdeutschland schicken?“
„Als einfache Kundschafterin? Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass sie davon sehr begeistert sein wird.“
„Nicht? An was hast du dann gedacht?“
„Daran, dass sie einmal einen prima Führungsoffizier abgeben würde.“
„Was, du willst sie Führungsaufgaben übernehmen lassen?“
„Später einmal wird sie bestimmt so weit sein.“
„Das verstehe ich nicht. Solch einen Posten muss man sich doch erst erarbeiten. Führungsoffiziere werden nur unsere besten Leute. Sie hat noch nichts für uns geleistet! Warum setzen wir sie nicht erst einmal als Lockvogel ein? Auf dem Foto, das du mir mitgebracht hast, sieht sie ja ganz passabel aus. Typ Unschuld vom Lande, na, du weißt schon, auf so etwas fliegen die Männer.“
„Du wohl auch, was?“
„Aber natürlich. Jedenfalls weiß ich, wovon ich spreche.“
„Alter Schlawiner … obwohl, darüber habe ich auch bereits nachgedacht, nur eigentlich bräuchten wir dringenden Ersatz für Werner Metzger. Du weißt schon, unser Agent, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Die Sache hat ziemlich viel Staub aufgewirbelt. Besonders, als die im Westen das mit der doppelten Identität geschnallt haben. Dabei war seine Identität hervorragend. Nun ja, sei’s drum. Wir müssen nach vorn blicken, müssen unsere alten Träume in den Köpfen junger Leute entfachen und uns am Feuer ihrer Jugend wärmen.“
„Das hast du aber schön gesagt, Juri. Bist du unter die Poeten gegangen?“
„Nein, ich bin mit Leib und Seele Geheimdienstler, das weißt du doch.“
„Na gut. Den Agentenjob können auch andere erledigen, denn wenn die Kleine ihre Sache