Das ausgewanderte Kreuz. Denise Remisberger

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Das ausgewanderte Kreuz - Denise Remisberger

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Kirchen aus seiner Nachttischschublade und schlug es auf der mit einem Lesezeichen der Stiftsbibliothek markierten Seite auf.

      «Hier, Jacques, das ist es. Dieses kleine hübsche Kreuz, aus Knochen gefertigt.»

      «Wessen Knochen?»

      «Das ist eben nicht bekannt. Da gibt es natürlich wilde Spekulationen. Die hartnäckigste sagt, dass diese Knochen einem frommen Bischof gehören.»

      «Habt ihr denn auch unfromme?»

      «Sehr witzig, Jacques. Dir erzähle ich bestimmt zuletzt von unseren Fehltritten. Wie findest du das heilige Kreuz?»

      «Handlich zu stehlen, Hans-Peter. Gut zu verstecken.»

      «Dann bist du also dabei?»

      «Ja, klar, wenn der Preis stimmt?»

      «Sicher, Jacques, zehn schöne Tausender?»

      «Sonst geht’s dir gut? Ich riskiere einiges. Dreissig schöne Tausender.»

      «Jacques, also wirklich. Zwanzig.»

      «Fünfundzwanzig.»

      «Na gut, dafür aber bald.»

      «Nächste Woche werde ich mich auf die Reise nach Italien begeben.»

      «Sehr gut.»

      3

      «Selri, könntest du die Frauensinggruppe kurzfristig übernehmen? Ich muss einem ausgerissenen Schäfchen hinterher. Ins katholische Tessin. Stell dir vor, das arme Kind ist im Vollsuff über die Alpen gepilgert und weiss nicht mehr, wo es sich befindet. Wahrscheinlich landet es noch in Santiago de Compostela, wenn ich es nicht rechtzeitig finde.»

      «O je! Wie schrecklich. Ja, lieber Jacques, geh nur. Viel Erfolg und Gottes Hilfe.»

      4

      «Hier gibt es nur unansehnliche Pfeifen. Schau dir mal die Typen an, wie sie schon jetzt, um zweiundzwanzig Uhr zehn, lustlos an der Bar hängen, grausig», flüsterte Mirabelle und verschränkte die Arme vor der Brust, so dass die Kette aus dem Eisenwarengeschäft, die sie an ihre Lederjacke geheftet hatte, leise rasselte.

      «Du musst sie halt auch nicht immer gleich mit dem Strand-Kommissar und dem Punk-Kommissar aus dem Fernsehen vergleichen», warf Renate ein, die Hände cool in den Hosentaschen verstaut und zu «Systematic Death» von den «Crass» mit dem Fuss wippend.

      «Ich will jetzt halt lieber mit denen ins Bett als mit diesen hier.»

      «Wenn Herr Strand und Herr Punk von ihren Schauspielrollen runterkommen, meine Liebe, dann sind sie vielleicht genau die Gleichen wie die hier vor deiner Nase.»

      «Ach, sicher nicht. Die sind bestimmt auch privat total erotisierend.»

      «Du meinst vierundzwanzig Stunden am Tag?»

      «Ja, klar.»

      «So ein Unsinn.»

      «Na, ihr beiden, wovon redet ihr denn?», mischte sich der heranschlendernde Potz ein, sein Spitzbärtchen zwirbelnd.

      «Von einem Strand-Kommissar und einem Punk-Kommissar», erklärte Mirabelle.

      «Und wer soll das sein?»

      «Hast du immer noch keinen Fernseher, Potz?»

      «Nein.»

      «Dann kennst du die natürlich nicht.»

      «Es handelt sich nicht um TV-Installateure, Potz», warf Renate dazwischen.

      «Um Schauspieler?»

      «Genau, Potz.»

      «Wie könnt ihr bloss auf die reinfallen? Da hätte ich doch eine viel bessere Idee. Jacques», rief Potz und winkte jemanden heran, der gerade die Treppe heraufkam – mit Schwung. «Darf ich euch zurück in die Realität holen, Mädels, und euch jemanden vorstellen?»

      «Wenn’s sein muss», stellte Mirabelle ihre Prioritäten klar.

      «Mirabelle, Renate, Jacques.»

      «Du bist ja ein Pfarrer», lachte Renate verwundert, während sie an Pfarrer Jacques’ Beffchen zog.

      Der hielt ihre Hand fest, schmunzelte und schaute ihr mit funkelnden Augen direkt in die ihrigen.

      «Jetzt bin ich wirklich erstaunt», tat Renate der umstehenden Menge kund und liess sich von diesem Funkeln in höhere Dimensionen tragen.

      Nachdem Potz Pfarrer Jacques in einen anderen Raum entführt hatte, standen Mirabelle und Renate immer noch auf dem gleichen Fleck, allerdings nicht mehr ganz so griesgrämig wie zuvor.

      «Stell dir vor, ein Pfarrer», schwärmte Renate.

      «Stell dir vor, ich würde jetzt mit Punk-Kommissar wild knutschen, dort auf dem grünlichen, abgefuckten Sofa», schwärmte Mirabelle nicht minder begeistert.

      Die beiden Frauen lachten ungeniert und holten sich endlich ein Bier an der Bar.

      5

      Pfarrer Jacques war heilfroh, als er den mulmigen Gotthardtunnel hinter sich lassen durfte und das Tessiner Dorf Airolo in seinem Augenwinkel auftauchte. Jetzt ging es bergab.

      Nach den gut besuchten weihnachtlichen Feierlichkeiten fand er es sehr schön, ganz alleine in seinem Camper Richtung Süden zu fahren. Das Risiko lockte ihn. Diesmal würde er sich keinem unfallgefährdeten Dieb anvertrauen wie letztes Jahr, sondern das «Unbekannte Kreuz» selber stehlen. Verkleidet, versteht sich.

      Kleine, verschiedenfarbig getünchte Häuser zogen an ihm vorüber, die Zollgrenze Chiasso/Como, riesige Werbeplakate hinter den Leitplanken, die Metropole Mailand, Autobahnmauthäuschen und die flache Weite der Poebene.

      Kurz vor Bologna nahm er eine Ausfahrt, um sich in einem kleinen caffè mit einem doppelten Espresso und einem grossen Stück Ciambella zu stärken.

      Nachdem Jacques Bologna passiert hatte, wendete er seinen Camper in Richtung Adriaküste, liess Ravenna links liegen, kam an Cesenatico und Rimini vorbei und landete schliesslich in der Nähe der unscheinbaren Kirche, die, nichts Böses ahnend, das heilige Kreuz «Croce Sconosciuta» beherbergte.

      Der diebische Pfarrer checkte unbehelligt auf einem fast leeren Campingplatz direkt am Meer ein, parkte unter einer hohen Pinie und begrüsste die deutschen Nachbarn, Vater und Sohn, die trotz dünner Dezembersonne und recht kühlem Wind oben ohne an einem Klapptischchen hockten und Starkbier tranken.

      «Feiern Sie Silvester auch im Ausland, Herr Pfarrer?», rief der Vater und hob seine Bierdose. «Setzen Sie sich doch zu uns. Wir haben noch mehrere volle Kisten davon» – er zeigte dabei auf die Bierdose – «im Kofferraum.»

      Die

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