Das ausgewanderte Kreuz. Denise Remisberger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das ausgewanderte Kreuz - Denise Remisberger страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Das ausgewanderte Kreuz - Denise Remisberger

Скачать книгу

Schloss versehen war. Rechts unten war ein Täfelchen angeschraubt, auf dem «Croce Sconosciuta» zu lesen war.

      Jacques würde sich mit seinem Glasschneider ausrüsten müssen, den er, in einem Geheimfach seines Campers versteckt, mitgebracht hatte.

      Die Kirchentüre aus Holz blieb wahrscheinlich immer offen, notfalls würde er das Türschloss mit seinem Dietrich aufkriegen oder mit dem Glasschneider ein Stück aus einem der zierlichen Fenster schneiden, um an die Verriegelung auf der Innenseite heranzukommen.

      Die Lage war inspiziert, Jacques konnte Mittagessen gehen. Für einen kurzen Moment dachte er daran, bei der hübschen Frau mit den langen Haaren anzuklopfen, doch verwarf er diese Idee wieder. Er war da, um zu klauen. Eine Bekanntschaft einzugehen, war viel zu riskant.

      10

      «Herr Kollege, Herr Kollege», krähte ein rundlicher, eins fünfzig grosser Mann in wehender Soutane und breitkrempigem Hut, im Arm eine bauchige Flasche Chianti, während er quer über den Zeltplatz wieselte, direkt auf Pfarrer Jacques zu, der, zusammen mit seinen deutschen Nachbarn und dem Pizzeria-Besitzer des Restaurants schräg gegenüber dem Campingareal, an einem quadratischen Klapptisch sass und Skat spielte.

      «Unser Pfarrer Adamo!», winkte Umberto von der Pizzeria erfreut.

      «Guten Tag, die Herren», sagte Pfarrer Adamo ganz ausser Atem, setzte sich zu den vier Kartenspielern und stellte seine Flasche Wein auf den Tisch. Nachdem alle einander vorgestellt worden waren, holte Vater Günther fünf Gläser, Sohn Heinz schenkte ein, das Skat-Spiel ging weiter und die beiden Pfarrer, Jacques mit den Karten in der Hand, Adamo trinkend, führten ein ernstes Gespräch auf Italienisch, das nicht mal Umberto in seiner ganzen Tragweite verstand, geschweige denn die beiden Deutschen, die sich überall auf der Welt ganz gut in ihrer Muttersprache durchschlugen.

      «Das heilige Kreuz ist eine Fälschung?», wunderte sich Jacques, während Adamo heftig mit seinem runden Kopf nickte und Umberto leise vor sich hin kicherte.

      «Ja, Jacques, das wahre Kreuz wurde uns gestohlen. Was hältst du von einem Sonderauftrag, Jacques? Einem Sonderauftrag, der natürlich sehr gut honoriert wird.»

      «Aber wieso ich?»

      «Jacques, Jacques. Wieso bist du hier, eh? Was wolltest du, ein reformierter Pfarrer, in unserer unscheinbaren Kirche? Jacques, ich bitte dich. Du willst das Kreuz. Wir wollen das Kreuz. Aber brauchst du wirklich das echte? Könntest du dir vorstellen, das falsche zu behalten und wohin auch immer weiterzuverkaufen, als das echte, versteht sich, und uns gleichzeitig unser eigenes wiederzubeschaffen? Wäre das ein Deal? Unser Stillschweigen gegen dein detektivisches Gespür?», zwinkerte Adamo mit einem Auge über rosigen Wangen.

      «Ist es eine gute Fälschung, Adamo?»

      «Aber ja doch. Was denkst du denn? Wir sind hier in Italien. Im Fälschen sind wir die Nummer Eins.»

      «Habt ihr schon eine Spur?»

      «Ja. Sie führt nach Schottland.»

      «Nach Schottland? Ins presbyterianische Schottland?»

      «Ja, ja. Eine Schottin hat sie gestohlen, unsere Reliquie. Mit vorgehaltener Pistole hat sie behauptet, die Knochen, aus denen das heilige Kreuz gefertigt worden war, gehörten einem Schotten, der seit Jahrhunderten auf dem Friedhof von Duns liege. Es sei ihr gutes Recht, dieses Kreuz an sich zu nehmen und der zum Friedhof gehörenden Kirche zu bringen. Nicht, dass sie es in ein Reliquiar legen wollten. Sie haben ja keins. Nein. Sie wollen es einfach an die Wand des Büros der pistolenbewehrten Pfarrsekretärin hängen. Der Gipfel ist das.»

      «Duns befindet sich in der Nähe der englischen Grenze», erinnerte sich Pfarrer Jacques.

      «Ja, genau. Jacques, nimm dieses Kreuz hier mit.» Adamo zog einen Gegenstand unter seiner Soutane hervor und überreichte ihn Jacques.

      «Dann ist euer Reliquiar jetzt leer?»

      «Nein, dort liegt immer noch die erste Fälschung. Die hier ist die zweite. Ersetze die echte Reliquie in Duns durch diese hier und bringe uns die richtige. Dann erhältst du die erste Fälschung für den Weiterverkauf an deine katholische Person.»

      «Ich könnte sie auch für mich behalten wollen.»

      «So ein Unsinn, Jacques, ein reformierter Pfarrer sammelt keine Reliquien, nur Münzen und Noten.»

      11

      «Was für ein Wetter die hier oben haben», dachte Bartholomäus und schüttelte angewidert seine erdgebundene Energie. Seit gut sechshundert Jahren befand er sich nun in dieser Ebene zwischen Leben und Tod und war eigentlich ganz zufrieden damit. Nur, musste es dieser unwirtliche Ort hier sein? Im warmen Italien hatte es ihm und seinen Knochen sehr gut gefallen. Er hatte sich heimisch eingerichtet, wohnte nahe beim Ewigen Licht und nun war diese rothaarige Wilde gekommen, hatte seine Knochen und somit ihn selber mitgenommen und hierher verfrachtet. In einen Raum, in dem seltsame spuckende Wesen auf Tischen hockten, die, nachdem die Rothaarige darauf gedrückt hatte, Geräusche von sich gaben, die an ein kaputtes Wagenrad auf Kopfsteinpflaster erinnerten oder sogar läuteten wie eine kleine penetrante Glocke. Die Frau nannte eines der Wesen «mein Computer», «mein Schätzchen» oder «du Saukerl», je nach Laune – der Laune dieses so genannten Computers, nicht der Laune der komischen Dame, die seine Knochen an die Wand gehängt hatte wie eines ihrer Papierbilder draussen im Gang, die sie als «Poster» bezeichnete. Gerade läutete die kleine penetrante Glocke wieder, was ein Aufreissen der Türe nach sich zog und die hereinrennende Rothaarige, die den schwarzen Knüppel aus der gabelartigen Halterung zerrte und in besagten Knüppel hineinschrie. Wenigstens verstand er dieses neue Englisch einigermassen. Er stammte nämlich aus London. Reitknecht war er gewesen, damals. Pferde striegeln, Heusäcke auffüllen, Sättel polieren: das war seine Arbeit gewesen. Ein einfacher Arbeiter, der sein Handwerk verstand und zufrieden war. Und nun? Nun stritten sich ein Haufen Leute, meist religiösen Standes, um seine Knochen. Wie wenn er ein Bischof gewesen wäre. Ein feiner Herr. Was für ein Irrtum. Wenigstens das war zum Lachen. Er versprach sich, wieder nach Italien zu kommen und überlegte, wie er dies am besten anstellen sollte.

      12

      «Ich muss für mindestens einen Monat weg, Selri», zog Pfarrer Jacques ein Mitleid heischendes Gesicht. «Ein minderjähriges Liebespaar aus unserer Gemeinde ist nach Schottland geflüchtet, weil die Väter sich nicht mögen. Der eine arbeitet bei der Stadtpolizei als simpler Bussenverteiler, der andere ist Arzt in einer Privatklinik. Ich muss sie zurückholen und alle miteinander versöhnen.»

      «Eine schwere Aufgabe, armer Jacques», meinte Pfarrer Selri mitfühlend.

      «Ja, Selri, nächste Woche sollte ich schon losfahren.»

      «Gut, dann leite ich wieder deine Singgruppe während deiner Abwesenheit. Ich wäre allerdings froh, wenn du morgen nochmals übernehmen würdest, damit sich die Damen im Voraus beruhigen. Letzten Monat reklamierten sie lauthals, weil du ihnen gefehlt hast, Jacques.»

      «Ja, ja. Ich werde sie auf den Frühling vertrösten. Wir werden ein paar Lieder singen, die gut zum Monat März passen, sodass sich meine Frauen schon jetzt auf unser Wiedersehen in der nächsten Jahreszeit freuen können.»

      13

Скачать книгу