Glücksspiel. Hans W. Schumacher
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"Vielleicht," meinte er und wurde auf einmal rot.
"Gibt es andere Zeugen für Ihre Beobachtungen?"
"Sicher. Man muß sie finden, man wird sie gewiß finden, wenn man am richtigen Ort sucht."
"Haben Sie noch weitere Hinweise?"
Henri zögerte mit der Antwort: "Im Moment noch nicht. Ich dachte, es sei wichtiger, Sie schnell zu informieren. Aber wenn Sie die Wohnung der Toten durchsuchen oder an ihrem Arbeitsplatz nachfragen würden, werden sie noch mehr Indizien finden, als ich Sie Ihnen jetzt liefern kann, da bin ich sicher."
"Gut," sagte Renard, der innerlich darüber lächelte, daß ihn ein Laie über Polizeiarbeit belehren wollte, und erhob sich, "Sie haben uns sehr geholfen. Wir werden uns darum kümmern. Sie hören vielleicht noch von uns, wir haben ja Ihre Adresse."
"Ja, dann auf Wiedersehen," sagte Henri schleppend, es kam ihm vor, als nehme man ihn nur zum Schein ernst, um sich nachher wieder ausgiebig vor Lachen ausschütten zu können.
"Ich bin nicht so verrückt, wie ich scheine, ich bin Versicherungsmann, man kann mir nichts vormachen. Ich bin auch kein Grünschnabel, trotz meiner jungen Jahre."
"Natürlich," der Kommissar geleitete ihn, seinen Unterarm in der Hand haltend, sorglich aus dem Büro, "wir werden uns das, was Sie zu Protokoll gegeben haben, durch den Kopf gehen lassen. Wir sind auch keine heurigen Hasen und ebenfalls nicht mehr so grün, eher schon grau."
Henri sah sich zu ihm um und begegnete seinem Lächeln mit einem zutraulichen Blick, aber als er genauer hinsah, erkannte er einen harten Zug unter den Lachfältchen der Augen und um den Mund und zuckte zurück. Nein, der war nicht überzeugt, der tat nur freundlich, um ihn loszuwerden!
Nachdem der Kommissar Dupont hinausgeleitet hatte, kehrte er in sein Dienstzimmer zurück, wo der lange Laffitte mit ausgestreckten Beinen und hinter dem Kopf verschränkten Händen den Stuhl dem Schreibtisch gegenüber eingenommen hatte. Er grinste von einem Ohr zum anderen.
"Mann, Chef, mir sind ja schon viele Spinner untergekommen, aber der schlug wirklich alle Rekorde."
"Meinen Sie?" fragte Renard trocken und schaute über des Sergeanten Kopf starr auf die Kurve der Kriminalstatistik, die an die Wand zwischen den Aktenschränken geheftet war.
"Aber Chef, das sind doch Hirngespinste! Lesen Sie doch den Text, der handelt von Menschen, nicht von Tieren."
Renard blätterte in dem Notizbuch herum: "Sind Sie da so sicher? Wenn man es mit seinen Augen sieht, kann man tatsächlich seine Version herauslesen. Wer das geschrieben hat, war träumerischer poetischer Natur: 'Die Helle im Gewitter. Vom Wind gebeugte Pappeln. Der Duft von Regen und Staub.' Kennen Sie das nicht auch, erst die heftigen warmen Windstöße, wenn im Sommer ein Gewitter losbricht, dann ist alles schwarz, plötzlich gleißend hell, das Gewölk bricht auf, die heiße Erde dampft...?"
"Na, Chef, jetzt fangen sie ja selber an zu dichten!"
"Sagen Sie doch gleich, ich spinne."
"Na, soweit wollte ich nicht gehen. Aber die Aufzeichnungen haben keine Jahreszahl. Sie könnten auch vom letzten, vorletzten, was ich weiß ich, von welchem Jahr stammen. Das Ganze kann auch schlicht phantasiert sein, vielleicht ist es der Anfang einer Geschichte, die diese Frau schreiben wollte."
"Die letzte Eintragung trägt immerhin das Datum vom letzten Mittwoch."
"Purer Zufall!"
"Aber Dupont schien ehrlich bekümmert über das Schicksal des Mädchens, wahrscheinlich ist er verliebt in sie. Sie war seiner Ansicht nach doch eine Kollegin. Normalerweise sind Leute, die verstiegene Theorien vortragen, persönlich an den Fällen gar nicht interessiert, es geht ihnen nur darum, sich selbst in den Vordergrund zu spielen, sich wichtig zu machen."
"Er machte mir genau diesen Eindruck. Wie er mit seiner Bildung prahlte, er wollte uns doch nur beweisen, daß wir alle Banausen sind."
"Lassen wir das zunächst dahingestellt sein. Da dies der erste und einzige Hinweis zu unserem Fall ist, müssen wir ihm nachgehen, so seltsam er uns auch vorkommt. Wer das Phantastische verwirft, ist kein Realist."
"Chef, jetzt übertreiben Sie wieder schamlos."
"Das war ein Zitat!"
Renard schob Aktenbündel auf dem Tisch herum, als wollte er dort gleichzeitig ebenso Ordnung schaffen wie in seinen Gedanken:
"Also gut, wir machen folgendes: Sie hängen sich jetzt ans Telefon, versuchen die Concierge der Rue B éranger 11 zu erwischen und fragen sie über diese Armida Cecchini aus, wann zum letzten Mal gesehen, wie gekleidet usw., wenn sie nicht zu erreichen ist, gehen sie selbst hin, fragen Hausbewohner nach ihr, klingeln auch an der Wohnungstür, vielleicht ist sie ja wieder aufgetaucht. Sollte dort bis, sagen wir, in einer Woche niemand sein, beschaffen wir uns einen Durchsuchungsbefehl und brechen dort ein. Sehen Sie auch einmal die Vermißtenkartei durch. Wann wird der Leichenbeschauer seinen Bericht liefern?"
"Er sagte mir, morgen gegen Mittag. Soll ich sofort loszittern, Chef?"
"Na, was denken Sie?"
Inspektor Laffitte dachte, daß er erst einmal ausgiebig frühstücken würde, er war schon seit 6 Uhr morgens im Revier und dabei war Sonntag. Daß diese Mörder aber auch nie Rücksicht auf die Amtsstunden nahmen! Danach war noch Zeit genug, um diesen Spinnereien nachzugehen.
Kapitel 2
Dupont wäre auf der Heimfahrt in der Metro fast eingeschlafen, so zerschlagen war er nach dem Gespräch mit dem Kommissar. Die Enttäuschung nagte an ihm. Mein Gott, diese Polizisten waren doch tatsächlich so borniert, wie sie Poe beschrieb, seit 150 Jahren hatte sich nichts geändert. Er schleppte sich von der U-Bahn nach Hause, stieg die knarrenden vier Treppen hoch und ließ sich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen. Die Sonne warf leuchtende Flecken auf das Parkett, ein warmer Sommerwind bewegte die Tüllgardinen. Er nahm einen Schluck kalten Kaffee, ließ ihn durch die trockene Kehle rinnen und dachte nach. Plötzlich lächelte er triumphierend. Der Kommissar wollte stärkere Beweise, er würde sie bekommen. Er stand auf, ging in die Küche, zog eine Schublade auf, entnahm ihr eine Zange und ein Stück starken Draht. Am Tisch sitzend bog er ihn zurecht, bis er gut in der Hand lag, dann probierte er den Dietrich an der Zimmertür aus, das Klicken des Schlosses erfüllte ihn mit Stolz. Er war nicht nur ein exzellenter Detektiv, er würde auch einen guten Einbrecher abgeben!
Er ging hinunter und betrat das Nachbarhaus. Zum Glück war die Concierge nicht in ihrer Loge, er huschte behend die Stufen hinauf, begegnete auch niemand. Es war bald Mittagszeit, aus allen Wohnungen drangen Küchendünste. Geräuschlos erklomm er die letzte düstere Stiege zum Dachgeschoß, die stickige Luft wurde von einem einzigen goldenen Lichtstrahl durchschnitten, in dem Sonnenstäubchen blitzten. Er wagte kaum zu atmen. Er suchte im Halbdunkel das Türschild und fand es: A. Cecchini. Er drückte ein Ohr an das Holz, nichts war zu hören, nur der Wind, der um das Dach wehte. Der Dietrich drehte sich knackend, er suchte den richtigen Druckpunkt, der Widerstand gab nach, die Pforte öffnete sich, er trat in einen Flur, von dem vier Türen zu Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer abgingen. Er kannte die Anordnung der Räume aus seinem eigenen Mietshaus.
Obgleich er überzeugt war, daß niemand da war, ging er auf Zehenspitzen über den Flurteppich, trat in die