Glücksspiel. Hans W. Schumacher

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Handflächen wurden feucht. Er war so sicher gewesen, der Kommissar hatte mit seiner Skepsis doch recht gehabt.

      Aber es blieb noch eine Chance: die Lektüre. Er schlich ins Wohnzimmer und sah einen Bücherschrank vor sich. Er begann systematisch oben links und arbeitete sich allmählich nach unten durch. Offenbar waren die Bände chronologisch geordnet, auf dem obersten Brett stand die neueste Literatur: Moravia, Pavese, Morante, Anouilh, Sartre, Hemingway, danach kam das 19., Manzoni, Carducci, Leopardi, Balzac, es folgte das 18. Jahrhundert, er kauerte sich nieder, aber als er unten rechts anlangte, hatte er das Gesuchte nicht gefunden. Seine Hände zitterten, sein Mund schmeckte sauer. Ihm wurde fast übel. Er richtete sich auf, schloß die Schranktüren und sah sich um.

      Auf dem leeren Schreibtisch neben dem Fenster lag ein kleines ledergebundenes Buch. Er ging, eine neue Enttäuschung erwartend, langsam hinüber, nahm es in die Hand, hielt den Buchrücken vor seine Augen, und sein Herz krampfte sich vor Entzücken zusammen: Tasso: La Gierusalemme liberata entzifferte er die kleinen verblaßten Goldlettern. Seine Schläfen pochten, er setzte sich auf den zierlichen Sessel vor dem Schreibtisch und schlug den Quartband auf. Auf dem Vorsatzblatt stand eine Widmung in blauer Tinte: Dir, Armida, mit herzlichen Glückwünschen von Deiner Alida. Dann kam das reich verzierte Titelblatt mit Verlagsort und -jahr: Pavia 1860. Er betrachtete die vergilbten Kupferstiche. Da waren sie: Goffredo in seiner glänzenden Rüstung, Armida, die schöne Fee mit halbkugelförmigen weißen Brüsten in ihrem Palmengarten, Rinaldo auf einem Schlachtroß, Tancred sein Schwert schwingend, wahrhaftig keine Maus, stark wie ein Löwe, Rinaldo in nichts nachstehend.

      Es war still im Zimmer, nur zuweilen hörte er ein sanftes, undefinierbares Geräusch. Das war wohl der Wind, der um die Mansardenfenster strich. Ihm wurde ängstlich zumute, es war, als ginge der Geist der Toten seufzend durch die verlassenen Räume. Er steckte das Buch in die Innentasche seiner Jacke. Er würde noch das Schlafzimmer in Augenschein nehmen und dann verschwinden. Er betrat wieder den Flur und drückte die Klinke der Schlafzimmertür nieder. Der seltsame hechelnde Laut verstärkte sich, als er sie weiter öffnete.

      Ein gellender Schrei zerriß die Luft. Er wußte nicht, ob er ihn ausgestoßen hatte oder Armida: sie lag nackt auf dem Bett in den Armen eines nackten, braungebrannten Mannes. Dupont starrte auf ihre Brüste, dann in ihre vor Schreck geweiteten Augen.

      "Du bist tot, du mußt doch tot sein!" schrie es in ihm. Der Mann richtete sich zwischen den Schenkeln der Frau auf und durchbohrte ihn mit einem wütenden Blick. Oh Gott, das war ja Vlassens! Henri wandte sich zur Flucht, den Dietrich in der Hand, als könnte er sich nicht von ihm trennen.

      Er stolperte der Wohnungstür zu, aber bevor er sie erreichen konnte, fühlte er einen Schlag auf den Hinterkopf, der ihm schwarz vor Augen werden ließ. Er kippte nach vorn, schlug mit der Stirn gegen die Wand, es dröhnte in ihm, und er rutschte langsam zu Boden. Ein grauer Kater und eine weiße Maus irrlichterten durch sein schwindendes Bewußtsein.

      Da gellte die Türglocke.

      Vlassens, der mit einer kleinen Bronzefigur bewaffnet, nackt über dem Körper Duponts stand, zuckte zusammen. Die Frau, die sich inzwischen einen Morgenrock übergeworfen hatte, nickte ihm stumm zu, er verstand, sie mußten den Eindringling verbergen.

      Es klingelte wieder, und eine Stimme tönte: "Aufmachen, Polizei!"

      Entsetzen überflog ihr Gesicht, sie packte Duponts Beine, er griff unter seine Achseln und gemeinsam schleiften sie ihn ins Schlafzimmer. Vlassens ließ sich aufs Bett fallen und versuchte zappelnd die Beine in seine Hose einzufädeln, die Frau schloß leise die Tür, als wieder ungeduldig die Klingel tönte. Laffittes Stimme donnerte: "Polizei! Aufmachen oder wir treten die Tür ein!"

      Die Frau betrachtete sich im Flurspiegel, strich das Haar zurecht, suchte sich ein beherrschtes Aussehen zu geben und öffnete.

      "Wer sind Sie? Was wollen Sie?" fragte sie indigniert die beiden Männer, die vor ihr standen.

      "Polizei," sagte Laffitte, er hielt ihr seinen Ausweis vor die Augen, "Sind Sie Armida Cecchini?"

      "Natürlich, das bin ich, was soll die Frage?" Laffitte nickte stumm, er hatte es doch gewußt. Nun stand er da und ihm fiel nicht ein, was er noch tun konnte. Immerhin war da dieser dumpfe Fall zu hören gewesen und die lange Zeit, die bis zum Öffnen der Tür verstrichen war, kam ihm irgendwie verdächtig vor. Laffitte blickte von oben auf die hübsche Frau hinunter, die ihren Morgenrock über der Brust zusammenraffte, dann fiel ihm ein:

      "Können Sie mir Ihren Personalausweis zeigen?"

      "Einen Augenblick," sagte sie, "ich hole meine Handtasche." Sie glitt zur Schlafzimmertür hinein, dabei sah sie über die Schulter zum Sergeanten hinüber, dessen Jagdinstinkt angesprochen wurde. Da war was nicht koscher, das roch faul.

      Fräulein Cecchini schlüpfte wieder durch den Türspalt und zog die Tür hinter sich zu. Sie wühlte in ihrer Handtasche und streckte Laffitte einen Reisepaß entgegen. Der Uniformierte war neugierig hinzugetreten und versuchte, sich auf die Zehenspitzen stellend, über die Schulter des langen Assistenten zu lugen. Laffitte prüfte das Foto genau: ja, das war sie, kein Zweifel, die Frisur war zwar ein wenig anders, aber Frauen änderten nun mal gern öfters ihre Haartracht. Armida Cecchini, geb. 12. 6. 69 in San Remo, Italien. Ledig. Staatsangehörigkeit: französisch. Er hielt ein Blatt gegen das Licht: alles in Ordnung. Die Stempel, die Daten und Unterschriften, alles sah o.k. aus. Er suchte Zeit zu gewinnen.

      "Brigadier," sagte er zu dem Polizisten hinter sich, "sehen Sie sich doch auch einmal den Paß an." Der Gendarm blätterte verlegen darin herum, während sich Laffitte in den Flur hinein bewegte. Er wollte näher an das Zimmer herankommen, in das sie sich gepreßt hatte.

      "Sagen Sie?" fragte er die Frau, die so nah vor ihm stand, als wollte sie ihm den Weg versperren, "da war vorhin so ein dumpfes Geräusch zu hören, als ob jemand zu Boden gestürzt wäre, ich hörte ein Stöhnen."

      "Das war ich, ich bin über die Teppichkante gestolpert."

      "Es hörte sich aber nach einem schwereren Körper an, und die Stimme war eher die eines Mannes."

      Er trat näher an sie heran, sie wich einen Schritt zurück. Laffittes Blick richtete sich auf den Boden vor ihren Füßen: "Wenn mich nicht alles täuscht, sind das Blutflecken." Er bückte sich und tippte mit dem Finger hinein und zeigte Fräulein Cecchini die rote Fingerkuppe: "Sie müssen sich verletzt haben, Sie ruinieren Ihren schönen Teppich. Sehen Sie, da sind noch mehr." Und er wies hinter sie.

      "Lassen Sie mal sehen, wo Sie sich verletzt haben." Er musterte sie: "Da ist nichts." Er machte eine Pause: "Darf ich einen Blick in das Zimmer da hinten werfen?"

      "Was fällt Ihnen ein, haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?"

      "Die Polizei braucht keinen Durchsuchungsbefehl, wenn Gefahr im Verzug ist," sagte Laffitte.

      Die Schlafzimmertür öffnete sich weit, Vlassens erschien völlig angekleidet in der Öffnung und sagte:

      "Kommen Sie herein Inspektor, es ist etwas Seltsames passiert."

      Er wies auf den neben der Tür liegenden Dupont, dessen Hand noch den Dietrich umklammerte. Laffitte fiel vor Erstaunen das Kinn herunter, er kniete sich neben den Ohnmächtigen, zog sein linkes Augenlid nach oben, sah sich die verdrehte Pupille an, prüfte den schwachgehenden Puls und fragte: "Wie ist das geschehen? Ich kenne den Mann."

      "Ich auch," sagte Vlassens, "ich bin sein Vorgesetzter in der Assurance Internationale. Kurz bevor Sie hereinkamen, muß er sich mit dem Nachschlüssel Zugang zur Wohnung verschafft haben. Er trat plötzlich

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