Der Mörder gibt ein Rätsel auf. Rainer Ballnus

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Der Mörder gibt ein Rätsel auf - Rainer Ballnus

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sie ihn.

      „Wir haben Besuch, mein Lieber, und du wirst staunen, wer es ist!“

      Jörg ließ Karin los, trat einen Schritt zurück und wollte gerade fragen, mit wem er gleich das Vergnügen haben werde, da sah er aus den Augenwinkeln einen Menschen in die Terrassentür treten.

      Yasmine schaute ihren Bruder erstaunt an. Sie saßen beide in einem Straßencafé und jeder von ihnen schleckte an einer großen Eisportion.

      „Ich dachte, du wüsstest, wie ich darüber denke, Norbert.“

      „Ja, das schon, aber…“

      „Aber! Aber! Immer wieder aber!“, unterbrach sie ihn wütend. „Sei doch nicht immer so pessimistisch! Ich will nicht in die Firma und Chris gehört da einfach nicht hin! Und das sag’ ich, obwohl er mein Mann ist! Basta! Menschenskind, das muss dir doch genügen!“

      Norbert Eichstätt schaute seine Schwester lange an.

      „Bist du dir absolut sicher, dass Vater die richtige Entscheidung trifft?“

      Yasmine warf ihren Eislöffel auf die Serviette und lehnte sich in ihrem Plastikstuhl nach hinten.

      „Also, wirklich, dir ist nicht mehr zu helfen! Was ist nur los mit dir? Hast du denn gar kein Selbstbewusstsein mehr? Einen wirklichen Konkurrenten gibt es doch gar nicht! Du bist jemand, der zwei Studiengänge erfolgreich abgeschlossen hat und der gute und wirksame Verbesserungsvorschläge eingebracht hat, und du…“

      „Ja, ja, das weiß ich alles selber“, unterbrach sie ihr Bruder. „Aber in der letzten Zeit stelle ich fest, dass Vater überhaupt nicht auf mich hört. Wir verlieren Kunden, aber er will das einfach nicht wahrhaben. Stattdessen amüsiert er sich mit deinem Sohn. Das ist doch nicht mehr normal!“

      „Hoppla, daher weht der Wind. Also doch Eifersucht, was? Glaubst du allen Ernstes, dass Papa daran denkt, einen Säugling zu seinem Alleinerben zu machen? Glaubst du das wirklich?“

      Norbert wand sich auf seinem Stuhl hin und her.

      „Ihn vielleicht nicht, aber…“

      Weiter kam er nicht, das Handy von Yasmine klingelte. Irgendwie war sie froh, von dem blöden Thema abgelenkt zu werden, griff in ihr Handtäschchen und klappte das Mobiltelefon auf. Norbert bemerkte schon nach wenigen Sekunden, dass etwas nicht stimmte. Yasmine wurde leichenblass, musste heftig schlucken und begann zu stottern: „Was… was sagen Sie da? Ich komme sofort!“

      Sie sprang von ihrem Stuhl hoch, starrte ihren Bruder an, und dann kamen sie, die Tränen. Noch bevor er fragen konnte, was eigentlich los war, sank sie auf ihren Stuhl zurück. Sie war einer Ohnmacht nahe. Norbert sprang auf, beugte sich über seine Schwester und klatschte sanft mit seiner Hand mehrfach gegen ihre Wange.

      „Yasmine, komm zu dir! Was ist los? Was ist los, Yasmine?“

      Sie öffnete erschrocken die Augen, benetzte mit ihrer Zunge die trockenen Lippen.

      „Cyril-Amadeus“, flüsterte sie.

      „Und Sie meinen, das könnte diesmal wirklich klappen?“

      Die Zweifel in der Stimme von Jörg Wartefuhl waren nicht zu überhören. Was er unbedingt vermeiden wollte, das war eine erneute tiefe Enttäuschung, für sie beide, aber vor allem für Karin. Nicht zum ersten Mal hatten sie versucht, ein Baby zu adoptieren. Und dann war es doch nichts geworden, manchmal aus Gründen, die kaum nachzuvollziehen waren, bisweilen aber auch, weil es sich die leibliche Mutter im letzten Moment wieder anders überlegt hatte. Auf der anderen Seite war er über die Initiative von Karin nicht unfroh. Sie selbst hatte heimlich einen neuen Anlauf genommen, wollte ihn überraschen. Also musste er besonders behutsam vorgehen, aber so ganz konnte er seine Skepsis nicht verbergen.

      „Ich denke schon“, nickte die Frau vom Jugendamt.

      „Das haben Sie schon zweimal gedacht und dann…“

      „Aber Jörg, das ist doch jetzt ein ganz anderer Fall“, unterbrach ihn seine Frau.

      Der Chef der Mordkommission merkte ihren mitschwingenden Ärger. Und er wusste aus der Vergangenheit, was danach kam, ein Tränenausbruch und den wollte er ihr, aber auch sich ersparen.

      „Also gut, versuchen können wir es ja, und wann glauben Sie, wäre ein realistischer Termin?“, lenkte er deshalb ein.

      „Die werdende Mutter hat mir den Stichtag der Geburt ihres Babys genannt: 12. September. Und Sie wissen ja sicherlich selbst, dass da immer was…“

      „Ja, natürlich“, fuhr Jörg Wartefuhl ein wenig genervt dazwischen. Für so dumm musste diese Frau vom Jugendamt ihn nun wirklich nicht halten. Er schaute stattdessen seine Frau an und merkte, wie sie voller Hoffnung war. Ihre Wangen zeigten Röte, und während des ganzen Gespräches hatte sie förmlich an den Lippen der Beamtin gehangen.

      „Gut, dann bedeutet das noch knappe zwei Monate Wartezeit für uns, in denen wir uns vorbereiten können.“

      Er sprach jetzt direkt Karin an.

      „Meinst du, dass wir das schaffen?“

      Es schien so, als habe sie auf diese Frage gewartet.

      „Von mir aus schon morgen. Du weißt doch, das Zimmer ist fertig, seit… seit…“

      Karin verstummte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Jörg Wartefuhl sprang von seinem Gartenstuhl auf und nahm sie in den Arm.

      Doch bevor er etwas sagen konnte, klingelte sein Handy. Er zog es aus der Hosentasche und meldete sich. Sein Gesicht verfinsterte sich augenblicklich.

      „Und wie geht es der Babysitterin jetzt? Okay. Pass auf Werner, fahrt alles hoch. Ja, der ganz große Bahnhof! Ja, ja, auch den Chef. Ich bin schon unterwegs!“

      „Tut mir Leid, ich muss los. Schatz, regle du noch die weiteren Formalitäten. Ich melde mich später!“

      Jetzt war er im Dienst und so, wie es aussah, war der Sturm nun endgültig losgebrochen.

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