Der bittere Weg Teil 1. Jens Otto Holländer
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Ich stellte ein Bein auf die Schüssel, band den Arm ab und stütze ihn auf das Bein. Klopfte auf die die Stelle im Unterarm, wo ich die Vene vermutete. Und dachte: wenn Du wieder aufwachst, dann gehst Du auf Therapie, und wenn nicht, dann ist es auch o.k. Es war ein ganz unsentimentales Gefühl und ich wusste es war mir ernst. Angst vor dem Tod hatte ich nicht, und das Leben konnte nicht schlimmer werden.
Ich stach die Nadel durch die Haut und traf auf Anhieb eine Vene. Als ich ganz vorsichtig den Kolben anzog, schoss das Blut in einer kleinen, wirbelnden Fontäne in die Spritze und mischte sich mit dem Heroingemisch.
Dann drückte ich mir das Zeug mit einer zügigen Bewegung in die Vene.
Eine warme Welle und eine Euphorie, wie ich es lange nicht gehabt hatte, trugen mich weg. Es wurde immer mehr. Mein Kopf wurde heiß und ich rang nach Luft. Ich hatte den Geschmack nach Kaffee im Mund. Mir wurde schwindelig. Ich dachte noch: für dieses Feeling gehe ich durch die Hölle. Eine Hand presste mein Herz zusammen und mir blieb die Luft weg. Der ferne Straßenlärm und das Gelächter der Penner verschwanden. Ich spürte eine Beklemmung in der Brust und Panik stieg in mir auf. Mir wurde siedend heiß und ich dachte, ich muss hier raus. Beim Versuch richtig aufzustehen kam ich auf die Spülung, sah das Wasser rauschen, aber ich hörte nichts. Ich drehte mich zur Türe um und es wurde schwarz.
Ich wurde wieder wach. Das erste, was ich wahrnahm, war der Geschmack von Blut im Mund.
Mein Hemd war halb nass. Neben mir lagen Brille, mein Gürtel, Kippen, der Löffel, die Spritze, Feuerzeug und das leere Briefchen. Der Geldbeutel, mit knapp 40 Mark war auch noch da. Und meine Tasche aus Tunesien.
Ich hatte eine Beule und eine aufgebissene Lippe. Es war vielleicht eine halbe Stunde vergangen. Ich bog die Brille wieder gerade und setzte sie, schmierig wie sie war auf.
Ich war völlig deprimiert. Abwesend suchte ich meinen Kram zusammen, Pumpe und Löffel warf ich weg. Dann machte ich mich auf den halbstündigen Heimweg.
Ich war innerlich wie erstarrt. Jegliche Emotion in mir war erfroren.
Eine Stunde später war ich oben in der Wohnung meiner Mutter, schlich hinauf ins Gästezimmer und pennte sofort ein. Es war eine Etagenwohnung und mein Zimmer war oben auf der Empore.
Gegen Morgen erwachte ich und war mit einem Schlag hellwach. Die Panik traf mich wie ein Hammerschlag. Ich rannte runter zum Klo und musste mich übergeben. Es kam nicht viel und ich würgte vor mich hin. Ich wartete, bis sich meine Magennerven etwas beruhigt hatten und nahm eine dicke Dosis DHC Saft (Dehydrocodein), mit dem damals kurzzeitig substituiert wurde.
Meine Mutter war zum Glück bei der Arbeit. Wie immer hatte sie das Frühstück stehen lassen, obwohl ich nie frühstückte. Ich stellte das Zeug in den Kühlschrank. Dann nahm ich meine Tasche, verließ die Wohnung, warf den Schlüssel in den Briefkasten und holte mir beim Edeka zwei Chantre. Mit diesem Stoff im Gepäck und dann im Bauch, machte ich mich den Hügel hinab auf, in Richtung Hospital. Als mir die Wärme des Alkohols und des Codeins die Glieder und die Psyche streichelten, fühlte ich mich halbwegs als Mensch. Bald war ich an der Pforte. Es war Montag der 2. August 1993.
Der Anfang-1989
Im Grunde fing es ganz banal an.
Es war Montagvormittag, Ende Mai, schon bald Mittag und ich saß, als einziger Gast, draußen im La Concha, am Rande der Stuttgarter Altstadt, auf einem schäbigen Rohrstuhl, bei einer halben Bier. Mein 26. Geburtstag war paar Tage her. Ich hatte tolle Geschenke bekommen, u.a. ein Dartschränkchen mit Scheibe und 6 Dartpfeilen, zwei King Romane, eine gute Pulle Whisky und ein Einmachglas mit dicken Gummibärchen und zwei in Alu gewickelten Fläschchen Valoron N, von einer Freundin, die im Krankenhaus arbeitete! Darüber freute ich mich besonders. Ein halbes Fläschchen und ich war gut drauf.
Es war typisches Ende Mai Wetter. Diesig und schwül warm. Selbst durch die Sonnenbrille sah alles grau aus.
Ich hatte meinen freien Tag und saß seit einer halben Stunde hier, las den Spiegel und bereitete mich innerlich darauf vor, das nächste Bier zu ordern. Gelangweilt starrte ich auf die vorbeiziehenden Passanten und den Autoverkehr der sich über den Wilhelmsplatz quälte.
Wie schon zu oft war ich, in der Hoffnung, es würde etwas Tolles Passieren, hierher gefahren und wie immer war nichts Aufregendes geschehen. Nur meine noch recht neue Vespa, die knallrot dem grauen Wetter trotzte, gab dem Tag Farbe.
Ich vertiefte mich wieder in die Zeitung und zog an meiner Zigarette. Zwei abgesoffene Frauen setzten sich zwei Tische weiter. Eine lange Nacht, stand allzu deutlich in ihre Gesichter geschrieben. Dann hörte ich, wie wieder ein Stuhl verschoben wurde und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sich jemand links von mir hinsetzte. Ich schaute ihn an. Ein dürrer Typ, mit sehr langen und sehr fettigen Haaren, einem Schnauzbart, Lederhose und Shirt. Ich spürte, wie sich mein Magen leicht zusammenzog. Den Typ kannte ich nicht, hatte ihn nie gesehen, aber ich dachte sofort, der weiß was mit Heroin.
Fieberhaft überlegte ich und rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Jetzt etwas Heroin, das wäre RIESIG. Seit über einem halben Jahr hatte ich nichts geschnupft. Nur Valoron gab es ab und an, aber schon EWIG keine Schore. Aus Mangel an Gelegenheit. Das wäre echt das Richtige für meinen freien Montag.
Also stand ich auf, ging rein, bestellte ein Bier und zwei Tequilla und rückte beim wieder hinsetzen meinen Stuhl zu ihm hin. Ich bot ihm eine Kippe an. Er nahm sie bereitwillig und ich gab ihm Feuer. Dann sah ich in an und sagte halblaut:
Ich glaube, wir haben das gleiche Hobby.
Er sah auf, zögerte kurz und fragte
Suchst Du Gift?
Mein Magen hüpfte, ich bejahte und fragte, ob er was besorgen könne. Er nickte. Die Tequilla und das Bier kamen und wir tranken zusammen.
Ich heiße Jim und du?
Freddy. Wenn wir ausgetrunken haben, können wir gleich gehen. Wieviel willst Du?
Ich war tierisch aufgeregt. Ich hatte schon bezahlt und wir gingen los. Die Vespa blieb stehen. Nach knapp 10 Minuten bogen wir in einen Hausgang und betraten eine Altbauwohnung im Erdgeschoß. In einem schmuddeligen Zimmer gab ich ihm 100 Mark und er sagte, es dauere paar Minuten. „Bitte verarsch mich nicht“ flehte ich innerlich.
Er kam und kam nicht wieder. Gerade, als ich dachte, er hätte mich gelinkt, kam er zurück und mir war klar, warum es so lange gedauert hatte, denn er sah völlig knülle aus. Er war erst mal aufs Klo, sich einen Druck machen. Ich war nun total geil auf Heroin. Nichts hätte mich nun mehr abbringen können, Heroin zu nehmen.
Mit der leicht nasalen, schleppenden Stimme, die viele haben, wenn sie dicht sind, entschuldigte er sich, dass es so lange gedauert habe. Er gab mir ein Briefchen. Ich tat sehr erfahren und fragte nach der Qualität. Gleichzeitig sah ich mich nach einem geeigneten Platz um. In der Ecke stand ein emaillierter Kohleofen. Ich wischte den Deckel ab und schüttete vorsichtig ungefähr ein Drittel des Pulvers, auf den schwarzen Lack. Mit dem Rand eines Fünfers zerdrückte ich das Pulver. Es knirschte