Mörderliebe. Elke Maria Pape
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Rosemarie mied den Park bei gutem Wetter und Sonnenschein, besonders im Frühling empfand sie es besonders schlimm. Überall diese glücklich aussehenden Menschen, die herumtoben und Ballspiele machen, Eis essen, Kinderwagen schieben oder Inline skaten. Dann spürte sie extrem ihre eigene Kluft zwischen dem glückseligen Neuanfang der Natur und ihrem eigenen betrübtem Dasein und des Gefühls der Ausgeschlossenheit. Bei schlechtem Wetter dagegen waren auch die aktivsten Menschen müde und verdrossen. Da fiel ihre eigene Traurigkeit nicht weiter auf.
Er saß ruhig da mit einigem Abstand zu ihr und doch kam es Rosemarie vor, als wäre dieser Abstand noch zu gering. Sie fühlte sich unwohl und auch wieder nicht. Jetzt sah er sie an. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dem fremden Mann ihre Gedanken mitzuteilen und erschrak über ihren Wunsch plötzlicher Offenheit einem Fremden gegenüber, wo sie doch sonst bei fremden und auch bei bekannten Personen, eigentlich bei allen Menschen, immer vorher genau abwog, was sie sagen wollte oder musste oder was von ihr erwartet wurde. Immer passte sie genau auf, dass das was sie sagte, nicht dumm erschien, oder lächerlich oder vorlaut oder peinlich, oder, oder, oder. Die Liste war lang und so sagte Rosemarie meistens nichts.
Zu ihrer Verwunderung schien der Mann ihre Worte aber keinesfalls lächerlich zu finden. „Ich kann Sie gut verstehen, auch ich ziehe dieses stürmische Wetter vor. Ich mag den beginnenden Herbst und die dunkle Jahreszeit.” Er schaute sie unentwegt an.
Diese durchdringenden blauen Augen! Nein, schüchtern war er nicht. Eher sehr selbstbewusst. Aber anders als ihr Mann. Jemand, in dessen Nähe man sich sicher fühlen konnte, jemand der eine Frau beschützen und verteidigen würde, dachte Rosemarie und schämte sich sofort. Schließlich war sie eine verheiratete Frau.
Trotzdem genoss sie das Gefühl seiner Nähe für eine Weile. Andererseits musste sie doch sicher aufpassen, oder etwa nicht? Man konnte schließlich nicht vorsichtig genug sein, auch hier auf dem Lande. Sie hatte schon so oft von so genannten Stalkern gehört und gelesen.
Menschen, die andere verfolgen, ihnen zuerst schmeicheln und sie dann nicht mehr loslassen, kontrollieren und bedrohen. Hatte er ihre Gedanken erraten?
Denn jetzt beugte er sich seitlich ziemlich nah zu ihr herüber: „Hab keine Angst, ich tue dir nichts Böses. Ich bin hier, um dir zu helfen.”
Rosemarie erschrak fürchterlich und rückte hastig noch ein Stück zur Seite, bis sie das äußerste Stück der Parkbank unter ihrem Po spüren konnte.
Jetzt bekam sie es doch mit der Angst zu tun. „Helfen?” Sie schrie das Wort fast hysterisch. „Helfen wobei? Wer sind Sie, was wollen Sie von mir und woher kennen Sie mich?” Eigentlich wollte sie so schnell wie möglich aufspringen und einfach weglaufen, aber irgendetwas hielt sie auf dieser Parkbank fest. „Hören Sie!”, stammelte sie. „Mir kann niemand helfen. Niemand hat mir je geholfen. Wenn mein Mann oder einer seiner Bekannten uns hier sieht, werde ich viel Ärger bekommen. Also gehen Sie weg und lassen Sie mich in Ruhe!”
Der Mann wartete. Blieb einfach sitzen und wartete.
Rosemarie wusste nicht, was sie tun sollte. Einer solchen Situation war sie nicht gewachsen.
Ihn wegschicken? Ihn wieder anschreien, so wie eben?
Sie war sich jetzt schon sicher, dass das nichts helfen würde.
Der Fremde würde sie nicht alleine lassen.
Völlig zusammengesunken saß sie jetzt neben ihm und dann begann sie zur ihrer eigenen Bestürzung hemmungslos zu weinen. Oh nein, dachte sie noch. Das kann ich nicht machen. Nicht hier, nicht in aller Öffentlichkeit, noch dazu vor einem Mann, den ich überhaupt nicht kenne.
Sie hatte sich nicht mehr anders zu helfen gewusst.
Sie weinte und weinte und er ließ es geschehen, reichte ihr nur ein Taschentuch und berührte sanft ihre Schulter, bis er nach einer ganzen Zeit merkte, dass sie sich langsam beruhigte. „Ich heiße Eduard und wohne ganz in deiner Nähe, nur ein paar Straßen weiter. Ich habe dich schon oft beobachtet, wenn du aus dem Haus gehst oder einkaufen oder eben hier in diesem Park.”
„Warum?”, fragte Rosemarie und schniefte in das Taschentuch.
„Ich mag dich einfach und es tut mir so weh, wie traurig du immer bist. Ich musste dir einfach helfen. Du bist so eine hübsche Frau und du solltest glücklich sein!”
Rosemarie lauschte seinen Worten. Ihr ganzer Körper zitterte von dem heftigen Gefühlsausbruch. „Hübsch?”, murmelte sie und schüttelte den Kopf: „Schau mich mal an. Ich bin klein, dick, habe strähnige Haare und jetzt noch ein verheultes Gesicht! Niemand hat je gesagt, dass ich hübsch bin! Also, warum sagst du so etwas?” Jetzt hatte sie ihn auch geduzt und das schien ihm zu gefallen. Er lächelte.
„Weil es die Wahrheit ist!”
Eine ganze Weile blieben sie so nebeneinander sitzen ohne dass einer von ihnen ein Wort sprach. Normalerweise fühlte sich Rosemarie in einer solchen Situation äußerst unwohl, und versuchte entweder das Gespräch mühsam am Laufen zu halten oder unter irgendeinem Vorwand zu gehen. Aber jetzt merkte sie, dass sie sich entspannte, völlig die Zeit vergaß. Sie sah, dass er sehr breite Schultern hatte. Sie mochte Männer mit breiten Schultern und sie ertappte sich bei dem Wunschgedanken, ihren Kopf an diese Schultern zu legen. Eduard schaute liebevoll zu ihr herüber und zu ihrer Überraschung nahm er sanft ihre Hand. Aus einem Reflex heraus wollte Rosemarie sie sofort wegziehen, tat es aber nicht.
„Von jetzt an bist du nie wieder allein.”, sagte er eindringlich. „Das verspreche ich dir. Aber ich glaube jetzt musst du gehen. Wir sehen uns wieder, das schwöre ich. Du wirst von mir hören.”
Das schwöre ich, hatte er gesagt!
„Warum?”, fragte sie erneut und schaute ihn fragend an.
„Vertrau mir. O.k.?”
Rosemarie nickte stumm und zog ihre Hand aus der seinen. Sie stand auf, strich sich ihren Rock glatt, sah ihn noch einmal an und ging dann langsam den Kiesweg Richtung Parkausgang. Ihre altmodischen Schuhe knirschten auf den kleinen Steinen noch eine ganze Weile. Eduard sah ihr lange nach.
Er war so glücklich, wie noch nie in seinem Leben.
Kapitel 9
„Gaby! Gaby hörst du nicht?”, ihre Mutter fuchtelte mit der Grießbreipackung vor ihrer Nase herum: „Pia muss jetzt ihren Brei essen. Na gut, dann koch ich ihn eben, wenn du es nicht schaffst. Es ist nicht schlimm, hörst du!”
Gabriele Olischewski schrak zusammen. Meistens saß sie aber nur teilnahmslos am Fenster und starrte hinaus. Jetzt nickte sie. Ihre Mutter hatte zurzeit die Führung des Haushalts übernommen. Resolut wie immer krempelte sie die Ärmel hoch und kümmerte sich um alle anfallenden Dinge. Dabei brachte sie niemand von ihrem Anspruch an sich selber ab, sämtliche Hausarbeiten bis zur völligen Perfektion auszuführen, ja auch in dieser Situation.
Oder