Mörderliebe. Elke Maria Pape
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„Du könntest heute mal Medaillons braten, mit frischen Möhren und einer schönen Sauce! Was hältst du davon Schatz?”, fragte Roland und strich ihr mit kalten Fingern über die Wange. Sie zuckte zusammen, lächelte aber und nickte heftig. Er mochte es nicht, wenn sie seinen Aufforderungen nicht klare Signale der Zustimmung entgegen brachte. Sie versuchte gerade zu stehen, ihre Wunde am Bein schmerzte fürchterlich. „Geh in den nächsten Gang, dort sind die Saucen. Und hol nicht wieder die falschen!”, befahl er ihr. „Ich stelle mich schon mal an der Fleischtheke an.”
Ohne ihre Antwort abzuwarten drehte er sich blitzartig um und verschwand in Richtung Fleischtheke. Rosemarie fuhr sofort mit ihrem Einkaufswagen in den nächsten Gang. Sie betete, dass diesmal die von ihm gewünschten Saucenpackungen im Regal standen. Jetzt konnte er sie nicht mehr sehen, jetzt durfte sie für einen Moment ihre Schmerzen zulassen und humpeln. Mühsam hatte sie schon den ganzen Nachmittag, seit er von der Arbeit gekommen war, versucht die Fassade aufrechtzuerhalten. Umso mehr kam jetzt der Schmerz zurück und der Schwindel.
Doch, da waren sie!
Gott sei Dank! Die richtigen Saucen! Sie hatte sie gefunden und spürte so wenigstens eine kleine Erleichterung. Sie stellte sich, soweit das möglich war, auf die Zehenspitzen und fingerte mit zittrigen Händen am oberen Regal herum. Schließlich bekam sie eine Packung zu fassen und ließ sie in den Wagen fallen. Aber sie brauchte zwei! Unruhig schaute sie sich um. Sie reckte sich hoch und bekam auch die zweite Packung in die Hände, aber leider purzelten danach noch vier weitere Saucenpackungen auf die Erde. Warum bloß war sie immer so ungeschickt?
Schnell, schnell, bloß alles schnell aufheben!
Du musst dich beeilen!
Er war heute nicht gut drauf, wer weiß, was noch alles passieren konnte.
Rosemarie bückte sich und versuchte das verletzte Bein möglichst gerade zu halten. Aber es schmerzte so sehr, dass sie sich fast auf den Boden hocken musste. Sie schwitzte schon wieder und aus ihrem Pferdeschwanz löste sich eine Strähne. Tränen rannen ihr übers Gesicht. Sie merkte es erst, als eine Haarsträhne auf ihrer Wange kleben blieb. Der Schwindel war kaum zu ertragen.
Sie versuchte, den Schmerz irgendwie auszuschalten und wollte nach den Saucenpackungen auf der Erde greifen, als sie plötzlich wie aus dem Nichts eine Hand vorschnellen sah. Die Hand griff nach einer der Saucenpackungen und reichte sie ihr. Rosemarie fuhr erschrocken zusammen. Jetzt hatte das Zittern ihren ganzen Körper ergriffen.
Neben ihr hockte Roland. Sie hatte etwas falsch gemacht, verdammt.
Sie wagte nicht, zur Seite zu schauen.
Roland hatte sie erwischt, schoss es ihr durch den Kopf. Er war Zeuge ihrer Ungeschicklichkeit geworden. Wieder einmal.
Aber alles blieb ruhig. Verdächtig ruhig.
Er war es gar nicht.
Es war gar nicht Roland, der ihr half.
Der Mann hatte kräftige Hände und eine sehr helle Haut. Weiß und kräftig! Sie riskierte einen scheuen Blick auf den Arm des Mannes und sah einen dichten Flaum feiner blonder Härchen. Außerdem nahm sie den schwachen Geruch eines würzigen Herrnduftes wahr.
Rosemarie traute sich immer noch nicht, dem Mann, der ihr geholfen hatte, direkt ins Gesicht zu schauen oder gar sich zu bedanken. Als er wieder aufstand, hockte sie immer noch dort wie versteinert, unfähig zu handeln, so wie es immer war, wenn Menschen in irgendeiner Form nett zu ihr waren.
Das kam schließlich selten vor. Ihr Körper fror dann förmlich ein und ihr Blick wurde starr, was von anderen fälschlicherweise als unhöflich angesehen wurde.
Aber diese Situation war trotzdem anders. Der Mann stand immer noch neben ihr und sagte kein Wort. Warum nicht?
Denk nach, zwang sie sich, der Mann will dir sicher nur helfen.
Aber warum sagte er dann nichts?
Während sie die ganze Zeit verlegen auf den Boden starrte bekamen ihre verwirrten Gedanken plötzlich eine Ahnung von dem Aussehen des Mannes. Sie stellte sich vor, wie er wohl sein könnte, der Fremde. Blond wahrscheinlich, darauf ließen die dichten, hellen Haare auf seinem Unterarm schließen. Und blaue Augen, vielleicht.
Er wartete. Sprach immer noch nicht.
Langsam wagte sie es endlich aufzustehen. Wirbel für Wirbel bog sie ihren Rücken gerade und achtete peinlich genau darauf, ihr verletztes Bein nicht zu belasten. Man wusste nie genau, von wem man angesprochen wurde. Im schlimmsten Fall einer von Rolands sogenannten Bekannten. Was, wenn er ihren Mann ausfragen würde, nach dem Humpeln seiner Frau?
Rosemarie schaute vorsichtig durch ihre angeklatschte Haarsträhne zur Seite. Es half nichts, sie musste ihn ansehen, er ging einfach nicht weg!
Die Augen des Mannes hatten tatsächlich eine durchdringende Farbe. Sie hatte solche Augen noch nie gesehen. Eine Farbe irgendwo zwischen einem stechenden Stahlblau und einem sanften Grün. Wie ein tiefer Bergsee in Aquamarin, dachte sie.
Die Augen fixierten sie die ganze Zeit, so als würde er abwarten, was sie tun würde. Aber Rosemarie war zu keiner Regung fähig. Eigentlich hätte sie nervös sein müssen. Normalerweise fand sie es grauenvoll, so angestarrt zu werden. Aber nichts war hier wie sonst. Ihr fiel die Geschichte von dem Kaninchen ein, das von den Blicken einer Schlange hypnotisiert ist, und nicht wegläuft, obwohl es eigentlich panische Angst hat.
Aber, und das beunruhigte sie fast noch mehr, sie verspürte keinerlei Angst.
Denn seine Augen schauten trotz des stechenden Blicks freundlich, fast warmherzig zu ihr herüber, so empfand sie es jedenfalls.
Rosemarie wollte Danke sagen, sie wollte lächeln, doch sie starrte nur in sein Gesicht!
Das Ganze ist verrückt, dachte sie. Litt sie jetzt schon unter Wahnvorstellungen? Schließlich kannte sie den Mann nicht. Hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Und doch war da etwas, was ihr vertraut vorkam, ein ganz flüchtiges Gefühl, nicht wirklich greifbar, als hätte sie ihn doch schon einmal irgendwo gesehen.
Es war, als stände in diesen Augen eine Botschaft für sie, nur für sie allein. War sie jetzt komplett verrückt geworden? Kannte sie ihn vielleicht von früher?
Während sie in ihrem Gedächtnis kramte und sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, stand er ganz nahe bei ihr und lächelte. Ich muss schleunigst hier weg, erschrak Rosemarie. Jetzt sofort! Wenn Roland sieht, dass ich hier mit einem anderen Mann stehe, sie stellte sich vor, wie er reagieren würde und ihr Körper fing erneut an zu zittern. Zuerst würde er noch freundlich fragen, würde wissen wollen, wer denn der junge Mann sei, Rosemarie, willst du uns nicht vorstellen. Dann würden Hände geschüttelt und freundliche Floskel ausgetauscht und hinterher, zuhause, würde er heftiger schreien und schlagen als je zuvor.
Als hätte der Fremde gespürt, dass sie weg wollte, hob er plötzlich ganz langsam seinen rechten Arm und berührte vorsichtig ihre Schulter. Rosemarie spürte nur einen kurzen Hauch seiner