Mörderliebe. Elke Maria Pape
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Verdammter Mist, was sollte das denn?
Er presste hektisch den Fuß auf die Bremse und hatte Mühe, den Wagen bei der hohen Geschwindigkeit unter Kontrolle zu bringen. Kurz nach der Kurve bekam er den alten Mercedes durch eine Vollbremsung mit quietschenden Reifen zum Stehen. Der Ruck war so gewaltig, dass seine Arbeitstasche vom Beifahrersitz in den Fußraum knallte.
Der Mann kam mit schnellen Schritten auf ihn zu.
Ach so, dachte er erleichtert.
Er wollte gerade seine Scheibe herunterdrehen, um zu fragen, was los war.
Da sah er die Waffe!
Was um alles in der Welt…..?
Er tastete mit der Hand über den Beifahrersitz, in der Hoffnung, dass der Mann es nicht sah, suchte sein Handy, bis im einfiel, dass es in seiner Tasche war.
Und die lag auf dem Boden.
Er starrte wieder nach vorne, seine Augen weiteten sich vor Panik.
Der Mann kam immer näher und trotzdem schien sein Gesicht immer unklarer zu werden.
Es stimmte, es stimmte, was alle sagen.
Was er schon mehrmals gelesen hatte und sich, zugegeben, darüber lustig gemacht hatte, das Leben spielt sich noch einmal vor dem Auge ab. In einem Bruchteil von Zehntelsekunden konnte er alles ganz genau erkennen, seine eigene Kindheit im Dorf, wie er spielend mit kurzen Hosen nach der Schule nach Hause rannte, die Hochzeitsfeier mit seiner Frau und die Geburt seines Kindes. Alles, einfach alles rauschte in rasender Geschwindigkeit an ihm vorbei.
Mein Kind, oh mein Gott, er sah das zarte Gesichtchen des Mädchens vor sich und dann der Schuss, wahnsinnig laut, wie ein Urknall, ohrenbetäubend und gleichzeitig der gigantisches Schmerz.
Und dann kam nur noch die Dunkelheit.
Kapitel 2
Endlich allein! Aber ist allein wirklich gut? Bedeutet allein Angst oder bedeutet zu zweit noch mehr Angst?
Rosemarie war nicht mehr in der Lage, Unterschiede festzustellen.
Sie hatte immer Angst.
Sie weinte wieder, obwohl sie gar nicht weinen wollte. Sie lag zusammengerollt wie eine kleine Katze auf dem dunkelrot geblümten Sofa in der Küche. Soweit zusammengerollt möglich war. Die Verletzung am Oberschenkel schmerzte höllisch und sie hoffte inbrünstig, dass die Wunde sich diesmal nicht infizieren würde und sie einen Arzt aufsuchen musste. Wie beim letzten Mal, als der Arzt ihr unangenehme Fragen gestellt hatte, sie seine mitleidigen Blicke aushalten musste und sich erneut eine ihrer vielen, haarsträubenden Ausreden hatte einfallen lassen. Bloß das nicht.
Diesmal hatte er mit einer Eisenstange zugeschlagen. Härter als je zuvor. Seine gezischten Laute schwebten noch im Raum: „Wage es morgen bloß nicht zu humpeln! Du weißt, wie ich das hasse, wenn meine Frau krank spielt.” Sein Adamsapfel hatte sich dabei hoch und runter bewegt. Ein untrügliches Zeichen, dass er es ernst meinte. Aber in seinen Augen hatte Rosemarie dieses verräterische Funkeln entdeckt.
Die pure Freude am Quälen!
Die Eisenstange hatte er als kleines Mitbringsel von der Arbeit mitgebracht. Also genau genommen geklaut. Rosemarie quälte sich Muskel für Muskel vom Sofa. Langsam, ganz langsam, dann war der Schmerz nicht ganz so schlimm. Sie schleppte sich in Richtung Badezimmer. Nicht humpeln, um Himmels Willen nicht humpeln. Bis morgen musst du das üben! Niemand darf es merken! Sie schwitzte. Sie schwitzte immer, wenn sie unter Druck stand. Ein kalter Waschlappen würde jetzt gut tun. Rosemarie ließ das Wasser laufen und benetzte ihre heiße Stirn. Mach das Wasser aus! Nicht so viel Wasser benutzen. Sie erschrak vor ihrer eigenen inneren Stimme. Der Druck, der von ihr kommt war allerdings zu ertragen, das Schwitzen zu kontrollieren. Das andere Schwitzen war schlimmer.
Das Angstschwitzen!
Es kriecht den Rücken hoch. Unten fängt es an, knapp über dem Po. Dann bewegt es sich langsam aber stetig höher, bis es am Haaransatz angekommen ist. Dort bleibt es sitzen. Kein nasser Waschlappen, kein tiefes Durchatmen, kein Zählen irgendwelcher Dinge um sich abzulenken bekommt es da wieder weg. Es gibt auch noch die andere Angst, die Schockangst. Die so plötzlich über einen kommt, dass der Körper keine Zeit hat, auf die Schnelle die Schweißattacken zu bilden. Dann fühlte sich die gesamte Haut an, als wäre sie von tausenden Nadelstichen befallen, die sich alle gleichzeitig erbarmunsgslos einbrennen.
Nur für Sekunden. Danach erfolgte eine Art Lähmung, die es einem unmöglich machte, zu handeln. Man glaubte, nicht mehr richtig atmen zu können, als würde man gleich unweigerlich ersticken. Rosemarie kannte alle Formen der Angst. Es gab Dinge, die sie auslösten. Blicke wie Eis, Worte wie Pfeile, Gesten der Demütigung und das Umdrehen des Schlüssels in der Wohnungstür, wenn er heimkommt.
Wenn es nicht so wehtun würde hätte sie beinahe gelacht bei dem Wort „Heim”.
Kapitel 3
Die Uhr zeigte 5 Minuten vor Acht, als Karla Albrecht an diesem Morgen zu ihrem Arbeitsplatz kam. Das Gebäude der Polizei lag am Ende der kleinen Fußgängerzone. Eine alt ehrwürdige Immobilie aus den 20iger Jahren. Zigmal renoviert hatte es einen sehr eigenen Charme, da aus jedem Jahrzehnt etwas dazugekommen war. Karla schimpfte leise vor sich hin, als sie bemerkte, dass einige der ohnehin schon wenigen Angestelltenparkplätze durch eine Baustelle blockiert waren.
Die war doch gestern noch nicht da! Wahrscheinlich wieder irgendein Rohrbruch oder ähnliches. Sie war jetzt 20 Jahre bei der Truppe und hatte sich inzwischen zwar schon an die ewigen Bau- und Renovierungsmaßnahmen gewöhnt, aber wenn sie morgens keinen Parkplatz fand, konnte sich ihre Laune doch schon mal nach unten bewegen. Gott sei Dank konnte sie mit ihrem kleinen Auto in einer Minilücke parken. Sie quetschte sich durch den schmalen Platz, den sie noch zum Aussteigen zu Verfügung hatte und schloss ab. Die Kühle des Morgens tat gut nach der Hitze der letzten Tage. So langsam konnte man den herannahenden Herbst erahnen und Karla war froh darüber. Dieses Herumwälzen und Wachliegen in verschwitzen Laken hatte sie satt und die kalte Luft tat den Gedanken gut und machte den Kopf frei. Die vergangene Nacht, oder das von ihr übrig blieb, hatte sie bei Stefan verbracht und er hatte großes Verständnis gezeigt wie immer, hatte keine Fragen gestellt, denn er wusste oder ahnte zumindest die Anstrengungen, die ihr Job bei der Kripo mit sich brachte.
Und doch ertappte sie sich immer öfter bei dem Gedanken, dass seine Bemühungen, sich für ihre Arbeit zu interessieren oft aufgesetzt und ein wenig geheuchelt rüber kamen. Vielleicht war sie auch einfach nur überarbeitet, dachte sie.
Sie war jetzt schon 3 Minuten zu spät dran und hetzte zur Eingangstür. Einer der Arbeiter von der Baustelle pfiff anerkennend hinter ihr her. Karla lächelte gequält. Aber irgendwie freute sie sich auch darüber, schließlich war sie nach dem Vorfall gestern Nacht erst um ein Uhr ins Bett gekommen, und sie fühlte sich schrecklich mit ihren Augenringen und den etwas zerzausten Haaren an diesem Morgen. Also was soll’s, dachte sie sich und lächelte dem Arbeiter mit dem schönst möglichen Lächeln zu, das sie an diesem Morgen aufbringen konnte.
Dann verschwand sie in der Eingangstür und lief die zwei Etagen hoch, wo sich die Räume der Kriminalpolizei befanden. Oben angekommen, atmete sie tief durch und ging, einen Morgengruß