Schattenschwestern. Maya Shepherd
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„Wer von uns beiden war denn in der Klapsmühle?“, konterte er frech. „Komm schon, das machen Tausende! Trau dich!“
Ich hörte wie Mum und Rhona sich in der Küche stritten und dachte an Aidan und Mona, die händchenhaltend auf dem Sofa saßen. Nicht gerade verlockend. Liam bot mir eine Alternative. Ich war von mir selbst überrascht, als ich mich sagen hörte: „Ich hole meine Badesachen.“
Liams Vorschlag nackt baden zu gehen, ignorierte ich.
Fünfzehn Minuten später saßen wir in seinem schwarzen Audi und fuhren in Richtung Waterford. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Meinen Eltern hatte ich nichts davon gesagt, dass ich zum Weihnachtsschwimmen fuhr. Für sie war ich mit Liam nur spazieren. Während der Fahrt schwiegen wir, erst als Liam auf den Parkplatz des Guillamene Cove fuhr, feixte er: „Solltest du ertrinken, freue ich mich auf Mund zu Mund Beatmung.“
„Erwarte nicht, dass ich dich rette, wenn du ertrinkst“, entgegnete ich mit kühler Stimme, aber einem Schmunzeln auf den Lippen.
Der Guillamene Cove war im Sommer ein beliebter Badeplatz, aber auch am ersten Weihnachtstag gut besucht. Am Morgen war sicher mehr losgewesen, doch auch jetzt hielten sich noch einige Menschen am Ufer auf. Ein paar wenige zitternd in Badesachen und die Anderen in dicken Wintermänteln, um die Mutigen anzufeuern.
Wir stiegen aus dem Auto und gingen zum Ufer. Das Wasser sah bereits nur vom Ansehen eisig aus. Alleine der Gedanke mich auszuziehen, ließ mich vor Kälte zittern. Doch Liam zögerte nicht einmal. Er warf seinen Mantel ab, als sei es 30°C warm und nicht etwas unter dem Gefrierpunkt. Danach folgten seine Stiefel und der Pullover. Erst als er an der Hose angelangt war, sah er mich herausfordernd an. „Was ist los? Bist du etwa zu feige?“
Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und so begann ich ebenfalls mich unter den Blicken der neugierigen Zuschauer auszuziehen. Meinen Badeanzug hatte ich Zuhause direkt unter meine Kleidung gezogen. Liam hingegen stand zitternd in Boxershorts vor mir.
„Kalt?“, zog ich ihn frech auf und lief auf dem Steg bis zum Wasser. Ehe ich es mir anders überlegen konnte, holte ich tief Luft, kniff die Augen zusammen und sprang ins Meer. Das eiskalte Wasser schwappte über meinen Kopf und stach wie tausend Nadelstiche auf meinen Körper ein. Der Schmerz war fast unerträglich. Ich kämpfte mich wild strampelnd an die Oberfläche und schnappte gierig nach Luft. Diese erschien mir beinahe warm im Vergleich zum Wasser. Wenigstens machte Liam neben mir auch keine bessere Figur. Seine Lippen zitterten wie Espenlaub und von seiner Großspurigkeit war nichts mehr zu sehen. Erst als er meinen Blick bemerkte, begann er zu grinsen und spritzte mit der flachen Hand Wasser in meine Richtung.
Ich schwamm eilig zu der Leiter und kletterte an dem eisigen Metall zurück auf den Steg. Bibbernd vor Kälte zog ich ein Handtuch aus meiner Tasche und wickelte mich darin ein. Liam folgte mir. Seine Lippen hatten einen blauen Farbton angenommen. Als er sich das Wasser vom Körper getrocknet hatte, ließ er ungeniert sein Handtuch fallen und zog sich die nassen Boxershorts mit einem Ruck vom Körper. Erschrocken drehte ich ihm den Rücken zu und spürte wie trotz der Kälte Hitze in meine Wangen stieg. Ich hörte ihn hinter mir lachen. Er hatte nicht nur gewusst, dass ich so reagieren würde, sondern es sogar beabsichtigt. Seitdem wir uns kannten, empfand er eine irrsinnige Freude darin mich bloß zu stellen oder zu blamieren.
„Hast du etwa noch nie einen nackten Mann gesehen?“, zog er mich nun auch noch auf. Obwohl ich Lucas mein Leben lang kannte und wir mehrere Monate ein Paar gewesen waren, hatten wir diesen Punkt zu meinem Bedauern nie erreicht. In der Hoffnung, dass Liam mittlerweile wenigstens seine Hose wieder an hatte, drehte ich mich langsam zu ihm um. Er stand vor Kälte zitternd in seinen Jeans vor mir. Ich ließ meinen Blick über seinen Oberkörper gleiten und erwiderte betont lässig: „Ich habe schon besseres gesehen.“
Lucas war als Sportler in der Tat besser trainiert. Er hatte ein Sixpack wie ein Filmstar. Liam war schmaler und an seinem Bauch, seiner Brust und den Armen war lediglich eine Andeutung von Muskeln zu erkennen, was mir insgeheim jedoch besser gefiel, aber ich würde nicht den Fehler begehen, Liam das wissen zu lassen. Er war auch schon ohne Komplimente von mir selbstverliebt genug.
„Willst du dich nicht anziehen?“, konterte er ungerührt.
Meine Zehen und Finger fühlten sich wie Eisklumpen an, während ich am ganzen Körper bebte. „Das mache ich im Auto“, knurrte ich. Überraschenderweise reichte er mir ohne jede Diskussion seine Autoschlüssel, sodass ich samt meiner Klamotten den Strand verlassen konnte. Ich setze mich auf die Rückbank und schälte mich so schnell ich konnte aus meinem nassen Badeanzug, der unangenehm an meiner Haut klebte. Danach schlüpfte ich in meine Hose und gerade als ich mir meinen Pulli über den Kopf zog, stieg Liam ins Auto ein. Er drehte sich interessiert zu mir herum, doch ich war bereits komplett angezogen.
„Zu spät“, kommentierte ich seinen enttäuschten Blick mit einem frechen Grinsen, stieg aus und setze mich neben ihn auf den Beifahrersitz. Meine Haare hingen in nassen Strähnen von meinem Kopf. Es war unmöglich vor meinen Eltern geheim zu halten, dass ich schwimmen gewesen war. Aber passiert war passiert und sie würden es nicht ungeschehen machen können, egal wie sehr sie auch mit mir schimpfen würden. Vielleicht würde es sie aber auch gar nicht interessieren, immerhin hatten sie genug andere Probleme.
Draußen war es bereits dunkel, doch Liam machte keine Anstalten loszufahren, stattdessen wendete er sich mir zu. „Wie hat dir dein erstes Weihnachtsschwimmen gefallen? Hat es sich gelohnt?“
Ich lauschte in mein Inneres und stellte fest, dass ich ein Gefühl der Zufriedenheit empfand. „Jede Sekunde dieses arktischen Elends hat sich gelohnt“, sagte ich mit immer noch bläulichen Lippen.
„Der Stolz auf das Erreichte, wenn man es überstanden hat, ist ein überwältigendes Gefühl“, stimmte mir Liam zu und startete den Motor.
Während wir durch die Nacht fuhren und Waterford hinter uns zurückließen, fiel mir auf, dass Liam es mal wieder geschafft hatte mich völlig abzulenken. Zuvor war meine Laune mies gewesen, ich war von Schuldgefühlen zerrissen und hatte nicht mehr gewusst, was ich denken oder fühlen sollte. Jetzt fühlte ich mich ausgeglichener und konnte daran glauben, dass alles schon irgendwie wieder gut werden würde. Tante Rhona war jetzt da und sie würde Eliza schon aus der Haft bekommen. Aber bis es soweit war, nahm ich mir vor, dass ich meiner Schwester den längst überfälligen Besuch abstatten würde.
Ich sah zu Liam und musterte sein konzentriertes Gesicht. Vielleicht würden wir nie Freunde werden, weil unsere Moraleinstellungen grundverschieden waren, aber zumindest hatte er es als einziger geschafft mir an Weihnachten ein Lachen zu entlocken und dafür war ich ihm sehr dankbar.
Mona
Ich hielt Aidans Hand fest und allein der Gedanke sie schon bald wieder loslassen zu müssen, machte mich traurig. Wenn er bei mir war, glaubte ich daran, dass mein Leben sich zum Positiven entwickeln würde, dass ich ein normales Leben haben könnte, aber ohne ihn fühlte ich mich schwach und verwundbar. Wir saßen zusammen auf der Rückbank von Liams Audi. Er hatte uns bei den Rices abgeholt, als er Winter mit nassen Haaren zurückgebracht hatte. Es war schön gewesen Weihnachten bei Susan und ihrer Familie verbringen zu können. Obwohl die Stimmung von Anfang an angespannt gewesen war, hatte ich die Geborgenheit genossen. Mein letztes Weihnachtsfest im Kreise der Familie war Jahre her, damals war ich noch ein Kind gewesen. All die Jahre danach war ich mit meiner Großmutter allein gewesen. Es war nicht schlecht, sie hatte sich Mühe gegeben, etwas Leckeres gekocht und wir hatten den Abend mit Brettspielen ausklingen lassen, aber es war etwas anderes als sich mit anderen Menschen