Schattenschwestern. Maya Shepherd
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Voller Unbehagen sah ich wie wir uns dem Anwesen von Velvet Hill nährten. Aidan drückte meine Hand etwas fester. Er hasste es genauso sehr wie ich an diesen Ort zurückkehren zu müssen. Liam hielt vor der Einfahrt und drehte sich bei laufendem Motor zu uns herum. „Bitte erspart mir herzzerreißende Liebesbekundungen, gebt euch einen Abschiedskuss und in einer Woche seht ihr euch wieder.“
Ich funkelte ihn wütend an. Wie konnte er nur so gefühlskalt sein? Sah er nicht wie schwer es mir fiel auch nur eine Sekunde ohne Aidan zu sein?
„Wir steigen aus“, sagte ich bestimmt, ohne dabei Aidan oder Liam anzusehen, es war an beide gerichtet. Aidan öffnete als erster die Tür und ich folgte ihm, wobei ich sie laut hinter mir zuknallen ließ. Langsam gingen wir Hand in Hand zum Klinikeingang. Wir hatten es Liam zu verdanken, dass Aidan nun tagsüber die Klinik verlassen durfte. Er hatte ein ernstes Gespräch mit Doktor O’Hare geführt bei dem seine Schattenwandlertalente vermutlich keine allzu geringe Rolle gespielt hatten. Zudem hatte er dafür gesorgt, dass Aidan nach den Ferien mit Winter und mir zurück zur Schule gehen konnte. Wir würden die meisten Kurse zusammen haben und könnten uns so jeden Tag sehen, was für mich Anreiz genug war, um mich noch einmal an diesen schrecklichen Ort zu wagen. Ich erinnerte mich noch gut daran, mit welchen seltsamen Blicken ich von den anderen Schülern bedacht worden war. Ihr Tuscheln hörte ich nachts in meinen Träumen und es ließ mich schweißgebadet aus dem Schlaf schrecken. Aber mit Aidan an meiner Seite würde alles nur halb so schlimm werden. Wenn ich ihn ansah, konnte ich alles andere um sich herum ausblenden. Umso schwerer fiel es mir deshalb ihn nun gehen zu lassen. Es war nur eine Woche, aber eine Woche konnte verdammt lange sein. Er blieb stehen und drehte sich zu mir herum. Seine Hand legte sich wie selbstverständlich an meine Wange. Er streichelte über meine Haut. „Nur noch eine Woche“, sagte er einfühlsam. „Dann können wir uns jeden Tag sehen.“
„Aber wir werden nicht alleine sein. Du weißt nicht, wie das ist. Die Anderen zerreißen sich bei jeder Gelegenheit das Maul über einen“, klagte ich angstvoll.
„Die Anderen sind mir egal, Hauptsache wir sind zusammen“, lächelte er liebevoll und küsste mich auf die Stirn. Ich schlang meine Arme um ihn und drückte mein Gesicht fest gegen seine Brust. Obwohl er noch vor mir stand, fehlte er mir schon jetzt. Seine Finger glitten über meinen Kopf und mein Haar.
Wir lösten uns voneinander und ich küsste ihn auf die Wange, bevor ich mich umdrehte und schnell zurück zum Wagen lief. Ich konnte nicht dabei zusehen wie er ohne mich in dem Gebäude verschwand. Am liebsten hätte ich mich einweisen lassen, nur um bei ihm sein zu können. Aber ich wusste, dass wenn Doktor O’Hare erst einmal einen Blick in meinen verworrenen Verstand werfen würde, ich Velvet Hill nie wieder würde verlassen dürfen.
Als ich mich neben Liam niederließ, musterte er neugierig mein Gesicht, doch ich zischte nur: „Fahr einfach los!“
Er wendete den Blick ab und startete wortlos den Motor. Mein Hals schnürte sich zu und als ich die Klinik nicht einmal mehr im Rückspiegel sehen konnte, kullerte eine Träne über meine Wange, die ich wütend wegwischte.
„Wollen wir morgen früh Pfannkuchen essen gehen?“, fragte Liam in dem Versuch mich aufzuheitern.
„Glaubst du Pfannkuchen können mir Aidan ersetzen?!“, fuhr ich ihn wütend an und bedauerte es noch im selben Moment. Manchmal erkannte ich mich in letzter Zeit selbst nicht wieder. Während ich zuvor immer geschwiegen hatte, egal wie sehr mich jemand verletzt oder mich etwas störte hatte, fuhr ich nun oft grundlos aus der Haut. Ich hatte das Gefühl auf die ganze Welt wütend zu sein.
Liam hatte es nur gutgemeint. Er hatte zwar in der Vergangenheit viel Leid über mich gebracht, aber gab sich, seitdem er wieder auferstanden war, große Mühe es irgendwie wieder gut zu machen. Ich war ihm dankbar für das, was er Aidan ermöglicht hatte.
Wir erreichten das Anwesen unserer Familie, in dem wir nun wieder gemeinsam lebten. Der Wald und das Gebäude lagen im aufkommenden Nebel, der sich bis zu meinem Herzen einen Weg zu bahnen schien. Ich hasste diesen Ort. Er erinnerte mich an all die schrecklichen Dinge, die dort in den letzten Monaten passiert waren, während die Erinnerungen an meine Großmutter immer mehr verblassten.
Susan hatte mir mehr als einmal angeboten, dass ich gerne bei ihnen wohnen bleiben könnte und auch jederzeit wiederkommen dürfte. Zu gern hätte ich ihr Angebot angenommen. Sie war der warmherzigste Mensch, dem ich je begegnet war und ich hatte mich in ihrer Nähe zum ersten Mal seit langem geborgen gefühlt, aber ich wusste auch, dass sie durch die Festnahme von Eliza bereits genug Sorgen und Probleme hatte und wollte ihr deshalb nicht noch mehr zur Last fallen. Zudem wäre Winter sicher alles andere als erfreut gewesen, wenn sie mich jeden Tag sehen müsste.
Gleichzeitig fühlte ich mich auch Liam gegenüber verpflichtet. Er war alles, was mir von unserer Familie geblieben war. Aber sobald ich das Anwesen betrat, waren all meine positiven Gefühle wie weggefegt und zurück blieb nur eine bodenlose Leere. Egal, was Liam auch zu mir sagte, seine Worte waren wie ein undeutbares Rauschen, dem ich keine Beachtung schenkte. Ich zog mich in mein kaltes Zimmer zurück und verschloss die Tür hinter mir. Die Wände waren kahl und die Tapete löste sich bereits seit Jahren. Auf dem Boden gab es keinen Teppich und an den Fenstern hingen keine hübschen Gardinen. Es machte nicht den Eindruck als würde hier jemand wohnen, trotzdem war es mein Zuhause. Ich legte mich flach aufs Bett und starrte zur Decke, an der sich ein großer Wasserfleck dunkel hervorhob. Wenn ich alleine in meinem Zimmer war, hatte ich manchmal das Gefühl bereits tot zu sein. Mein Leben bestand daraus zu warten. Ich zählte die Sekunden, Minuten, Stunden und Tage bis ich Aidan wiedersehen würde, nur in seiner Gegenwart fühlte ich mich lebendig.
Eliza
„Sie haben Besuch, Miss Rice“, sagte einer der Polizeiwachen, als er die Tür zu meinem Zimmer öffnete – Zelle traf es jedoch wohl eher, denn es gab in dem Raum nichts außer einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl. In der Ecke befand sich noch eine Toilette mit einem Waschbecken. Die Schande eines Spiegels hatten sie mir wenigstens erspart. Ich wollte lieber nicht wissen, wie ich im Moment aussah. Wenn mein Äußeres mein Inneres widerspiegelte, würde ich wie das Monster aussehen, als das ich mich fühlte.
Ich erhob mich von meinem schmalen Bett, welches protestierend quietschte. Brav legte ich meine Hände auf den Rücken, sodass der Polizist mir die Handschellen anlegen konnte. Ich kannte seinen Namen nicht. Die Wachen wechselten ständig und verschwammen für mich zu einer gesichtslosen Person.
Die Einzigen, die mich bisher besucht hatten, waren meine Eltern gewesen. Mum war jedes Mal in Tränen ausgebrochen, während Dad mir immer wieder versicherte, dass sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen würden, um mich hier rauszuholen. Sie hatten nicht einmal gefragt, ob ich schuldig war. Aber das war ich. Die traurige Wahrheit war, dass ich zu Recht in Untersuchungshaft saß und nach der Gerichtsverhandlung für viele Jahre ins Gefängnis gehen würde. Ich war eine Mörderin. Daran konnte niemand etwas ändern.
Der Polizist öffnete die Tür zum Besucherzimmer und ich stutze. Dort wartete eine großgewachsene, blonde, mir unbekannte Frau auf mich. Sie trug ein elegantes schwarzes Kostüm. Der Rock war vielleicht einen Tick zu kurz, aber betonte dadurch nur ihre langen Beine. Sie ging mir mit einem Lächeln entgegen wie es Immobilienmakler aufsetzen, wenn sie sicher waren, dass sie ein großes Geschäft an Land ziehen würden.