Liebe ist tödlich. Tessa Koch

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Liebe ist tödlich - Tessa Koch

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      Immer wieder rutschen ihre nackten Füße auf den nassen Blättern und Wurzeln, die den Waldboden bedecken, aus. Einmal fällt sie sogar hin. Doch sie zwingt sich den Schmerz zu ignorieren und wieder aufzustehen. Andernfalls wäre sie verloren. Für immer.

      Sie weiß nicht, wo sie ist und in welcher Richtung Hilfe liegt. Seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten, hat sie kein Tageslicht mehr gesehen. Auch jetzt sieht sie kaum etwas. Das Bild vor ihren Augen ist verschwommen und unscharf, ihre Augen durch die Berührung mit der Entwicklerlösung verätzt. Wahllos sucht sie die Richtung aus, in die sie läuft, die Hände tastend vor sich ausgestreckt, mit der stillen Hoffnung im Herzen, dass sie ihrem Schicksal entrinnen kann.

      Doch niemand kann seinem Schicksal entkommen.

      Sie hört seine Schritte hinter sich, das leise Keuchen, das ihr verrät, dass er ihr bereits näher ist als sie angenommen hat. Die Hoffnung weicht ihrer Panik, die sie trotz ihrer schlechten Augen dazu antreibt noch etwas schneller zu laufen. Sie kann nicht rational denken, dass einzige, was sie wahrnimmt, ist sein leises Keuchen und das panische Klopfen ihres Herzens.

      Wieder rutscht sie auf dem nassen Untergrund aus. Wieder stürzt sie. Panisch versucht sie sich erneut aufzurappeln, ihre verätzten Augen wollen ihr ihre Umgebung nur schemenhaft enthüllen. Sie weiß nicht, wo er ist, nur dass er irgendwo hier sein muss, hinter ihr. In ihrer Nähe. Und dass es ihren Tod bedeutet, wenn er sie findet.

      Gerade als sie sich an einem niedrigen Zweig auf die Beine zieht, hallt ein lauter Knall durch den stillen Wald. Vögel stieben aus den Bäumen und auch andere Waldtiere ziehen sich in das Herz ihres Heimes zurück. Ein weiterer Schuss. Für einen Moment ist sie erstaunt, wie wenig Schmerz sie empfindet. Noch ein Schuss. Im nächsten Augenblick empfindet sie beinahe so etwas wie Erleichterung. Wieder ein Schuss. Dunkelheit kommt auf sie zu, hüllt sie für immer ein. Ein letzter Atemzug, ein Hauch.

      Dann entweicht ihr jegliches Leben.

      Kapitel 2

      Als sie am frühen Morgen in den Nachrichten von dem Fund einer Frauenleiche hört, ist sie zutiefst bestürzt. Es ist eine beinahe solidarische Reaktion, wie sie findet. Wann immer eine Nachricht von einer entführten, missbrauchten oder misshandelten Frau an ihre Ohren dringt, empfindet sie tiefstes Mitleid mit ihr. Es ist wie ein schwaches Band, das sie dann mit dieser Frau verbindet, mit dem leisen Ahnen, dass ihr etwas vergleichbar Schreckliches ebenfalls geschehen könnte. Dass sie selbst nur eine schwache, wehrlose Frau ist.

      Sie schiebt diese Gedanken beiseite und versucht nicht mehr an die Nachricht zu denken. Sie ist froh, dass sie sie im Radio gehört hat, statt es über das Fernsehen zu erfahren. Denn so fällt es ihr wesentlich einfacher, sie in einen hinteren Teil ihres Kopfes zu schieben, sie quasi zu den Dingen zu tun, die vergessen in einer abgelegenen Ecke ihres Kopfes ruhen. Hätte sie jedoch ein Bild des Opfers in den Nachrichten gesehen, so wäre es ihr garantiert schwerer gefallen.

      Sie ist froh, als sie nach einer weiteren Viertelstunde Fahrt endlich ihren Wagen auf einen der wenigen Parkplätze abstellen und aussteigen kann. Den ganzen Morgen über schon brummt ihr der Schädel, ihre Migräne scheint ihr in den letzten Wochen ein ständiger Begleiter zu sein. Sie hätte gut auf sie verzichten können.

      Sie hängt sich die Tasche über die Schulter, verriegelt das Auto und geht langsam auf den Laden zu. Von Weitem kann sie bereits ihre Chefin sehen, wie sie mit einem leicht unzufriedenen Blick die Pflanzen im Schaufenster hin und her schiebt und anders zu arrangieren versucht. Als sie den Laden betritt, hört sie damit auf und lächelt sie an. Ihre grünen Augen blitzen. „Guten Morgen, Lela.“ Wieder schiebt sie an einer Vase.

      „Hallo Margret, seit wann bist du schon hier?“ Lela durchquert den Laden und betritt den Bereich, der nur für das Personal bestimmt ist. Also für sie und Margret. Seit Jahren sind sie schon zu zweit, nur ab und an verirrt sich noch gelegentlich eine Praktikantin in ihren kleinen Laden. Sie hängt ihre Tasche und ihre Jacke auf.

      „Ach, seit sechs, sieben Uhr. Ich weiß es schon gar nicht mehr so genau.“ Margret lacht munter auf und flankiert die gewaltige Vase mit zwei kleineren. Sie steckt zwei orangefarbene Lilien in die schmalen Hälse und betrachtet ihre Dekoration. Es dauert etwas, bis sie Lelas entsetzten Blick bemerkt. Wieder muss sie lachen. „Mach dir keine Sorgen, wenn ich dich gebraucht hätte, hätte ich angerufen. Aber ich musste noch auf den Blumenmarkt und konnte noch ein bisschen aufräumen, das hat mir ganz gut gepasst.“ Sie wischt sich eine Strähne ihres ergrauten Haares aus der Stirn und wirft einen letzten Blick auf ihr Arrangement.

      Lela kann nicht anders als zu seufzen. „Ganz wie du meinst.“ Sie bindet sich die grüne Schürze um, die sie immer bei der Arbeit trägt, und macht sich sofort daran die Bestellungen, die sie für heute haben, vorzubereiten. Darunter befindet sich neben einem Blumenstrauß für eine Hochzeit auch ein Friedhofsgesteck. Sofort muss sie wieder an die Schlagzeilen vom Morgen denken. Wieder schiebt sie sie beiseite.

      Während sie still in einem hinteren Teil des Verkaufsraumes die Bestellungen vorbereitet, hantiert Margret vorne noch immer mit der Schaufensterdekoration herum, bis sich die ersten Kunden in ihren Laden verirren und sie ebenfalls gebraucht wird. Durch den aus Kirschholz geflochtenen Raumteiler, der den kleinen Laden klar in den Verkaufsraum und den Arbeitsbereich teilt, unterhält Margret sich munter mit ihrer Kundin, einer älteren Dame, die des Öfteren bei ihnen einkauft, während sie für sie einen Sommerstrauß bindet.

      Lela hört dem Gespräch schweigend zu, während ihre Hände wie von selbst die Blumen zu stecken scheinen. Sie liebt ihre Arbeit in dem kleinen Blumenladen des Dorfes, auch wenn sie sich manchmal wünscht, etwas mehr zu verdienen. Dennoch, die Arbeit mit den Blumen gefällt ihr, ebenso wie das Ausleben ihrer Kreativität, wenn die Kunden ihr wieder einmal frei Hand lassen, und sie tun darf, was immer ihr gerade in den Sinn kommt. Außerdem weiß sie, dass sie Margrets vollstes Vertrauen besitzt, was sie sehr zu schätzen weiß.

      Als das Gespräch der beiden Frauen sich über Blumen, das Wetter und den kranken Hund von Margret zu der Schreckensnachricht des heutigen Morgen tastet, hält sie in ihrer Arbeit inne. Sie weiß selbst nicht genau, was es ist, doch etwas, das mit diesen Geschehnissen zusammenhängt, ruft ein Unbehagen in ihr hervor. Sie weiß nur noch nicht, ob sie den Gründen dafür weiter nachgehen will.

      „Es ist einfach schrecklich“, sagt Margret in diesem Moment und schüttelt bedauernd den Kopf. „Ein armes, junges Mädchen. Sie wurde mit fünf Schüssen getötet, haben Sie das schon gehört? Drei trafen sie in die Brust, in die Nähe des Herzens, und zwei in den Kopf. Als ich das in den Nachrichten gehört habe, musste ich sogar an den Straßenrand fahren und erst einmal anhalten! Das so etwas geschieht! Hier, in unserem Dorf! So etwas ist noch nie vorgekommen!“

      Die alte Frau nickt bekümmert. „Ja, ich hoffe, dass dieser Widerling, wer immer er auch war, schnell gefasst wird! Bevor er noch einem jungen Mädchen etwas antun kann!“ Lela lässt das Messer, mit dem sie die Stiele der Blumen gerade kürzen wollte, fallen. Die Frauen beachten sie nicht. „Ich habe außerdem gehört, dass sie übel zugerichtet worden sein soll. Geschlagen und vergewaltigt! Was für eine kranke Seele tut so etwas?“

      Margret schüttelt nur den Kopf. „Ich weiß es wirklich nicht. Gefällt es Ihnen so?“ Sie zeigt der Frau den Strauß und mit einem breiten Lächeln nickt sie diesen ab. Margret bindet ihn mit Bastband zusammen und tritt dann hinter die Kasse, um den Strauß zu berechnen. Die tote Frau scheint bereits wieder aus ihren Gedanken getreten zu sein, nur einen Moment gefüllt zu haben, in dem ihr Tod von Bedeutung gewesen ist.

      Lela jedoch schafft es nicht mehr, sie aus ihren Gedanken zu verdrängen.

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