Vom Leben verlassen. Imke Borg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Vom Leben verlassen - Imke Borg страница 1
Imke Borg
Vom Leben verlassen
2022, Europa verändert sich
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Murad Beyraktar, Schweiz 2022 (Rückblick)
Monika und Peter, England, Anfang August 2022
John Bancroft, England, Anfang August 2022
Murad, Türkei, Ende November 2020
Murad, Schweiz, Dezember/Januar 2020/21
Monika und Peter, Deutschland, August 2022
John Bancroft, St. Albans, August 2022
William Fuller, London, August 2022
William Fuller, London, August 2022
Monika und Peter, Deutschland, August 2022
William Fuller, England, August 2022
John Bancroft, England, Ende August 2022
Monika und Peter, September 2022
Deutschland/England Mitte September 2022
Monika und Peter, Spanien, Ende September 2022
Murad, Schweiz, September 2022
Murad Beyraktar, September 2022
Peter und Monika, Spanien, November 2022
Murad Beyraktar, Schweiz 2022 (Rückblick)
Der Wind blies mäßig. Die Berge waren nur noch schemen- haft zu erkennen. Die Tage einer blühenden und grünen Na- tur waren gezählt. Die Sonne gab ein recht kurzes Gastspiel. Aber die Temperaturen bewegten sich noch immer im Rah- men des Erträglichen. Genauso fühlte sich der Herbst 2019 in der Schweiz an. Murad und Sevim wollten aber keinen Herbst, noch nicht. Sie reisten dem Sommer hinterher be- vor dann ab November die tristen Tage beginnen. Morgen um diese Zeit sitzen sie bereits in ihrem Feriendomizil, einem kleinen Appartement in Rojales an der Costa Blanca. Das Haus gehört Susanne und Horst, einem Schweizer Ehepaar, das sei- nen Lebensabend in Spanien verbringt. Ein kleines Zubrot ohne großen Aufwand bringt ihnen die Vermietung. Und ein bisschen Beschäftigung wollen sie auch im Rentenalter noch haben. Ein Leben nur noch im Schongang ist nichts für die Beiden. Murad und Sevim hatten bei ihnen einen dreiwöchigen Urlaub für Okto- ber gebucht.
Bei ihrer Ankunft am Flughafen in Alicante strahlte Sevim mit der Sonne um die Wette. Sie schmiss ihre graue Steppjacke über die Schulter, löste die Haarspange von ihrem Pferdeschwanz und hüpfte mit ihren sechsundzwanzig Jahren wie ein übermütiges Kind mit langem, flatterndem Haar Richtung Auto. Murad schob bedächtig den Gepäckwagen hinterher. „Was für ein traumhaftes Wetter“, rief Sevim und breitete ihre Arme weit aus als wollte sie den Sommer einfangen. „Ja so ist das, wenn Engel reisen dann zeigt auch der Himmel mal seine Schokoladenseite“, schmunzelt Murad. Er mochte ihre spontanen Gefühle, ihr unkompliziertes Wesen. Eigentlich mochte er alles an ihr, ihre spritzige Art, ihren Humor, ihre Offenheit. Bevor sie in ihren Leihwagen stiegen zog Murad Sevim an sich, drückte sie sanft und küsste sie zärtlich. „Ich freue mich auf unseren gemeinsamen Urlaub“, hauchte er ihr mit warmer Stimme ins Ohr.
Murad ist keiner von denen, die einfach mal nur so mit Frauen rumknutschen wollen. Wenn Murad sich einlässt, dann meint er es ernst. Er ist mehr der ehrliche, einfühlsame, verständnisvolle junge Mann.
Schon nach dreißig Minuten Fahrzeit hatten sie ihr Feriendo- mizil erreicht. Zikaden zirpten in den Pinien und die Sonne strahlte noch immer von einem wolkenlosen Himmel. Auch der Eingang zu ihrem kleinen Appartement verbreitete mediterra- nes Flair. Bougainvillearanken schmückten den Rundbogen, Terrakottatöpfe mit duftenden Pellagonien waren rechts und links der Tür platziert. Und den Garten dominierten Hibiskus- sträucher in sattem Rot und kräftigem Gelb. Sevim war von der Blütenpracht überwältigt.
Aber gleich am nächsten Tag wollte sie ans Meer. Ein Urlaub ohne Meer ist für Sevim kein Urlaub. Ihr Mietauto rollte des- halb gleich am Vormittag über eine frisch gepflasterte Straße von Rojales in Richtung Guardamar. Durch die offenen Wagen-fenster wehte der Geruch des Meeres herein und grauweiße Möwen segelten schon kreischend über die Dächer der Häuser. Es konnte also nicht mehr weit sein. Sevim genoss das, sog alles in sich hinein.
Noch stand die Mittagssonne einsam über ihnen und erwärm- te einen leergefegten Strand hinter den Dünen. Außer Murad und Sevim war weit und breit keine Menschenseele in Sicht. Ihre Schuhe brauchten sie hier nicht. Die hatten sie im Auto gelassen. „Gibt es etwas schöneres als mit nackten Füßen im weichen Sand zu laufen“, freute sich Sevim. Murad nickte zustimmend, beobachtete sie nur und lächelte zufrieden. Dann näherte sich Sevim dem Wasser. Winzige unschuldige Mu- scheln knirschten unter ihren Füßen. Sie watete durch das kühle Nass, junge Wellen umspülten ihre Knöchel. Nahe der Dünen ließ sie sich im warmen Sand nieder, schlang die Arme um ihre ange- winkelten