Lieblingsnachbarinnen. Ghyslyn Pomsel
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So etwas wie das hübsche englische Wort Newsagent wäre die korrekte Bezeichnung für Komantsche, bedeutet aber leider etwas anderes. In Wahrheit ist Komantsche nämlich exakt die wörtliche Übersetzung: Mein Agent – für Neuigkeiten.
Ich bekomme nämlich NIE etwas mit.
Ich lebe undercover.
Dennoch muss auch ich hin und wieder erfahren, wessen Köter dauerhaft meine Nerven zerbellt, ob rechts von mir jemand wohnt und ob es gerade mal wieder brennt, oben in der Fabrik.
Und ich hätte auch gern bald einmal gewusst, wer immerfort diese albernen Schriebe in meinen Briefkasten steckt. Wer?
Wer zum Teufel, bitte, ist – Nabben?
Für solche Dinge, wenn ich sie nicht vergesse, halte ich mir Komantsche, den Späher.
Sie liebt Neuigkeiten und Geheimnisse: Sucht, findet, sammelt und verteilt sie.
Noch der banalste Quatsch ist für sie eine Expedition wert, im Ernst.
Sie muss einfach wissen, wieviele Finger eine Hand machen, wo wer in welchem Haus sein Erspartes, das Schlafzimmer und den Ehemann hat, und sie wird nachts nicht einschlafen können, solange sie nicht weiß, ob das da dritte Reihe hinten links ein Ehepaar ist oder ein Gaunerpärchen.
Ob man es glaubt oder nicht: Nichtwissen macht Komantsche krank, Fehlinformation bringt sie in Rage. Sie leidet, wenn sie etwas nicht gewahr wird.
Ich halte sie mir als Agenten. Eine wortlose Abmachung auf Gegenseitigkeit ist das: Sie wird ihre News los an mich und - darf dafür über mich herziehen.
Das Herziehen geht leicht, denn ich bin leichtgläubig, ungeduldig und habe kein Talent für Geld. Außerdem kleide ich mich ohne jegliche Begeisterung für Klamotten, fürchte Automobile, sammle den letzten Prüll und bevorzuge ein unpopuläres Reiseland.
Für das Leben in einer Siedlung bin ich restlos ungeeignet.
Ich wohne nur zufällig hier.
So etwa hielt ich die Nachbarin schräg gegenüber lediglich aufgrund ihrer ähnlichen (wirklich?) Haarfarbe schon für die Schlampe von zwei Häusern weiter, glaubte, den neuen Liebhaber von drüben, Eckhaus, schon einmal in der Jugend als Zeichenlehrer in meiner Volksschule gehabt zu haben, und würde, bis auf zwei läppsche Ausnahmen, keinen einzigen Ehemann der ganzen Siedlung auch nur an der Bushaltestelle erkennen.
Angesichts solch krasser Untauglichkeit für Siedlungsfragen muss man sich fraglos einen Agenten halten!
Komantsche kennt dann auch tatsächlich jedes Sonderangebot, bevor es im Reklamezettel erscheint, und die geänderten Briefkastenleerungszeiten kleben bereits als neckischer Merkzettel in Fußabdruckform auf ihrem Kühlschrank, bevor der Postbote sie auch nur auswendig kann.
„Uh“, so höre ich eines Morgens Mr Komantsche sprechen, denn er meldet allmorgens seiner innen mit Arbeit befassten Gattin den Inhalt des Postkastens von seinem Posten vor der Haustür, „Nabben macht eine Party!“
Natürlich hätte ich nie im Leben auch nur ein Wort davon mitbekommen – wenn ich nicht per Zufall gerade meinem Sohn die Haustür aufgeschlossen hätte, damit er einmal in den Briefkasten sehen kann. Er verschickt zur Zeit hektisch Bewerbungsschreiben und giert nach Antworten.
Holla! Er schwenkt das mir inzwischen gut vertraute lose Din-A-4-Blatt in der Hand:
„Öh“, sagt mein Sohn. „Nabben! Jetzt macht Nabben auch noch eine Party!“
Im ersten Moment kommt es mir so vor, als hätte die Stimme meines Sohnes heute morgen ein seltsames Echo.
Dann kapiere ich, dass der Herr im Nachbarhaus offenbar zu uns spricht.
Auch er hält ein loses Blatt in der Hand.
Komantsche lugt aus ihrer Haustür. Ich kann ihre Federn erspähen:
„Kennen Sie Nabben?“
Natürlich nicht. Was soll Nabben sein? Seit Tagen muss ich mich das fragen. Jeden Morgen: Nabben. Nabben!
(Helfen Sie mir doch auf die Sprünge, bitte: Was zum Teufel ist – Nabben? Und - wer zum Teufel ist diese Frau da, in der Tür des Nachbarhauses, die mit den Federn im Haar?)
„Öh“, informiert mein Sohn dankenswerter Weise den Nachbarn, „Nabben will Radau machen! Wir sollen kommen. Eine Einladung, Mum!“
Der Nachbar schweigt. Er scheint abzuwägen, ob er sich wirklich mit Leuten verständigen will, die ihre Mutter Mum nennen. Ja, wirklich! Wen zum Teufel meint mein Sohn mit Mum?
Komantsche richtet ihren Blick fest auf ihren Gatten, der, unter Komantsches Augen!, bemüht das hinlänglich bekannte lose Din-A-4-Blatt studiert.
„Uh“, so lässt sich nunmehr Mr Komantsche hören, „da will jemand richtig laut feiern. Und – und wir sind eingeladen..“
„Öhja“, sagt mein Sohn, „noch einer. Wir sind auch eingeladen.“
Das stimmt. Seit Tagen liegen tatsächlich diese kryptischen Schreiben im Kasten – von Nabben.
Nun auch noch eine Einladung! Abgesehen davon, dass wir Nabben partout nicht kennen: Eine Einladung - das kann einfach nicht sein!
Ausgeschlossen.
Mich lädt niemand ein. Ich hasse Leute und Fremde und albernes Gewieher und Besuch und 'nach dem Motto' und Gelaber und Gäste und Einladungen und Nachbarn und blödes Geschwätz und Partys und Geselligkeit und dämliches Gerede und hirnige Witze und all diese zeitraubenden Dinge. Hasse ich.
Komantsche tritt nunmehr aus ihrem Häuslein. Damit wird die Sache offiziell: Demütig weicht der Ehemann zur Seite. Er übergibt das Einladungsschreiben an den Nachrichtendienst.
Ich strecke den Kopf etwas mehr aus der Tür. Ohne Federn. Eigentlich arbeite ich gerade und möchte nicht gestört werden.
Aber: Was ist Nabben!
Der bescheuerte Zettelschreiber muss dingfest gemacht werden! Zumal er obendrein nunmehr uns beide einlädt: uns – und Komantsches!
Kein Mensch der Welt würde uns – plus Komantsches einladen. Zu was auch immer.
Total ausgeschlossen.
Nabben - muss verrückt sein. Nabben, der Veranstalter irrsinniger und zusätzlich noch lauter Partys.
„Uhja, hier steht es wortwörtlich,“ Komantsche liest ihrerseits und spricht extralaut, damit auch ich folgen kann, „es könnte ausgelassen und spät werden.“
Sie schaut ihren Ehemann an. Mit dem Gesichtsausdruck von Asa Havi. Missbilligung ist