Lieblingsnachbarinnen. Ghyslyn Pomsel

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Lieblingsnachbarinnen - Ghyslyn Pomsel

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sie unterliegen dem unausweichlichen Zugriff der Zeit, dem Alter. Sie bekommen kaputte Hüften, Schultern und Knie.

      Selbst Säuglinge unterliegen dem Altern.

      Und auch für Indianer nützt Gibt’s Nicht! kein Bisschen.

      Und Dennoch:

      Mir hätt's so gepasst, dass mein Indianer drumrumkommt ums Altern!

      Eigentlich dachte ich: Für Indianer gibt es kein Altern.

      Der Goldene Griff, Mensch, der Goldene Griff! Zieh! Los doch! Den Goldenen Griff! Zieh! Zieh!

      –

      Zuerst erzählte man mir nur davon. Dann sah ich es selbst, als ich beim Super Tomaten und Dosenmilch kaufte.

      Sie hat ihn gezogen – den Goldenen Griff!

      Indianer sind nämlich findig und wissen genau, wann der Zug kommt.

      Indianer verstehen Zeichen, enträtseln die Welt.

      Spuren lesen Indianer, so wie ich die Zeitung.

      Zuerst erzählte man mir nur davon. Dann sah ich es selbst:

      Sie baute sich, so sprach sie, baute sich eine Maschine.

      Gegen das Altern.

      Indianer sind findig.

      Indianer halten nämlich die Welt in der Hand, und sie halten sie an.

      Ich glaube daran.

      Ihr wird es gelingen.

      Ich will es!

      Und danach möchte ich wissen, bitte, ist sie nun Sülze, die Zeit?

      Sülze, he, Sülze?

      Collage

      (mit lieben Grüßen an die Rhönradabteilung der TuS 1863 Aschaffenburg Damm)

      Alle meine Nachbarinnen haben ein Hobby.

      Ich habe keines.

      Ich habe nur Berufe:

      Mutter (wiewohl von Natur aus nicht besonders dafür begabt), Inhaber der Firma Doublecross & Chicken Feed, Vorgartengärtner, Maschinenparkwächter, Mutter, Nachbarin, Mutter, Backpulver-verleih, Mutter, Mutter, Ehefrau eines Mathematiklehrers, Eierverleih, Bindebandverleih, Poesie-liebhaber, Mailomateur, Mutter, Ehefrau eines Mathematiklehrers einer schwierigen Mittelstufe, Zuckerverleih, Opernliebhaber, Mutter, Mehlverleih, Reisebegleiter, Hauptgartengärtner, Cacao-pulververleih, Mutter, Kuchentester, Chefgärtner, Ehefrau eines Mathematiklehrers einer Mathe-matikfachkonferenz, Mutter, Teetrinker, Hersteller ansprechender Collagen und Chefgärtner.

      Die Collagen produziere ich zum Zwecke der Erstellung kostengünstiger Grußkarten für alle nur möglichen Gelegenheiten. Vom Namenstag über Verlobungen bishin zu Weihnachten und Ostern – mit einer selbst erstellten Collage bin ich stets gut dabei.

      Die meisten meiner Nachbarinnen haben ganz furchtbar übliche Leidenschaften.

      Deren beliebteste sind Kaufen, Telefonieren, Abnehmen, Rhönradturnen und Autofahren.

      Lieblingsnachbarinnen jedoch, die sind da ganz anders gestrickt.

      Durch die Bank pflegen sie ganz und gar außergewöhnliche Hobbys.

      Bei Licht betrachtet, dünkt mich sogar, dass ihre Kaprizierung auf das ein oder andere unübliche Hobby gut und gern den Grund abgeben könnte, warum sie meine Lieblingsnachbarinnen sind.

      Ich liebe das Außerordentliche. Zum Gewöhnlichen habe ich nur wenig Talent.

      Aus der Fülle der Lieblingsnachbarinnen mit weniger ordinären Beschäftigungen, womit man die Zeit tot schlägt, hebe ich gern einige lobenswerte heraus: die Filigranlöterin, die Quartett-digeridooin, die Hunderednerin, Grace Kelly, die Dollarbaroness, die Ehefrau, Marilyn Monroe, die Unfallgärtnerin, Kate Moss, Kate Winslet, Prinzessin Kate. Ich sehe, Kate ist überrepräsentiert.

      Welche soll ich auswählen? Von welcher meiner Lieblingsnachbarinnen soll ich berichten?

      Ich denke, ich wähle diejenige, die das viehischste aller Hobbys kultiviert: die Hunderednerin.

      Diese bemerkenswerte Nachbarin sieht sich, wie viele andere auch, (teilzeitlich) tragischer Weise genötigt, einem öden Broterwerb nachzugehen.

      Das hat Gründe, und es hat Folgen.

      Zu den Gründen: Verantwortlich für die Tatsache, dass sie 'arbeiten' muss, ist ein Ehemann, der einen (in dieser Siedlung jedenfalls) recht durchschnittlichen Job hat. Er ist Pleitier.

      Seine Gattin steht nunmehr in der Pflicht, diese Scharte auszuwetzen. Schließlich braucht man, allein schon der vielen, vielen Köter wegen, ein Dach über dem Kopf.

      Und meine Lieblingsnachbarin sorgt für das Dach.

      So sortiert sie – Perlchen.

      Ein sinistrer online-Perlen-Versand profitiert von ihrer Kraft, die sie ebenso wacker wie tapfer dem Fehlverhalten ihres Bankrotteurs entgegen setzen muss. An drei Tagen in der Woche sitzt die Gute nunmehr mit einer Lupe im Auge da und ordnet Rot zu Rot und Rosa zu Rosa.

      De facto ist dies eine wertvolle Arbeit – denn: Wie sollten sonst unzählige Perlenstickerinnen und Perlenkettenfädlerinnen, die es weltweit gibt, an ihren farblich passenden Nachschub kommen? Woher das entsprechende Material nehmen – für diese tollen Hobbys, die etwas mit Perlchen zu tun haben, he?

      Meine Lieblingsnachbarin sorgt dafür. Ihr Augenlicht und sämtliche Muskeln des Rückens strapaziert sie, um das richtige Grün zum richtigen Grün zu legen.

      Es fällt ihr nicht leicht, nein, nein, wahrlich nicht, denn sie säuft.

      Bereits während der Arbeit (so verriet sie einer weiteren Lieblingsnachbarin, die es wiederum mir petzte) steht das Weißweinglas hart am Ellenbogen bereit. Und Abend für Abend dann kippt sie das Zeug literweise. Herbeigeschafft wird es vom Pleitier, dem Guten, höchstselbst, fürsorglich im Kofferraum seiner Riesenkarre herbeigeschafft.

      Er hält sie bei Laune, könnte man sagen.

      Auf der Rückbank seiner Nobelkiste klirren die Pullen seines Höherprozentigen, womit seinerseits er sich bei Laune hält.

      Bankrottieren scheint mir eine nervenzehrende Tätigkeit.

      Wundert es wen, wenn sie in ihrem Hobby aufgeht?

      Kann man nicht mühelos nachfühlen, wie entspannend, wie bereichernd es sein muss – am Abend mit jemandem zu sprechen?

      Der Gatte nämlich tut es nicht.

      Nicht, dass er stumm wäre, der Arme.

      Er spricht lediglich

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