Puzzleteile des Lebens. Thorben Korbitz

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Puzzleteile des Lebens - Thorben Korbitz

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gereicht. Nachdem ich nun mehrere Male unentschuldigt am Klavierunterricht gefehlt hatte, schrieb der Lehrer der Musikschule an den Direktor meiner Grundschule eine Mitteilung. Dieser übergab es meiner Klassenlehrerin, Frau W. und diese schrieb mir nun in das Mitteilungsheft eine „Information an die Eltern“.

      Sicher nahm Frau W. an, ich wäre ein Schwänzer und hätte keine Lust. Nun ja, „meine Eltern“ würden sich ja darüber nicht aufregen weil sie es mir ja verboten hatten zur Musikschule zu gehen. Doch weit gefehlt.

      So viel „Aufmerksamkeit“ war meinen Eltern auch nicht recht. Die Antwort an die Klassenlehrerin war: „Wir haben mit unserem Sohn eindringlich gesprochen und er erklärte uns, dass er das Interesse verloren habe.

      Diese Lüge konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Als ich Frau W. das Mitteilungsheft zurück gab wollte ich ihr erklären, das das nicht stimmt. Frau W., als ausgebildete Pädagogin, nahm sich der Sache sofort an in dem Sie mich anfuhr, wie ich denn solche Lügen erzählen konnte. Jetzt galt ich auch noch als Lügner, aber den Versuch war es doch wert.

      Im Laufe meiner Kindheit und Jugendzeit habe ich mehrere Anläufe unternommen mich irgendwie sportlich oder naturwissenschaftlich zu betätigen. So versuchte ich mich im Fechten, im Judo, im Handball, in Leichtathletik, im Fanfarenzug, in der AG Chemie, Physik und Astronomie. Im Herbst habe ich damit begonnen und im Frühjahr war meist Schluss. Sie wissen schon, die Bausaison hatte begonnen.

      Läufer klopfen

      Für alle die nicht wissen was „Läufer“ sind. Läufer sind Fußmatten die bei uns vor jeder Tür lagen. Egal ob drinnen oder draußen.

      Wir wohnten in einem großen Haus mit vielen Zimmern. Damit gab es insgesamt für mich 16 Läufer zu klopfen. Naturgemäß waren die Läufer außen immer recht staubig.

      An einem strahlend schönen Samstag (Samstag war Läuferklopftag) war es mal wieder so weit. Ich war damals 10 Jahre alt. Nachdem mein Stiefvater mich daran erinnert hatte sammelte ich alle Läufer ein und ging in den Innenhof an eine massive Stahlbetonwand und legte los.

      So ungefähr nach fünf Minuten wurde unser großes Hoftor aufgerissen und unsere Nachbarin Frau H. stürmte herein. Sie beschimpfte mich auf das unflätigste, was ich für eine Rotzgöre wäre, ob ich keinen Verstand hätte, usw.

      Während sie so in Fahrt war und zornesrot auf mich zukam, stolperte sie über einen Holzkeil. Den nahm sie auf, warf ihn in meine Richtung und traf mich am Oberarm. Jetzt war es an mir mich zu verteidigen. Als ich den Holzkeil in die Hand nahm und zurückwerfen wollte suchte sie schnell aber immer noch drohend, das Weite.

      Ich schaute mich auf dem Hof um, ob denn nun jemand von meinen „Eltern“ kam. Keiner da. Nur am Schlafzimmerfenster bewegte sich die Gardine und hinter dem Fenster stand mein Stiefvater. Ich tat so als hätte ich nichts bemerkt und klopfte weiter. Nebenan hörte ich wie jemand Wäsche abnahm.

      Später wurde mir berichtet, dass die Nachbarin weiße Bettwäsche aufgehängt hatte die sie nun, dank mir, noch einmal waschen musste.

      Ärmellos im Winter

      Eines Samstags im Februar, ich hatte Ferien, mussten wieder einmal die Läufer geklopft werden. Diesmal musste ich aber an einen Baum vor dem Haus gehen.

      Es war ein richtig kalter Februartag mit Frost um die 10 Grad minus. Ich nahm die Läufer, ging vors Haus und fing an. Durch die Bewegung war mir, trotz T-Shirt und Schlappen an den Füßen, nicht kalt. Als ich fertig war ging ich zur Tür und… fand sie verschlossen. Ich ging zur großen Hofeinfahrt, verschlossen. Ich ging zum Hintereingang, verschlossen.

      Ich klingelte, klopfte und rief. Keiner machte auf. Auch hörte ich die Klingel nicht mehr, muss wohl jemand abgestellt haben; oder Stromausfall. Also wartete ich vor der Eingangstür. Mir wurde kalt. Ich zitterte am ganzen Körper.

      Einige Zeit später kam eine andere Nachbarin vorbei und bemerkte mich. Warum gehst Du denn nicht rein, Junge? Es macht mir keiner auf und die Klingel geht nicht, war meine Antwort. Dann komm mal zu mir mit, du bist ja schon ganz blau gefroren. In ihrem Wohnzimmer sah ich auf die Uhr und wusste nun, dass ich 1,5 Stunden vor der Tür gestanden haben muss.

      Meine Nachbarin ging alle 10 Minuten nachsehen ob denn eine der Türen sich wieder öffnen ließ. Nach einer Stunde war es dann soweit. Das Hoftor ließ sich öffnen und ich konnte mit den sauberen Läufern wieder ins Haus.

      Nachdem ich alle Läufer wieder an den vorgeschriebenen Platz gelegt habe bin ich in die Küche. Tja, Mittagessen war vorbei. Warte ich halt auf das Abendbrot. Obwohl meine Mutter anwesend war kam keine Frage über ihre Lippen. Es war ja auch ständig so, das ich in dem Alter fast 3 Stunden weg war zum Läufer klopfen und auch noch das Mittagessen verpasst habe.

      Also ging ich in mein Zimmer und las ein Buch.

      Ami

      Meine Uroma wurde 1902 geboren. Als Kleinkind konnte ich das Wort Oma nicht sprechen. Ich sagte immer Ami. Sie blieb meine Ami bis zum Schluss.

      Ami war eine strenge aber recht gutmütige Frau. Sie hatte „eiserne“ Regeln und war sehr konservativ. Den ersten Weltkrieg überlebt. Im zweiten Weltkrieg hatte sie ihren Mann verloren und nie wieder einen anderen gehabt. Ihrem Sohn eine gute Ausbildung ermöglicht, ihre Enkelin großgezogen.

      Gelernt hat meine Ami Köchin. Sie war auch eine kräftige Frau die sich so schnell nicht die Butter vom Brot nehmen ließ. Als ich klein war hatte ich mächtig Respekt vor ihr.

      Ami hat bis zu ihrem 82. Lebensjahr gearbeitet. Teilweise an bis zu drei verschiedenen Arbeitsstellen. Da sie neben der Rente noch weiteres Einkommen hatte, dazu sehr sparsam war, konnte sie viel Geld sparen. Einiges legte sie auf einem Sparbuch an, für mich. Dazu aber später mehr.

      Ich erinnere mich, dass ich eines Nachts aufgewacht bin und im Treppenhaus laute Stimmen hörte. Als ich die Tür einen Spalt weit öffnete sah ich Ami mit einem vollen Bierkasten in der rechten Hand vor meinem Stiefvater stehen und sagen: „Wenn Du meine Tochter noch einmal anfasst haue ich Dir den Kasten auf den Kopf!“ Stiefvater wich langsam zurück. Meine Mutter stand in der Schlafzimmertür mit zerrissenem Nachthemd und zerkratztem Dekollete´.

      Das Verhalten meiner Uroma muss meinen Stiefvater mächtig beeindruckt haben, es war kurze Zeit später wieder Ruhe im Haus.

      Als ich sieben war hat mich Ami mal beim Rauchen erwischt. Rauchen war eins von den Dingen die Ami nicht tolerierte. Also gab es was auf die Hände. Das war das einzige Mal, das ich von Ami eine Strafe bekommen habe.

      Meiner Ami hatte ich so manche Geschenke zu verdanken. So bekam ich von ihr an meinem 5. Geburtstag, mein erstes Fahrrad. Damit durfte ich noch fahren.

      An meinem 10. Geburtstag schenkte sie mir mein zweites Fahrrad. Ein 26 -er Herrenrad von „Diamant“. Damit konnte ich nur fahren, wenn mein Stiefvater nicht im Haus war. Und so stand mein Fahrrad bei Ami im Zimmer unter einer Decke.

      Den richtigen Zeitpunkt für das Radfahren abzupassen war immer das Schwierigste an dem Ganzen. Man konnte sich nie sicher sein, wann mein Stiefvater nach Hause kommt. Es ging daher nur in den Ferien gefahrlos.

      Einmal

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