Flut über Peenemünde. Rainer Holl
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Flut über Peenemünde - Rainer Holl страница 21
Arne erhob sich um den Raum zu verlassen. „Denkt mal ein paar Minuten ohne mich weiter.“ Er ging ins Labor zu Cornelia Machnit, um nach dem Ergebnis der DNA-Analyse zu fragen. Die Laborchefin schien gerade dabei zu sein, ihren Arbeitstisch für den Feierabend aufzuräumen und sah lächelnd zum Kommissar auf. Arne hatte ganz versäumt, sich auf die erneute Begegnung mit der jungen Frau vorzubereiten, registrierte jedoch eine rundum euphorische Reaktion seines Körpers. Leider machte eine eintretende Kollegin dann allen Versuchen, die Situation weiterzuentwickeln, ein Ende. Auch Cornelia hatte wieder ganz auf offiziell geschaltet.
„Aus einem pünktlichen Feierabend für den Kommissar wird wohl nichts. Hier ist das Ergebnis.“
Arne studierte das Blatt mit der Auswertung. „Das Blut in Walters Auto stammt von ihm selbst, das ist keine so große Überraschung“.
„Und noch etwas habe ich für dich, das Ergebnis der DNA-Probe der Toten ist eben aus Greifswald gekommen. Da ergab sich ein interessanter Link zu unserem Herrn Walter.“
Nun zogen sich Arnes Augenbrauen zusammen. „Lese ich das richtig? Das Sperma, welches in der Toten aus dem Peenestrom gefunden wurde, ist von Joachim Walter?“
„Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, so wie es bei allen DNA-Proben ist“, bekräftigte Cornelia.
Arne bedankte sich förmlich, ließ seinen Blick so lange wie möglich in den ebenso auf ihn gerichteten Augen der Frau ruhen und stürmte aus der Tür, ohne die Papiere vollständig gelesen zu haben. Im Flur besann er sich auf seine Position und verfiel in einen gemessenen Schritt.
Sobald er das Beratungszimmer betreten hatte und in die kleine Runde blickte, reagierte Rita. „Na Chef, du hast was für uns, man sieht es dir an.“
Arne überhörte die Bemerkung, sein Blick wurde ernst und er kam sofort zur Sache. „Das Blut in Walters Auto stammt von ihm selbst. Aber das ist nicht alles. Wir haben offenbar einen neuen Status für unseren Bürgermeister. Er ist jetzt kein einfacher Vermisster mehr, sondern muss als Tatverdächtiger bezeichnet werden. Es ist sein Sperma, welches in der Frauenleiche gefunden wurde. Damit ist klar, dass er mit der Frau nicht lange vor ihrem Tod zusammen war. Er zählt damit zumindest zu den letzten, die die Frau lebend gesehen haben.“ Arne betonte das Wort lebend, um dann hinzuzufügen, „wenn wir mal ganz seltene Sachverhalte ausschließen.“ Siegfried zog kurz seine Stirn in Falten, verkniff sich aber mit einem schnellen Seitenblick auf Rita eine Bemerkung dazu.
„Noch mal von vorne“, begann Arne ein Resümee. „Der Tod ist am 30. Oktober, also vor drei Tagen, zwischen 12 und 24 Uhr eingetreten, kurz davor Geschlechtsverkehr mit dem Bürgermeister, wo das war, wissen wir nicht. Todesursache ist Genickbruch durch Einwirkung eines stumpfen Gegenstandes. Seit heute Morgen wird Walter vermisst, wann genau er verschwand und ob er noch lebt, ist unklar. Die gefundenen Blutspuren weisen auf eine Verletzung Walters hin, deren Ursache und Folgen wir nicht kennen. Ziemlich mager, oder?“
„Und wie passt nun das Rachesymbol in diese Beziehung? Eines bei der Leiche, eines in der Wohnung von Walter“, vergrößerte Siegfried die bisherigen Unklarheiten.
„Beinahe hätte ich es vergessen, die DNA-Probe der Leiche liegt ebenfalls vor, Moment, hier steht etwas dazu.“ Arne vertiefte sich in die Erläuterungen, blickte auf und seine Miene verriet eher das Gegenteil von Optimismus.
„Es gibt eine Vergleichsprobe, allerdings anonymisiert. Das heißt, die Identität der Frau lässt sich daraus ableiten, aber die dazugehörige Personalakte trägt einen Sperrvermerk des LKA.“
„Na wunderbar, die großen Brüder werden uns jetzt also freundlich helfen müssen“, konnte sich Rita eine sarkastische Bemerkung nicht verkneifen.
Arne Bock versuchte Rita zu beruhigen. Er dachte bereits darüber nach, welche Ursachen es für das LKA geben könnte, eine Personalakte zu sperren. Auf jeden Fall würde es für sie nicht leichter werden. „Du hast wohl Recht. Was das für die Dimensionen dieses Falles bedeutet, können wir nur erahnen. Ich erledige das sofort und hole euch nachher wieder.“
Er ging mit den Ergebnissen unverzüglich zu Polizeidirektor Hartmut Westphal, setzte ihn ins Bild und bekam die Vorschläge, die er seinem Chef gleich mit unterbreitete, sofort bestätigt. Den Kontakt zum LKA übernahm zuständigkeitshalber Westphal selbst. Der eben erst in sein Amt eingeführte Inselbürgermeister Joachim Walter sollte offiziell weiterhin als vermisst gelten, um ihn oder einen eventuellen Entführer nicht zu beunruhigen.
Die Ermittler beschlossen, die Öffentlichkeit vom Verschwinden Walters zu informieren und um Mithilfe zu bitten. Dazu wurde Siegfried erneut zu ARGUS-TV geschickt, während Arne telefonisch das Regionalstudio des Norddeutschen Rundfunks in Greifswald informierte und ein Foto des Vermissten versprach.
Als der zuständige Beamte des LKA die telefonische Anfrage aus Wolgast bekam, rief er die Akte in der Datenbank auf. Versteckt in einem kleinen Kasten links oben auf dem Bildschirm blinkte eine Mobilfunknummer, die bei allen Anforderungen an dieses Dokument anzurufen war. Er wählte sie unverzüglich, nach dem dritten Zeichen ertönte eine energische männliche Stimme.
„Ja?“.
Der Beamte kannte die Gepflogenheiten und gab das Anliegen der Polizei Wolgast weiter. Ludger van Cramme hörte zu, ohne seinen Namen preiszugeben und gab dem LKA-Beamten die Anweisung, der Wolgaster Polizei die Identität der betreffenden Frau mitzuteilen, natürlich ohne über ihre Beziehung zum LKA ins Detail zu gehen. „Zu den Umständen des Todes erwarte ich dann die entsprechenden Informationen aus Wolgast“, fügte er hinzu.
Sofort darauf informierte er den Referenten der Staatskanzlei Erich Bernecker über das Schicksal von Viola Kübeck.
Westphal gab weniger als 15 Minuten nach Absenden der Anfrage die Antwort aus Schwerin sofort an Bock weiter und bat ihn, die nötigen Schritte einzuleiten.
Arne Bock ging zurück in sein Büro, nahm die Informationen zur Hand – und erstarrte.
Schlagartig wurde ihm klar, warum der Anblick des Leichenfotos ihn nie losgelassen hatte, jedoch in so geringer Intensität, dass es von den anderen Eindrücken völlig überlagert wurde. Er öffnete den Terminkalender in seinem Smartphone, blätterte einige Tage weiter bis zum 9. November. Und löschte schnell den Eintrag um 17 Uhr.
Dann schloss er die Augen und konzentrierte sich wieder ganz auf die Ermittlung.
Erst einige Minuten später rief er seine Mitarbeiter erneut zu sich.
Bock berichtete ihnen erfreut über die Bewegung in dem Fall und versuchte, seine Begeisterung darüber auf sie zu übertragen. Er beauftragte Rita damit, den nun bekannten Namen der Toten im Melderegister zu suchen, um alle dort vorhandenen Informationen nutzen zu können.
„Wir sehen uns morgen früh, werden uns dann das Domizil dieser Viola Kübeck genauer ansehen.“
Als Arne allein in seinem Büro war, versank er im weichen Drehstuhl, was ihm schon so oft eine gewisse Entspannung gebracht hatte, und versuchte Ordnung in seine eigenen Gedanken zu bringen.
Dabei fiel ihm auf, dass sie im Überschwang der neuen Tatsachen noch gar nicht versucht hatten, die aktuellen Gerüchte zum Deichrückbau zumindest mit dem Verschwinden des Bürgermeisters in Verbindung zu bringen. Lag hier vielleicht der Anfang des Fadens, nach dem sie immer noch vergebens suchten? Kurz entschlossen