Kriminalisiert. Hans-Joachim Schmidt
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Gut, ich war nicht der Vorzeige-DDR-Bürger. Aber derartigen Assoziationen als Person sollte keiner unterzogen werden, auch dann nicht, wenn er nicht konform mit der Ansicht einer Gesellschaftsordnung ist.
Zudem, kriminell und schon gar nicht aus eigenem Antrieb oder ein Hehler war ich nie.
Dass ich hin und wieder in eine Notlage manövriert wurde, um nicht zu sagen gedrängt - was es eher beschreiben würde - und ich mich dadurch genötigt sah mich zu wehren, um meine Gesundheit zu schützen, muss man zwingend als Notwehr werten.
Klarstellen möchte ich, dass jene erwähnten Personen nicht von mir diskreditiert werden, sondern Bestandteil meines Lebens, wenn auch nicht im positiven Sinne, waren und ich lediglich ihre Einstellungen und Handlungen mir gegenüber offen lege. Nur führen diese, meine jetzigen Ausführungen, zu keiner Strafverfolgung derer, denen ich ausgesetzt war, als sie mich, aus welchen Beweggründen auch immer, den Strafverfolgungsbehörden auslieferten, ob direkt oder indirekt.
Schon als Kind und später als Jugendlicher wurde mir prognostiziert, dass ich eines Tages im Knast landen und dort wohl meine Rente erreichen werde.
Als ich fragte: „Warum?“, sagte man mir, und das mehrmals: „Jedes Heimkind landet früher oder später im Gefängnis!“
„Tolle Aussichten“, dachte ich mir jedes Mal. „Aber ich werde denen keinen Anlass dafür geben“, so mein abschließender Gedanke.
Dass man nicht mal straffällig werden musste, also im Sinne von kriminell sein, um ins Gefängnis zu kommen, kam mir damals nicht in den Sinn.
Aber die „Propheten“ sollten Recht behalten.
Wahrscheinlich wäre es auch so gekommen, dass ich bis zu meiner Rente in den Strafvollzügen der DDR gehaust hätte, wenn ich nicht, auf Grund meines Ausreiseantrages und einer Anzeige, die ich gegen mehrere Polizeireviere der Stadt anstrebte, abgeschoben worden wäre.
Diese Abschiebung, im März 1988, war wohl ein Glücksfall für mich, nicht zuletzt, weil ich damals noch die Vorzüge der Bundesrepublik Deutschland kennen lernen durfte.
Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich rehabilitiert wurde und als Opfer des DDR-Regimes anerkannt bin. Diese Erkenntnis und die Rechtsprechung daraus, sowie der darauf folgende Beschluss der verantwortlichen Behörden der BRD, waren mir sehr wichtig.
Anfang vom nicht Endenden
Irgendwie machte ich mich immer unbeliebt, wenn es um die Belange der DDR und deren Vertreter ging. Sei es mein Verhalten dem System gegenüber oder meine etwas andere Weltanschauung in Bezug auf Kapitalismus und Sozialismus. Dabei hatte ich nur Fragen, die ich gern beantwortet gesehen hätte.
In der Schule lehrte man mir, dass es keine dummen Fragen gibt, sondern nur dumme Antworten. Aber dass allein schon Fragen Menschen zu Wutausbrüchen und zu unmenschlichen Handlungen bewegen konnten, wurde mir in den nächsten Jahren bewusst. Nein, ich habe nicht aufgehört zu fragen, denn ich wollte ja nicht doof sterben. Damals dachte ich noch: „Der muss es ja wissen, denn er ist älter und erfahrener als ich“, wenn ich fragte und nicht ganz sicher war, ob es sich in der Tat so verhielt, wie es mir vermittelt wurde. Allerdings wusste ich nicht, dass die, die ich damals fragte, ihre Antworten von der sozialistischen Führung, also der Partei, vordiktiert bekamen – und es sah so aus, dass einige Fragestellungen gar nicht erst in ihrem Programmkatalog vorkamen.
Schnell erkannte ich, dass die DDR kein Staat der Diktatur des Proletariats, sondern schlichtweg eine Diktatur durch die Staatsführung, der Partei, selbst war. Die DDR war ein totalitäres Staatssystem.
Schon eine solche Erkenntnis, im falschen Umfeld laut geäußert, zog damals empfindliche Strafen nach sich.
Ebenso wurden Handlungen von meiner Seite, durch staatstreue Empfänger, falsch interpretiert, was ebenfalls nicht selten ohne Spuren an mir vorüberging.
Gerade weil ich oft missverstanden wurde, ging mir damals ein Satz von den Lippen, über den ich selbst erstaunt war, ihn so gesagt zu haben, der mir allerdings zusätzlichen Ärger einbrachte. Aber lest selbst, welches Ereignis mich zu diesem Satz, oder auch Zitat, trieb.
Schon in der 10. Klasse, als die Musterungskommission aus dem Wehrkreiskommando Berlin-Köpenick bei uns vorstellig wurde, um uns auf den Wehrdienst vorzubereiten und gegebenenfalls Rekruten zu ordern, die sich für mehr als 18 Monate verpflichten würden, fiel ich unangenehm auf.
An jenem Tag hatte ich Tafeldienst, als wir von unserem Lehrer die Meldung von diesem hohen Besuch bekamen, der allerdings sehr kurzfristig anberaumt worden war. Er befahl uns unser Klassenzimmer auf Hochglanz zu trimmen, dafür ließen sie sogar eine Unterrichtsstunde ausfallen. Uns blieben etwa 45 Minuten bis zum Eintreffen der militärischen Delegation, wie unser Lehrer den Besuch auch nannte.
Der Bereich rund um die Tafel sowie der Lehrertisch und die komplette Front des Klassenzimmers, an der auch der Kartenständer und das Bild unseres Staatsratsvorsitzenden angebracht waren, oblagen meiner Wenigkeit. Voller Eifer und sehr beflissen ging ich meinen Reinigungsarbeiten nach. Vielleicht war ich etwas zu eifrig oder auch zu hektisch in meinem Tun, gerade als es darum ging, ein Bild zu reinigen. Es war nicht irgendein Bild, sondern eins, worauf man stolz sein sollte, es in seinem Klassenzimmer hängen zu haben.
Anstatt das Bild von der Wand zu nehmen, schmierte ich mit einem feuchten Lappen darüber.
Jedenfalls fiel mir beim Putzen des Glases jenes Bild, auf dem Walter Ulbricht abgelichtet war, von der Wand.
Jener Walter Ulbricht war zu der Zeit der bedeutendste Politiker der DDR, er war der Staatsratsvorsitzende und stand bis 1971 an der Spitze des Zentralkomitees der SED. Es ist auch der Ulbricht, der die Mauer bauen ließ.
Der Nagel in der Betonwand hielt wohl nicht mehr, was man sich vor dem Einschlagen von ihm versprach – er versagte seinen Dienst.
Somit begann der Ärger.
Nachdem ich über das Bild mit einem trockenen Tuch gewischt hatte, versuchte ich es wieder an seinem angestammten Platz zu befestigen, aber vergebens. Da sich der Nagel auch nicht mehr in diese Betonwand fest hineinschieben ließ, weil einige Stückchen Putz mit dem Nagel herausbrachen und ich keinen Hammer zur Hand hatte, hängte ich das Bild kurz entschlossen an den im Klassenzimmer befindlichen Kartenständer.
Jener Kartenständer war im eigentlichen Sinne kein Ständer, sondern, ähnlich einer Jalousie, an der Decke angebracht. Mittels eines angebrachten Stricks konnte die Karte durch Ziehen rauf- und runtertransportiert werden und rastetet dann ein. Unten an der Karte befand sich eine Holzleiste zur Stabilisierung, an der sich eine Lederöse und eben dieser Zugstrick befanden. Diese nachträglich angebrachte Lederöse diente jetzt zur Arretierung, welche an einem festen Haken in der Wand Halt fand. Das war auch notwendig, weil sich die Karte anfangs hin und wieder von allein wieder einrollte und letztlich nicht mehr einrasten ließ.
An genau dieser Öse befestigte ich dieses Streitobjekt –das Bild Walter Ulbrichts – mit einer vom Lehrer angeforderten