Kriminalisiert. Hans-Joachim Schmidt
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Ich bedankte mich.
Während wir fast sprachlos diesen Kaffee tranken, unterbrach ich die Stille und sagte: Der schmeckt gut, jedenfalls besser als ‚Erichs-letzte-Krönung‘.“
„Oh, diese Sorte kenne ich gar nicht. Was ist das für Kaffee?“, wollte er wissen.
„Wissen Sie das wirklich nicht?“, fragte ich ungläubig.
„Wenn ich es doch Ihnen sage.“
„Das ist, wenn man so will, Kaffee-Ersatz oder auch Kistenkratz genannt. Bei dem Mist müssen wohl Mitarbeiter der Kaffeeröstereien und Mühlen die Produktionshallen und Läger gefegt, das dann in Tüten abgefüllt und in den Verkauf geführt haben.“
„Jetzt sind Sie aber ungerecht. Ich selbst trinke Kaffee in unserer Kantine.“
„Das ist nicht der gleiche Kaffee, den wir aus dem Konsum oder den Kaufhallen beziehen, und das können Sie mir glauben. In Ihrer Kantine wird es bestimmt auch Bananen und Orangen, und das ganzjährig, geben.“
Und spätestens jetzt musste er, bei dieser Antwort, gemerkt haben, dass ich es zumindest ahnte, wo sich seine Kantine befand. Jedenfalls schaute er verschämt weg.
Nur, dass dieser Kaffee aus dem Westen ist, wiederholte er, nach der Schenkung, mindestens vier Mal. Bis ich begriff, worauf er hinaus wollte.
„Danke. Aber ist das nicht sogar verboten?“
„Was sollte verboten sein?“, fragte er mich erstaunt.
„Sie haben diesen Kaffee in keiner neutralen Verpackung und Sie betonen, dass er aus dem kapitalistischen Ausland ist.“
„Nun mal nicht so streng! Reden wir doch einfach mal darüber, weswegen ich hier bin. Mein Name ist Oppelmann“, sagte er kurz.
Während wir einen zweiten Kaffee tranken, fragte er eben so oft, wie er die Herkunft des Kaffees betonte, wie er mir schmeckte.
„Gut, sagte ich doch schon“, antwortete ich schlürfend. Was mir ein bisschen peinlich war.
Dann kam dieser Oppelmann langsam mit der Sprache heraus. „Wie ich erfuhr, hatten Sie etwas Schwierigkeiten in Ihrer Ausbildungsstelle.“
„Das ist schon geklärt“, antwortete ich.
„Ich weiß. Ich habe veranlasst, dass Sie dieser Arbeit, anstatt der im Lehrbetrieb, nachkommen können.“
„Ehrlich? Das finde ich klasse … und ich habe angenommen, dass der BGLer sich für mich starkgemacht hat“, sagte ich mit meinem oft benutzten Schlagwort.
„Ich weiß auch, dass Sie keine Eltern haben und im Heim aufgewachsen sind. Was ich sehr gut finde ist, dass Sie sich für drei Jahre bei unseren Streitkräften verpflichtet haben.“
„Ist richtig. Aber der Verpflichtung habe ich nur zugestimmt, weil ich weder als Mot.-Schütze [Motorisierter Schütze] noch an die Grenze gehen wollte, obwohl ich den Grenzdienst als Alternative zum Mot.-Schützen gesehen hätte. Aber das war dann auch nichts für mich.“
„Erzählen Sie mal, was sich bei der Musterung abspielte und welche Gründe Sie dazu bewegten, den Schutzdienst an der Staatsgrenze abzulehnen?“, fragte er wirklich interessiert.
„Na ja, nachdem mir der Armeearzt attestiert hatte, dass ich wehrtauglich bin, ging es jetzt um meinen Einsatz bei der Fahne. Ein Major fragte mich, bei welchen Streitkräften ich gerne meinen Wehrdienst ableisten möchte. Und was ihn mehr alles andere interessierte –für wie lange. Zunächst äußerte ich, dass ich nicht als Mot.-Schütze unterkommen möchte. Sofort unterbreitete er mir ein Angebot. Er sagte: Herr Schmidt, was halten Sie davon, an unserer Staatsgrenze Ihren Dienst zu tun? Nun ja, sagte ich dem Offizier, dass das eine Alternative für mich wäre. Und dann sagte jener Major etwas Unglaubliches, was mich lange beschäftigte. Er sagte: ‚Wenn Sie sich für die Sicherung an unserer Staatsgrenze, dem antiimperialistischen Schutzwall, entscheiden, dann müssen Sie auch, bei Grenzverletzungen, auf Menschen schießen. Können Sie das?‘ Ich glaubte einfach nicht, was ich da vernommen hatte.“
„Was ist so falsch daran?“, fragte mich dieser Oppelmann.
„Weil das, was der mir da zumuten wollte, nach meinem Empfinden Mord ist. Man kann doch die, die ihr Land verlassen wollen, nicht wie Hasen abknallen.“
„Würden Sie denn Ihre Wohnung nicht auch vor Eindringlingen schützen?“
„Natürlich würde ich das, aber nicht gleich umnieten. Außerdem will ja keiner rein zu uns, sondern raus aus der DDR.“
„Ich sehe schon, das führt zu nichts“, sagte der Oppelmann nun etwas verärgert.
Aber er bekam dann die Kurve, indem er das Thema wechselte und fragte: „Und wie sind nun die drei Jahre entstanden?“
„Der Major der NVA sagte: Wie ich sehe, sind Sie bald ein Instandhaltungsmechaniker. Wenn Sie sich für drei Jahre bei uns verpflichten, kann ich Sie in Strausberg bei der Raketeninstandhaltung unterbringen. Daraufhin habe ich, ohne weiter zu überlegen, eingewilligt und unterschrieben.“
Nun bekam das Gespräch eine Wende.
„Herr Schmidt, dann falle ich auch gleich mal mit der Tür ins Haus! Wie sieht es aus, können Sie sich mit dem gleichen Interesse für das Ministerium für Staatssicherheit interessieren und mit uns zusammenarbeiten?“
„Nein“, sagte ich kurz und knapp.
„Warum nicht? Sie haben doch die besten Voraussetzungen dafür.“
„Ich weiß gar nicht, was mich dazu veranlassen sollte. Sie müssten doch meinen Standpunkt in dieser Frage kennen. Vor Ihnen waren mindestens schon zwei Ihrer Kollegen hier und denen habe ich dieselbe Antwort gegeben. Sagen Sie mal, mir drängt sich der Verdacht auf, dass Ihre Kollegen Sie nicht davon unterrichtet haben. Das fände ich dann schon sehr merkwürdig, wo ihr doch vorgebt, alles zu wissen.“
„Herr Schmidt, beruhigen Sie sich mal wieder. Natürlich bin ich über alle Schritte meiner Kollegen unterrichtet. Wir lassen Ihnen Zeit, das zu überdenken. Ich für meinen Teil werde jetzt los müssen, schließlich sind Sie ja nicht meine einzige Sorge.“
Um nicht noch ein Gespräch zu entfachen, hielt ich lieber meine Fresse.
Trotz meiner Absage, der Staatssicherheit Berichte über meinen Umgang zu liefern, lief alles hervorragend, bis ich ernsthaft erkrankte. Ich konnte weder der Arbeit im Ausbildungsbetrieb noch der im Fruchthof nachgehen. Bei mir entzündete sich ein Backenzahn, deren Folgen nicht akzeptabel waren. Da ich aber anfangs keine Zeit fand, um einen Arzt aufzusuchen – eben um Geld zu verdienen –, uferte die Entzündung bis zu meiner Unkenntlichkeit aus. Meine linke Gesichtshälfte schwoll unansehnlich an. Der Übergang zum Hals war nicht mehr auszumachen und meine Stirn spannte so sehr, dass ich dachte, sie würde platzen. Der Zahnarzt, den ich dann doch aufsuchte, fiel bald aus allen Wolken, als er meinen Zustand sah. Er schrieb mich sofort arbeitsunfähig. Nun musste ich täglich zu ihm. Er schnitt mir das Zahnfleisch auf, um das Sekret ablaufen zu lassen. Das wurde natürlich ohne Betäubung gemacht, weil, wie der Arzt sagte, keine Mittel bei dieser weit fortgeschrittenen Entzündung anschlagen würden.