Hans der Pole. Gräfin Bethusy-Huc
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Читать онлайн книгу Hans der Pole - Gräfin Bethusy-Huc страница 3
„Lasse mich Dich lieber im Garten erwarten, ich sehe dort einen schönen Platz unter der Linde –“
„Gut, wie Du willst“.
Benno entfernte sich. Hans kehrte zu seiner Mutter zurück, die, beide Elenbogen auf das Treppengeländer stützend, das Gesicht in ihre Hände vergraben, bitterlich weinte.
Er umfasste sie.
„Mutter, was ist geschehen?“
Sie hob den Kopf und fasste mit beiden Händen das Treppengeländer, als wolle sie es zerbrechen.
„Gequält haben sie mich, der Vormund und der Inspektor, immerzu, immerzu! Ich wollte nicht, dass sie Dich auch quälen sollten, Du solltest glücklich sein, was brauchtest Du auch zu wissen, dass es schlecht hier stand, Du konntest es doch nicht ändern. Aber jetzt, wo Du Offizier bist, wollte der Vormund es Dir sagen – wir standen vor der Subhastation oder vor dem Verkauf an die Landbank, die so wenig zahlen wollte. Da kamen diese Mielosenskis – wie die Engel vom Himmel kamen sie – und sie wollten so viel bezahlen, dass uns noch ein Vermögen von 300 000 Mark übrig bleiben wird – wie soll man denn da „nein“ sagen? Wenn Warozin subhastiert wird, sind wir Bettler!“
Totenblass mit fest aufeinander gepressten Lippen stand Hans neben ihr.
„So stand es – und ich – ich ahnte nichts“ – murmelte er. Die Frau fing wieder an zu weinen.
„Ach Du Lieber Du – Du warst ja noch ein Kind mit Deinen 20 Jahren, warum sollte man Dir das Leben schwer machen“, stieß sie hervor.
Mit seinen 20 Jahren! War er wirklich noch so jung? Und hatte er wirklich wie ein rechtes Kind immer nur in den Tag hinein gelebt in dem Bewusstsein, dass es um den väterlichen Besitz zwar nicht glänzend stand, dass es aber doch ein schönes Gut sei, das er einmal übernehmen und dann zu ungeahnter Blüte heraufbringen würde? Das alles erschien ihm jetzt so unmöglich, so ganz unwahrscheinlich – ihm war, als sei er plötzlich alt geworden, so alt, dass aller Jugendfrohsinn ihm wie ein fernliegender, für alle Zeiten zerstörter Traum erschien.
„Subhastiert – subhastiert sollte Warozin werden – und ich wusste nichts!“ wiederholt er.
Sie dachte nur daran, sich vor ihm zu rechtfertigen.
„Wir hätten es Dir ja diesmal gesagt – der Vormund und ich, wir hatten es schon besprochen. Die Subhastation hätte doch erst in einem halben Jahre oder so herum stattgefunden. Da solltest Du noch einmal froh sein in Warozin, und als Du schriebst, Du brächtest noch einen Freund mit, das dachte ich: es ist gut, er soll noch einen schönen Tag haben mit seinem Freunde – der Vormund sollte erst übermorgen kommen – da war noch Zeit genug zum Weinen und zum Traurig sein, und Dein Freund wäre vorher abgereist und hätte nichts schlimmes gehört. Da kommt der Wolffen vor drei Stunden hier an mit den Käufern – ich denke, der Schlag rührt mich! Aber es ist doch gut, Hans, es ist doch gut für uns – bloß dass Du nichts gewusst hast, und wie Du so blass und erschrocken ausgesehen hast, das hat mich verrückt gemacht, Hans, und mir ist der Kopf so wirr, siehst Du, und dass Du nun nicht noch den einen schönen Tag haben solltest – – “
Hans unterbrach sie.
„Wenn sie erst vor drei Stunden gekommen sind, dann haben sie es doch noch nicht gekauft, dann kann noch alles rückgängig gemacht werden –“
Sie trocknete ihre Tränen und sah ihn mit großen, erstaunten Augen an.
„Rückgängig? Aber es ist ja so ein großes Glück Hans –“
„Ein Glück, das mir fast das Herz bricht, Mutter, und über das Du heiße Tränen weinst –“
„Ach Hanitschko, ich weine doch bloß über Dich, wie es Dir so weh tut, und auch weil das alles so schnell kommt, und ich bin doch seit 21 Jahren hier in Warozin und habe Dich hier geboren, und Du bist doch mein ganzes Glück und mein einziges, was ich auf der Welt habe!“
Sie fing wieder an zu weinen, und Hans strich unwillkürlich wie tröstend über ihren braunen Scheitel, aus dem sich ein paar widerspenstige rötlich schimmernden Löckchen stahlen, und ihm war zu Mute, als sei er in diesem Augenblicke viel älter als seine Mutter.
„Ich gehe jetzt zum Vormund“, sagte er und schritt der Kanzlei zu, in die vorher Herr von Wolffen mit den Beiden Fremden eingetreten war.
„Tu’s nicht, tu’s nicht, Hanitschko, es nutzt ja doch nichts“, rief sie ihm nach. Aber er war schon hinter der Tür verschwunden. In der Kanzlei saß Herr von Wolffen am Schreibtisch, und die beiden anderen saßen ihm gegenüber. Bei Hansens Eintritt sahen sie alle auf, wie Leute, die bei einer wichtigen Sache unliebsam gestört werden. Aber ehe Herr von Wolffen das tadelnde Wort, das er offenbar auf den Lippen hatte, aussprechen konnte, stellte Hans die Situation klar, indem er sagte: „Wenn hier von Verkauf von Warozin die Rede ist, do denke ich, dass ich als Erbe und künftiger Besitzer dabei sein muss“.
Herr von Wolffen rückt seinen Kneifer gerade.
War denn das das Kind in Kadettenuniform, das er bisher gekannt und mit leichter Mühe bevormundet hatte?
„Mein lieber Hans, das Leben bringt eben noch andere Konflikte mit sich, als man sie im Kadettenkorps kennen lernt, ich habe es daher für überflüssig gehalten, Deine Jugend vorzeitig mit Dingen zu beunruhigen, die noch nicht spruchreif waren. Wenn Du an unserer Verhandlung Teil zu nehmen wünschest, so wird das die Sache weder für Dich noch für uns erleichtern“.
Hansens Wangen brannten.
„Ich habe im Kadettenkorps allerdings keine anderen praktischen Einblicke ins Leben gewinnen können als die, die mit dem Dienst zusammenhingen“, sagte er, „aber ich werde suchen das zu verstehen, was Du mir sagen wirst, Onkel Wolffen. Weshalb ist von einem Verkauf von Warozin überhaupt die Rede?“
Herr von Wolffen zuckte die Achseln. Er nahm eins der dickleibigen Rechnungsbücher, die vor ihm lagen, und schob es Hans hin.
„Wenn Du das durchsehen willst, wirst Du Dir selbst die Antwort auf Deine Frage geben können“, sagte er.
Da erhob sich der ältere der Herren von Mielosenski, ein schmächtiger Mann mit einem feinen, blassen Gesicht.
„Es tut mir sehr leid, Herr von Walsberg, dass wir Ihnen Kummer bereiten“, sagte er, an Hans herantretend, und mit einem leichten Lächeln Herrn von Wolffen streifend, fügte er hinzu: „Und ich begreife auch, dass die Interpellation des jungen Herrn Ihnen gerade in unserer Gegenwart einige Verlegenheit bereitet, mein verehrte Herr von Wolffen. Aber ich möchte zugleich Ihnen beiden sagen: mein Bruder und ich, wir sind genau orientiert über die missliche Lage, in der sich die Verwaltung von Warozin befindet, wir wissen, dass das Gut überschuldet ist, dass Meliorationen notwendig sind und Barmittel bei dem erschöpften Kredit nicht zu beschaffen sind. Wenn wir trotzdem ein gutes Gebot machen, so geschah das in der Überzeugung, dass Warozin diesen Preis wert ist. Wir sind nicht gesonnen, aus Ihrer momentanen Verlegenheit Nutzen zu ziehen und den Preis zu drücken. Sie können daher auch in unserer Gegenwart diesem jungen Herrn offen sagen, dass Sie das Gut unter keinen Umständen mehr zu halten vermögen“.
„Ich kann Ihnen leider nicht widersprechen“, sagte Herr von Wolffen, „Du hörst damit in kurzen Worten, wie es steht – – “
„Aber