Spätsommer. Helmut H. Schulz

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Spätsommer - Helmut H. Schulz

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du auf diesem Schlepper gelandet, du, der Sohn eines Kapitäns mit sechs Patenten.«

      Nun hatte beides nicht das Mindeste miteinander zu tun, und der Schiffer hätte sich mit einem Lachen darüber hinwegsetzen können, aber wie seiner Mutter fehlte es ihm an Gelassenheit.

      Da sie jedoch einen wunden Punkt berührt hatte, wendete er sich schroff ab.

      »Ich bin seit drei auf den Beinen. Ich muß jetzt essen.«

      »Das ist eine sehr gute Idee«, erwiderte die Johansen und folgte ihrem Sohn. Den Enkel zog sie mit sich.

      Die Kajüte stank nach Dieselöl, Schweiß und stockiger Kleidung. Sie war der einzige Raum an Bord des Arbeitsschiffes, der als Meßraum dienen konnte. Drei ältere Männer bewegten ihre Kinnbacken mit der Regelmäßigkeit kauender Tiere, Richard goß aus einem verbeulten Blechkumpen Kaffee in faustgroße Tassen, und seine Mutter fragte mißbilligend: »Bist du hier der Meßjunge?«

      Die Gesichter der Männer, vom Wetter massiert, verzogen sich zu einem breiten Grinsen, und der Sohn der Johansen, eigentlich der Schiffsführer, errötete bis in die Stirn. Er war fast kahl, hinten stieß langes, fahles Haar auf den Kragen der Jacke.

      Die Johansen zeigte einen ungeheuren Gleichmut, während sie aß, Kaffee trank und den Jungen neben sich aus einer Kekstüte fütterte.

      Die Johansen war den Männern gut bekannt. Sie war keine gewöhnliche Frau, sondern die ehemalige Reederstochter , die Frau eines Kapitäns, und mochten das heute auch schon uralte Geschichten sein, ohne jede Bedeutung, so vergaßen die Männer diesen Umstand schon deshalb nicht, weil die Johansen sie ständig daran gemahnte.

      Sie richteten freundliche Blicke auf das Enkelkind der Johansen.

      Der Junge hatte ein zart geschnittenes Gesicht mit blauen Augen und besternten Wimpern, ein Gesicht, das sonst Klugheit, jetzt aber nur Müdigkeit ausdrückte. Die Johansen spürte allerdings etwas Fremdes, Unstimmiges bei Torsten. Sie führte sein Verhalten auf die acht Tage zurück, die das Kind unter dem Einfluß der Mutter, also ihrer Tochter, gestanden hatte. Vielleicht wurde Torsten auch mit dem Bild eines kranken Vaters nicht fertig. Dieses und anderes würde sie in den nächsten Tagen herausbringen müssen, noch waren ja Ferien.

      Das Schiff machte jetzt schnellere Fahrt, die metallischen Gegenstände in der Kajüte klangen wie leise verborgene Glocken.

      Die Mütze aufsetzend, stieg der Schiffsführer an Deck. Die Johansen folgte ihm, nicht ohne Torsten zu ermahnen, unten zu bleiben. Binnen einer Stunde hatten sich Meer und Himmel verändert, sie flossen zu jenem bläulichen Schlamm zusammen, der Sturm bedeutete. Trat die Sonne für einen Augenblick hinter den schnell ziehenden Wolken hervor, dann leuchteten die Wellenkämme auf wie Messerklingen.

      »Hast du jetzt eigentlich ein besseres Verhältnis zu Knut?«, fragte Richard.

      Die Johansen lächelte, beantwortete die Frage gar nicht erst, sondern stellte trocken fest: »Wüßte nicht, wann unser Verhältnis schlecht gewesen wäre. In letzter Zeit sind wir sogar sehr gut miteinander ausgekommen. Warum willst du das wissen?«

      »Weil ihr jetzt vielleicht miteinander auskommen müßt«, sagte der Sohn.

      »Versteh ich nicht.«

      Die Johansen wendete sich um, denn hinter ihr kam der Junge den Niedergang herauf, obgleich sie ihm geboten hatte, unten zu bleiben. Sie rügte sein Verhalten aber nicht, sondern stellte ihn vor sich an die Schanzverkleidung und legte beide Hände auf die Reling, so daß Torsten gut geschützt zwischen ihren Armen stand.

      Der Wind, fast schon ein Sturm, traf die Drei jetzt voll. Die Johansen band einen Schal ab und legte ihn um den Kopf des Enkels. Die Drei standen eine ganze Weile wortlos auf dem schlingernden Schiff und starrten auf die See.

      »Wir werden sehen«, schloß die Johansen.

      Der Schiffer deutete auf die Küste und beendete ebenfalls seine Rede: »Wir sind in ein paar Minuten da, Mutter.«

      Auf der Seeseite fehlte ein Landeplatz. Die. Küste bildete einen kilometerlangen Streifen flachen Strandes. Nicht mal die Andeutung einer schützenden Bucht ließ sich erkennen. Zu allen Jahreszeiten war der Strand nach West und Nord hin offen, die See meist rau. Deshalb verbot sich ein Hafen von selbst. In grauer Vorzeit sollte es eine Verbindung gegeben haben zwischen See und Binnenwasser, mit einer Fahrrinne auch für tief gehende Schiffe.

      Dicht unter Land arbeitete ein Baggerschiff, ein Strom heraufgesogenen Grundes ergoß sich in einen Prahm. An diesen Prahm bugsierte Richard den Schlepper heran. Die Johansen und Torsten stiegen auf das flache Schiff um. Von dort brachte ein Ruderboot sie an Land.

      Vorher sagte die Johansen noch: »Ihr könntet mal längs kommen, vielleicht gibt das noch was zu bereden.«

      »Wir kieken mal in«, versicherte ihr der Sohn.

      Kapitel 2

      Mit dem Jungen an der Hand überquerte die Johansen den Deich. Torsten trug einen leichten Campingbeutel an einem Schulterriemen. Die Großmutter schleppte einen Koffer. Auf der Deichkrone blieb sie, stehen und blickte zurück; bis zum Horizont sah sie kurze, heftig aufschäumende Wellen mit leuchtend weißen Kämmen. Das Meer zeigte sich in abgestuften Blau- und Grüntönungen, als bildete es seine Bodenstruktur nach oben ab.

      »Das haben wir gut abgepaßt«, sagte sie befriedigt, während sie an der Hand des Jungen zog. Sie fühlte, daß diese Hand willenlos war, ihr durchaus nicht vertrauend.

      Sie rüffelte den Jungen: »Wissen möchte ich, was mit dir plötzlich los ist. Was haben sie dir eingeredet?«

      »Sie haben mir nichts eingeredet.«

      Rüstig zugehend, ab und zu grüßend, ohne sich aufhalten zu lassen, erklärte die Johansen: »Du bist acht Tage weg gewesen; ohne dich habe ich mich einsam gefühlt. Daher habe ich unser Haus von oben bis unten sauber gemacht, du wirst staunen. Heutzutage halten die Frauen solche Arbeit für unter ihrer Würde. Ich finde, man nimmt immer neu in Besitz, worum man sich sorgt, und ich habe festgestellt, daß es doch ein hübsches Haus ist. Dein Großvater hat es gekauft und umgebaut. Das alles erwies sich später als weit vorausschauend. Wie du weißt, sind wir aus der Heimat vertrieben worden und fanden hier eine Zuflucht. Sie hob den Koffer an. Was haben sie dir denn bloß eingepackt? Ich hatte doch deutlich gesagt, ich will das nicht. Ich kauf dir hier, was du brauchst. -Ja, das Haus, groß ist es nicht, aber trotzdem wollten sie mir immer Leute hineinsetzen. Ich möchte doch sehen, ob man mir gegen meinen Willen fremde Menschen hineinsetzen wird. Eher zünde ich das Haus an.«

      Angesichts dieser Energie kam Torsten auf ihre Bemerkung zurück, er habe ihr gefehlt: »Ich habe mich ohne dich auch einsam gefühlt, Oma.«

      Aber ihre Gedanken waren nicht stehen geblieben, diese Bemerkung erreichte noch ihr Ohr, nicht aber ihr Herz.

      »Wir werden es uns nachher gemütlich machen, erst frühstücken wir ordentlich, dann, wieder pendelten ihre Gedanken zu den zurückliegenden Ereignissen zurück, jedenfalls bist du ganz anders wiedergekommen, Torsten.« Sie ahnte, daß er litt, andererseits ging ihr das Gefühl für diesen labilen Kummer ab, wie sie übrigens eigenes Leid auch nur selten zur Schau stellte. Sie zog es vor, einsam zu leiden, eine Selbstquälerei, die sie seelische Stärke nannte.

      »Dort ist unser Haus«, sagte sie mit der tiefen Befriedigung des Heimkehrenden, der alles vorfindet,

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