Spätsommer. Helmut H. Schulz

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style="font-size:15px;">      »Bist doch mein gutes Kerlchen«, sagte sie zärtlich. Rasch fuhr ihre Hand nach seinem Haar. Torsten duckte sich, als fürchtete er einen Schlag. Und diese Bewegung nahm die Johansen wahr.

      »Hast du Schläge bekommen?« Ihre Stimme bekam einen drohenden, blechernen Klang. Ihre Gestalt richtete sich zu voller Größe auf.

      »Nein«, antwortete Torsten, erstaunt über ihren Ton. Sie sank wieder zusammen. »Ich sehe schon Gespenster, mein Kleiner. Denen traue ich alles zu. Wenn so etwas geschehen sollte ...«, sie brach ab. Im letzten Augenblick fiel ihr ein, daß sie diese Frage nicht vor dem Kind erörtern durfte. Aber ihr Mißbehagen schlug um in körperlichen Schmerz, sie fühlte, wie ihr Herz unregelmäßig schlug.

      »Ich bin fertig«, sagte Torsten.

      »Ich noch nicht«, erwiderte sie barsch, mühsam nach Atem ringend. »Warte gefälligst, bis ich soweit bin. - Es geht mir nicht gut.« Sie kramte in einer Schublade nach einem Medikament, schüttete sich ein paar Tabletten in die Hand und schluckte sie einfach ohne Wasser hinunter. Torsten sah ihr zu.

      »Du hast kein Mitgefühl«, bemerkte die Großmutter feindlich.

      Torsten begann zu essen. Er mochte wissen, daß viel Gerede im Augenblick nichts nutzen würde.

      »Weißt du«, sagte die Johansen wieder mit ihrer normalen Stimme, »ich kann den Eindruck nicht loswerden, irgendetwas ist zwischen uns getreten. Wenn es so ist, mußt du es mir sagen, ich kann Ungewißheit nicht ertragen.«

      Torsten aß weiter, er stopfte sich große Stücke von dem weichen, süßen Eierkuchen in den Mund, schluckte und kaute, während er seine Großmutter ansah.

      »Sie wollen, daß ich, wenn die Ferien zu Ende sind, mit ihnen gehe. Sie wollen es so machen, daß sie in der letzten Augustwoche herkommen, und da wollen sie es dir schon irgendwie beibringen.«

      »Das habe ich geahnt, und warum?«

      »Knut Blinz wird eine Arbeit auf der Reederei bekommen, und da ist er zu Hause. Sie sagen, das ist das Beste.«

      »Für wen das Beste«, meinte die Johansen zornig. »Für sie, für dich? Das fragt sich noch.« Sie rückte energisch ihren Teller heran und wickelte sich einen großen Fetzen von dem Eierkuchen um die Gabel. Beide, Großmutter und Enkel, schlangen um die Wette.

      »Und was hast du gesagt«, fragte die Johansen.

      »Nichts«, erwiderte Torsten, »sie haben mich ja auch nicht gefragt. Meine Schwester hat es mir erzählt, ich darf es gar nicht wissen. Und dir durfte ich es nicht erzählen, so haben sie sich das ausgedacht.«

      Die Johansen stemmte die Hände in die Seiten. »Da siehst du mal, sie scheuen sich, die Wahrheit zu bekennen, sogar vor ihren Kindern. Sie fühlen sich schuldig. Sie sollen nur kommen. Wenn wir beide einig sind, können sie nichts ausrichten.« Sie ächzte. »Jetzt ist mir wohler, nichts ist so schlimm wie Ungewißheit, mein Kind.«

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