Die Geschwister Bourbon-Conti - Ein fatales Familiengeheimnis. Bettina Reiter
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4. Kapitel
Die Bäume warfen bereits lange Schatten und die Abendsonne ließ ihre Kronen golden aufleuchten, als Luc querfeldein auf den Ehrenhof des Schlosses Chambord zuritt. Das braune Hauptportal öffnete sich. Sein Freund Hermann eilte die zwei Stufen herunter und schritt ihm entgegen. Dabei hob er die Arme und machte eine Handbewegung, als ob er ihn aufhalten wollte. Luc lachte und trieb sein Pferd zum Galopp an. Der prächtige Araberhengst hetzte auf Hermann zu, der sich nicht von der Stelle rührte. Im letzten Moment zog Luc die Zügel herum, da er wusste, dass sein Freund nicht freiwillig ausweichen würde.
„Brrrr“, Luc sprang vom Pferd und eilte auf seinen Kriegsgefährten zu. Lachend umarmten sie sich und schlugen sich gegenseitig auf die Schultern.
„Wie schön, dass du mein Angebot angenommen hast“, freute sich Hermann.
„Um nichts auf der Welt hätte ich das ausgeschlagen. Im viel gerühmten Schloss Chambord eingeladen zu sein ist eine Ehre.“ Luc nahm sein Pferd an den Zügeln, dessen weißes Fell glänzte. Dann blickte er sich um. Das Schloss galt als eines der herrlichsten in der Gegend des Loire–Tales. Der weiße Steinbau mit einer Vielzahl von Türmen, Kuppeln, Giebeln, Arkaden und Verzierungen ragte hoch in den blassblauen Himmel hinauf. Die Dachlandschaft erinnerte an eine zerklüftete Hochebene in gewaltigem Ausmaß. Genauso weitläufig war die Grünfläche, die das Schloss umgab, das sich im träge dahinfließenden Cosson spiegelte. „Die Leute haben nicht übertrieben. Ein Prachtbau, ganz wie es einem großen Kriegshelden wie dir gebührt.“
„Und du hast ein Prachtpferd. Aus Ungarn?“
„Ja, seit einem Jahr sind wir unzertrennlich.“ Luc tätschelte den Kopf seines Hengstes. „Ich nenne ihn Air.“
„Wind?“ Hermann fuhr sich durch die graue Lockenpracht, die zerzaust aussah, als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen. „Kurz und bündig, wie man es von dir gewohnt ist.“
„Ja, ich mag es bescheiden. Genau wie du.“ Luc grinste zweideutig. „Wie viele Zimmer hat dein Schlösschen denn? Eins oder zwei?“
„Nur vierhundertvierzig Zimmer und vierundachtzig Treppen.“
„Für einen alleinstehenden Mann viel zu wenig Platz. Wie hältst du die Enge bloß aus?“
„Das frage ich mich auch. Aber im Ernst, du hast keine Ahnung, wie oft ich mich am Anfang verirrt habe. Es gibt eine doppelläufige Wendeltreppe, Verstecke, Geheimtüren und was weiß ich noch alles. Sogar die Umgebungsmauer erfordert einen ganzen Tagesmarsch, und der Wald ist fast so groß wie Paris. Komm, ich zeige dir alles.“
„Alles?“, tat Luc entsetzt.
„Witzbold.“ Hermann zog ihn mit sich und rief nach dem jungen Mann, der bei der Pferdekoppel stand. Eilig rannte er herbei. Luc übergab ihm die Zügel seines Hengstes, hob seinen Beutel herunter, schulterte ihn und schaute dem dürren Burschen flüchtig nach, der sein Pferd in Richtung Wassertrog führte.
„Keine Sorge, dein Araber ist in guten Händen.“
„Ich mache mir keine Sorgen.“
„Seit ich dich kenne, machst du dir ständig welche.“
Luc fühlte sich ertappt. Nun war er wieder auf französischem Boden und je näher er dem Schloss Ussé gekommen war, desto ruheloser wurde er. Obwohl es in der Ferne an manchen Tagen nicht viel besser gewesen war. Doch der Krieg hatte ihn wenigstens zeitweise abgelenkt. „Es wird langsam“, schwindelte Luc. „Von Tag zu Tag.“ Ein zweifelnder Blick traf ihn. Seit Prag wusste Hermann Bescheid über seine Gefühle für Henriette. Eines Abends hatte er zu viel getrunken und ihm alles erzählt. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sein Freund die Sache verdaut hatte. Doch seither stand er ihm treu zur Seite und dass er ihn nicht dafür verurteilte, hatte Luc noch mehr für ihn eingenommen. Einen besseren Freund als Hermann würde es auf dieser Welt kaum geben.
„Dein Wort in Gottes Ohr. Und jetzt komm.“ Einträchtig schlenderten sie zur Menagerie, in der Hermann an die hundert Rehe hielt. Stolz erzählte er, dass sie aus seinem Heimatland stammten. Der Kurfürst von Sachsen hatte ihm die Erlaubnis gegeben, die Tiere zu importieren. Danach hörte Luc eine Menge über die Trockenlegung der Sümpfe, um die Seuchengefahr einzudämmen. Interessanter wurde es im Schloss, das sie während Hermanns Redeschwall betreten hatten. Jeder Korridor war riesig und hätte einem Bürgerhaus Platz geboten. Der Treppenturm stellte ein fantastisches Meisterwerk da Vincis dar und Schächte zur Entlüftung der sanitären Einrichtungen führten vom Keller bis zum Dach hinauf. Eine Erfindung wie diese hatte Luc nie zuvor gesehen.
„Damit werden schlechte Gerüche nach außen getragen“, erklärte Hermann mit stolzgeschwellter Brust und zog ihn weiter. Es gab viele Appartements, auch in den Türmen. Hermann hatte eines davon nach seinem Geschmack umbauen lassen. Die Wände waren mit Holzvertäfelungen und kostbaren Wandteppichen geschmückt, die Möbel aus exquisitem Walnussholz und überall standen exotische Mitbringsel aus aller Herren Länder.
„Was für ein imposanter Kachelofen.“ Luc ging auf das weiße Ungetüm mit sächsischem Wappen zu. Jede Kachel zeigte ein hellbraunes Motiv. „Meißner Porzellan, nehme ich an.“
„Nicht ganz. Der Ofen ist aus Fayence gefertigt. Vier dieser Prunkstücke habe ich mir aus meiner Heimat liefern lassen, da die Räume damit besser beheizbar sind. Wie findest du ihn?“
„Etwas zu überladen für meinen Geschmack, aber dir muss er letztendlich gefallen.“
„Jeder andere hätte mir Honig um den Bart geschmiert. Umso mehr schätze ich deine Ehrlichkeit“, sagte Hermann lächelnd. „Und nun ruh dich etwas aus.“
Vor dem Kachelofen befanden sich ein Tisch und zwei Bänke. Hermann bedeutete Luc sich zu setzen, was er umgehend tat. Die Müdigkeit steckte in seinen Gliedern, da er die letzte Nacht fast durchgeritten war und sich auch untertags keine Pause gegönnt hatte.
„Ich gebe in der Küche Bescheid. Du hast bestimmt Hunger. Lehn dich inzwischen an den Ofen. Chantal wird dich wärmen, bis ich wieder da bin.“
Luc deutete ungläubig auf den Ofen. „Du nennst ihn Chantal?“
„In diesem Schloss kann man ziemlich einsam sein.“ Grinsend verließ Hermann den Raum.
Lachend zog sich Luc den Beutel von der Schulter und legte ihn neben sich auf die Bank. Jetzt war er froh, dass er sich für die Stippvisite bei Hermann entschieden hatte. Ein Mann, der aus der Nähe noch beeindruckender war und auf eine glänzende Karriere zurückblickte. Die Soldaten an den Fronten – sogar die der feindlicher Lager – waren voller Respekt für ihn. ´Das Wunderkind von Halleˋ nannte man ihn mitunter immer noch, denn Hermann war der illegitime Sohn von August dem Starken und hatte mit zehn Jahren ein Studium in Musik und Philosophie begonnen.
Doch seine Karriere machte er auf dem Schlachtfeld. Im Regiment von Prinz Eugen hatte alles seinen Anfang genommen, dann