Dafür und Dagegen. Eckhard Lange

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Dafür und Dagegen - Eckhard Lange Antike Sagen - für unsere Zeit erzählt

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das Interesse des Publikums und vor allem die Anerkennung vieler Kritiker.

      Ulrich von Pendragon – das war ein Name, der plötzlich überall auftauchte, auch wenn sich sein Träger möglichst selten in der Öffentlichkeit zeigte. Und das Erstaunliche: Der Autor fand Zustimmung bei den verschiedensten Rezensenten, die doch für einander sich heftig befehdende Gazetten schrieben. Was ihm nichts als jene innere Wahrheit war, die er sich von der Seele schrieb, es wurde unter der Hand zum Werkzeug höchst gegensätzlicher Wahrheiten: Die Nationalisten lobten sein Buch als völkisches Epos, als Beispiel germanischer Art und deutscher Gesittung, die Sozialisten entdeckten darin eine verborgene Kritik an den bestehenden Verhältnissen, die verändert werden müssten, die Liberalen hoben den Naturalismus hervor, mit dem der Autor Landschaft und Leben beschrieb.

      So sehr es Ulrich von Pendragon schmeichelte, dass dieses Werk auf so breite Zustimmung stieß – er spürte mit einem inneren Erschauern, dass sein Pakt mit dem Teufel ihn immer noch fest im Griff hatte. Und als ihn sowohl der „Vorwärts“ als auch der „Stürmer“ um eine Rezension baten – er verkehrte mit den Redaktionen seit jeher nur über Postfächer, die er für jedes seiner Pseudonyme eingerichtet hatte und die ja auch weiterhin bestanden, um seine eigentliche Anschrift nicht zu verraten – da wusste er, dass er seine Vergangenheit nicht einfach ablegen konnte.

      Er musste es sich eingestehen: Einen Augenblick lang reizte es ihn, das eigene Buch zu besprechen und dabei höchst gegensätzliche Aussagen darin herauszustreichen, doch dann verbot er sich die Zusage, erschrak er über die Versuchung, das alte Spiel weiterzuspielen, zu dieser gespaltenen Persönlichkeit zurückzukehren und sein eigenes Werk dafür zu missbrauchen, zu beschmutzen, zu entweihen.

      Was ihn dagegen erfreute, war ein Besuch Merlins, des alten Freundes, der ihm lange ernst in die Augen sah bei seinem Glückwunsch, als ahnte er, dass dieses Buch zugleich eine Flucht war vor unbekannten Dämonen, die Ulrich bedrohten. Merlin hatte sein Studium in Berlin beendet, hatte an der Breslauer Universität eine Anstellung als Assistent gefunden und war dabei, sich dort zu habilitieren.

      Diese schlesische Hochschule, seit der Abtrennung Oberschlesiens vom Reich im Brennpunkt deutsch-polnischer Auseinandersetzungen gelegen, schien dem Slawisten der Ort, wo wachsendes Wissen beider Nationen voneinander vielleicht doch noch Ausgleich und Versöhnung bewirken könnte. Die Erfahrung, die er mit seinen beiden Muttersprachen an sich selbst gemacht hatte – genauer gesagt: mit dem Idiom der Mutter und jener Sprache, die sein Vater zeitlebens bevorzugte - diese Erfahrung wollte er auch den Studenten vermitteln: dass nämlich jede zur Bereicherung der anderen werden könnte.

      Die beiden Freunde sprachen lange über diese Sicht der Dinge, und Ulrich beneidete den Älteren um seine unverwüstliche Hoffnung auf ein fruchtbares Miteinander zweier Kulturen, aber er wusste, dass er mit manchen seiner Artikel eben dieses Miteinander nicht nur infragegestellt, sondern bekämpft und lächerlich gemacht hatte. Und es schmerzte ihn, dies verheimlichen zu müssen. Noch nie hatte er die Dämonen so deutlich gespürt, denen er sich ausgeliefert hatte.

      Und er wusste, dass sie weiterhin lauerten, ihn zu verstricken, dass er sich selbst daraus auch nicht würde lösen können, dass auch dieses Buch ihn nicht befreien konnte – wenn auch die daraus erzielten Einkünfte es ihm ermöglichten, auf journalistische Honorare weitgehend zu verzichten. Aber es war ja nicht das Geld, das ihn zu dieser Art des Schreibens gezwungen hatte, es war die schiere Versuchung, diese verfluchte Lust, mit dem Mittel der Sprache Ja und zugleich Nein sagen zu können, Gut und Böse gleichermaßen zu vertreten – wobei er immer häufiger nicht mehr beurteilen konnte, welche Seite die gute und welche die böse war. Nein, er war dem Teufel nicht entkommen, und er wusste auch nicht, ob es ihm jemals noch gelingen könnte.

      8. Kapitel

      Diese innere Zerrissenheit, dieses Misstrauen gegenüber sich selbst, dieses Furcht vor der ständigen Versuchung, verbunden mit dem Besitz eines gewissen Vermögens aus den Tantiemen, die der Verlag ihm überwies – das alles trieb ihn immer häufiger aus dem Schutz seiner Behausung in die schrille Welt der Berliner Boheme, die sich in jenen Jahren etabliert hatte – die wilden Zwanziger, wie man sie bald nennen sollte.

      Ulrich hatte sich nie viel aus Frauen gemacht, sieht man einmal von den wenigen Eskapaden ab, zu denen ihn einige Kameraden während der Jahre an der Westfront gelegentlich verleitet hatten, wenn sie ein paar willige französische Mädchen aufgespürt hatten, die oft mit ihrem Körper für den Unterhalt einer ganzen Familie sorgen mussten, während die eigentlichen Ernährer auf der anderen Seite der Front in den Gräben lagen. Aber er hatte wenig dabei empfunden außer einer vorübergehenden körperlichen Befriedigung, und die fiel meist auch nur gering aus. Manchmal wunderte er sich über sich selbst, warum ihn der Anblick einer Frau so gleichgültig lassen konnte im Vergleich zu anderen. Aber es beunruhigte ihn nicht sonderlich.

      Nun aber sollte sich auch hier alles wandeln. Die zahlreichen Revuen mit aufreizend gekleideten Girls, wie man inzwischen zu sagen pflegte, die frivolen Cabarets mit ihren Sängerinnen, die angeblich ehrbaren Damen aus den gehobenen Ständen, die im Verlauf einer abendlichen Gesellschaft, sobald nur genügend Alkohol in sie hineingeflossen war, plötzlich Anstand und Hüllen fallen ließen, das alles reizte ihn plötzlich ungemein, und bald war er häufiger Gast an all den Orten, wo es aufreizend anrüchig zuging und wo Lust feilgeboten wurde wie die Waren auf dem Wochenmarkt.

      Es war, als hätte der Teufel ihm eine neue Falle gestellt, um ihn zu versuchen. Noch war er ja unbekannt genug, um nicht ins Gerede zu kommen, und Namen hatte er ebenfalls genug zur Auswahl, um den anständigen Namen der Pendragons nicht zu beschmutzen.

      War es Zufall, war es Fügung? An einem nasskalten Oktobertag des Jahres 1926 begegnete Ulrich von Pendragon innerhalb weniger Stunden den beiden Menschen, die später gemeinsam eine tiefe Furche in sein Leben ziehen sollten, deren Schicksal er durch sein Handeln bestimmen würde, ein Handeln, dessen furchtbare Folgen ihn bis in die letzten Stunden seines eigenen Lebens begleiten und verstören sollten.

      Er hatte schon seit mehr als vierzehn Tagen an einem hartnäckigen Husten gelitten, als ihn ein Bekannter vor einer beginnenden Tuberkulose warnte und ihm auch gleich einen hierin bewanderten und anerkannten Arzt empfahl: einen gewissen Dr. Moses Kornwald, der in der Friedrichstraße eine gut gehende Praxis besaß. Nach einem erneuten höchst unangenehmen und heftigen Hustenanfall beschloß Ulrich, diesen Mediziner umgehend zu konsultieren und begab sich am frühen Nachmittag in die Friedrichstraße.

      Am Abend dann besuchte er in eben dieser Straße das Große Schauspielhaus, das sich inzwischen in eines der führenden Revuetheater der Stadt verwandelt hatte, und erlebte dort den Auftritt einer noch sehr jungen, aber offensichtlich besonders talentierten Künstlerin, die unter dem Namen „Elena“ auftrat und die ihn nicht nur mit ihrer Darbietung begeisterte, sondern auch auf ganz besondere Weise anzog. Dass er dort jenem Dr. Kornwald nach wenigen Stunden ebenfalls wieder begegnete, mochte er für einen Zufall halten, wusste er damals ja noch nicht, dass der Mediziner auf seine zurückhaltende Art ebenso von jener Elena angezogen wurde.

      Dr. Moses Kornwald war, wie der Name es vermuten ließ, jüdischer Herkunft, wie so viele erfolgreiche Ärzte in Berlin. Er war etwa Mitte dreißig, also nur wenig älter als Ulrich, aber ein dunkler, kurz gehaltener und sehr gepflegter Vollbart und die durch beginnenden Haarausfall schon sehr hohe Stirn verliehen ihm das Aussehen eines gereiften Mannes. Dunkle, stets sehr aufmerksam blickende Augen, feingliedrige Hände und eine schmale Statur erweckten in seinen Patienten jenes Gefühl des Vertrauens, das ein Arzt für seine Heilungserfolge ebenso benötigt wie medizinisches Fachwissen.

      Er untersuchte den neuen, unbekannten Besucher sehr eingehend, horchte lange an den unterschiedlichsten Stellen von Brust und Rücken, ließ ihn atmen, husten und die Luft anhalten, um dann endlich seine Diagnose bekanntzugeben: „Es war durchaus richtig, lieber Herr Baron, dass Sie mit diesem Befund den

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