Schattenkristalle. Farfalla Gris

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Schattenkristalle - Farfalla Gris

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führte er ganz unverhofft eine junge Frau zur Tür herein, die schöner nicht hätte sein können.

      Smaragdgrüne Augen leuchteten aus einem blassen, makellosen Gesicht, welches von braunen, leicht gewellten Haaren umrahmt wurde.

      Ein jeder fragte sich, wo er auf solch eine Schönheit getroffen war, und viel wichtiger noch, wie sie sich augenscheinlich in ihn verliebt haben konnte – in den grässlich entstellten Harlekin von Thiônan.

      Was jedoch zunächst niemand bemerkte, war die magische Anziehungskraft, die sie auf Armand hatte. Allein ihr Anblick reichte aus, um etwas in ihm zu wecken, was er nie zuvor verspürt hatte – Habgier. Er wollte sie, begehrte sie wie noch nie etwas in seinem Leben, und er schwor, bei den Göttern, dass sie ihm gehören würde … Koste es, was es wolle!

      Und wie es das Schicksal so wollte, geschah es, dass sich die beiden heimlich ineinander verliebten.

      Lucius erfuhr davon zunächst nichts, bis er sie eines Tages zusammen sah.

      Sein Zorn hätte nicht größer sein können. Es entbrannte ein langer und heftiger Schwertkampf zwischen den Brüdern, den Lucius mit Sicherheit gewonnen hätte, doch bevor er den finalen Schlag ausführen konnte, beherrschte er wie durch ein Wunder seine Gefühle und kehrte den beiden sowie seiner gesamten Familie den Rücken.

      Seit diesem schicksalhaften Tag vor einigen Jahren hatte man nie wieder etwas von Lucius vernommen. Es war, als wäre er gänzlich aus der Welt verschwunden.

      Bis zu jenem stürmischen Sommerabend, knapp ein Jahr nach Aleríàs Geburt, als der Wind heulend durch die tiefen Talschluchten heulte und das Kind, welches seins hätte sein sollen, das Licht der Welt erblickte.

      Eingehüllt in einen langen dunklen Mantel, das Gesicht von einer schwarzen Kapuze verdeckt, wanderte Lucius gelassenen Schrittes den schmalen Pfad entlang, der zu seinem ehemaligen Elternhaus führte.

      Ein leises Lächeln umspielte seine rauen Lippen und abgehärteten Züge, die in all den Jahren nur wenige glückliche Momente erlebt hatten. Aber heute würde sich dies ändern. Er wollte seinem Bruder zeigen, was es bedeutete, ihn, Lucius Dulclarce, zu verspotten und ihm das zu nehmen, was eigentlich sein war.

      Mit kräftigen Schlägen pochte seine schwarz behandschuhte Hand an die schwere Eichenholztür. Die Zeit verrann zähflüssig wie Sirup, während er auf ein Lebenszeichen von innen wartete.

      Es dauerte seine Zeit, bis er das leise Trampeln hinter der Tür vernahm und erahnte, wer ihm gleich öffnen würde.

      Mit lautem Knarren schwang das Portal einen Spaltbreit auf und ein von flackerndem Kerzenlicht beschienenes Gesicht erschien in ebendiesem, um den Fremden misstrauisch zu betrachten.

      „Wer seid Ihr?“, schnarrte ihre unfreundliche Stimme, die sich in all den Jahren nicht verändert hatte.

      Lucius lächelte charmant unter der Kapuze hervor und spielte beleidigt, während er ihr mit leicht geschürzten Lippen antwortete.

      „Ich bin enttäuscht, dass du mich nicht mehr erkennst, Mârry, wo wir doch schon so viel zusammen erlebt haben …“

      Verwundert über die Nennung ihres Namens begann sie, den Fremden vor sich eingehender zu mustern, was sich in dem Dunkel der Nacht als äußerst schwierig erwies. Ein Blitz, der jedoch kurz darauf den Himmel erhellte, brachte schließlich das Licht der Erkenntnis mit sich.

      „Herr Lucius“, keuchte sie erschrocken auf und ließ beinahe die mit Petroleum gefüllte Öllampe zu Boden fallen.

      „Genau der bin ich“, lächelte er mit einem leicht diabolischen Zug um die Lippen und drängte Mârry mit Leichtigkeit zur Seite, um sich Einlass zu verschaffen.

      „Es macht dir doch nichts aus, wenn ich eintrete. Draußen ist es nämlich ziemlich kühl …“

      Völlig überrumpelt wagte es die kleine, leicht korpulente Frau nicht, ihm zu widersprechen, und blickte ihn lediglich mit großen Augen an, während er sich wie selbstverständlich seines Mantels entledigte und diesen achtlos auf das kleine, im Foyer platzierte Sofa fallen ließ.

      Neugierig ließ er den Blick umherschweifen, konnte jedoch nicht verhindern, dass das, was sein Auge erfasste, mit Verachtung gestraft wurde.

      Viel verändert hatte sich in seiner Abwesenheit nicht.

      Die Eingangshalle war genauso dunkel mit Holz vertäfelt wie in seiner Kindheit. Nur hier und da waren einige Stellen ausgebessert worden – schlecht, wie er bemerkte. Die Farben stimmten bei genauerer Betrachtung nicht überein. Das ursprüngliche Holz war von einem satten, erdigen Braun gewesen, während die Ausbesserungen von einem eher sandigen Braun waren und einem sofort ins Auge sprangen.

      Verächtlich schüttelte er den Kopf. Sein ach so perfekter großer Bruder schätzte zwar das Künstlerische, besaß aber dennoch kein Auge für die besonderen Details, die diese Welt ihm offenbarten.

      „Würdest du meinem Bruder ausrichten, dass ich gekommen bin?“, fragte er übertrieben liebenswürdig an die noch immer erstarrte Mârry gerichtet, die ihn unentwegt anstarrte.

      Mit einem flüchtigen Knicks verbeugte sie sich vor ihm, um sogleich in einem der vielen Nebenzimmer zu verschwinden, die vom Foyer aus erreichbar waren.

      Gelangweilt begann Lucius einen kleinen Rundgang. Seine Schritte hallten laut auf den Steinfliesen wider, die genauso abwetzt waren, wie er sie in Erinnerung hatte.

      Auch die zahlreichen Gemälde – der ganze Stolz seines Vaters – waren nicht ersetzt worden, sondern weilten wie stumme Zeugen der alten Zeit an ihrem angestammten Platz. Erinnerungen, die längst hätten vergessen werden sollen, anstatt die Atmosphäre mit ihrer Aura der Melancholie zu verpesten.

      Doch eines war neu für ihn. Sattere Farben fielen ihm sogleich ins Auge und zeugten von Frische und unverbrauchter schöpferischer Kraft und Energie. Als er jedoch das Werk zur Gänze betrachtete, spürte er, wie unbändiger Hass in seiner Seele aufstieg und ihn zu überschwemmen drohte.

      Das Bild zeigte eine glückliche Familie – seine Familie. Er sah Elenór, die schön und anmutig auf einer Blumenwiese kniete, während sein ‚geliebter‘ Bruder hinter ihr hockte und sie beide mit glanzvollen Augen einem kleinen Wesen nachblickten, was kaum über die hochgewachsenen Blüten ragte – ihre Tochter.

      Heiß begann das Metall in seiner Tasche zu glühen. Das Medaillon reagierte auf seine abwesenden Gedanken und verriet ihm, dass sich jemand näherte. Durch einen tiefen Atemzug gelang es ihm, sein Temperament zu zügeln und seine Emotionen hinter einer neutralen Maske zu verstecken. Er war schon als Kind ein guter Schauspieler gewesen, wenn es darum ging, jemanden zu täuschen – vor allem seinen naiven Bruder.

      „Lucius, was führt dich hierher?“, fragte Armand erfreut und vorsichtig zugleich, während er mit strammen Schritten auf seinen Bruder zuhielt.

      „Muss der kleine Bruder denn einen Grund haben, wenn er mal nach dem Rechten sehen will bei seinem wertgeschätzten großen Bruder?“, antwortete Lucius spöttisch mit einer Gegenfrage.

      „Eigentlich nicht, aber zwischen uns ist nie ein solch inniges Verhältnis entstanden, wie es für Brüder normal scheint“, seufzte Armand.

      „Deshalb bin ich hier. Ich möchte Frieden mit dir und deiner Angetrauten schließen. Wir sind doch eine Familie und sollten

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