Schattenkristalle. Farfalla Gris
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„Was zum –?“, fragte Aleríà, verblüfft aufkeuchend.
„Du hast Geburtstag, kleiner Schmetterling“, lachte ihre Mutter und drückte sie fest an sich, um sie zu beglückwünschen. „Sag mir nicht, dass du das vergessen hast. Heute wirst du schließlich elf Jahre alt!“
Aleríà konnte es nicht glauben, sie hatte doch tatsächlich ihren Geburtstag vergessen.
„Komm schon, Aleríà. Puste die Kerzen aus und lass uns endlich Kuchen essen“, rief Ralath begeistert und wollte sich schon das große Küchenmesser schnappen, um den Kuchen anzuschneiden, doch seine Mutter kam ihm zuvor.
„Aber nicht von dir. Du bist noch ein wenig zu jung dafür!“
Schmollend ließ er sich auf seinem Stuhl nieder, strahlte aber sofort, als ihm ein großes Stück vor die Nase gesetzt wurde, in das er sogleich entzückt hineinbiss.
Zusammen erfreuten sie sich an dem leckeren Kuchen und genossen die vertraute Gesellschaft, die jedoch abrupt gestört wurde, als es lautstark an die Tür pochte.
„Aley, komm raus. Aufstehen, wir wollen dir etwas zeigen“, riefen zwei gedämpfte Stimmen wild durcheinander.
„Das sind Lika und Roméa …“, bemerkte Aleríà sofort und war bereits aufgesprungen. „Bitte, Mami, darf ich mit ihnen spielen gehen?“
„Lauf zu, mein Schatz, aber sei vor Sonnenuntergang wieder zu Hause …“, erlaubte es ihre Mutter und blickte dem flatternden Saum nach, der sogleich aus der Tür stürmte – zu ihrem Missfallen trug ihre Tochter wieder diese Hose.
„Darf ich auch mit ihnen gehen?“, fragte Ralath bettelnd und unterbrach unwissentlich den aufkeimenden Ärger seiner Mutter.
„Nein, du bleibst heute mal hier und hilfst mir ein wenig. Lass ihr auch mal ein wenig Zeit, um Spaß zu haben mit Mädchen ihres Alters.“
„Pah … Mädchen sind aber alle doof …“, sagte Ralath eingeschnappt und half seiner Mutter widerwillig, den Tisch abzuräumen.
„Aleríà, wo bleibst du denn?“, hallten die Stimmen der Zwillinge aus den Tiefen des Waldes wider.
„Wartet auf mich“, antwortete sie, doch das Rascheln der Sträucher um sie herum täuschte ihre Sinne und ließ sie nicht eindeutig erkennen, in welche Richtung sie laufen musste.
Ein plötzlich aufkommender Wind erfasste das Laubwerk unter ihren Füßen und begann, spielerisch die Blätter herumzuwirbeln. Feengleich tanzte der kleine Wirbelsturm um Aleríà herum.
Fasziniert von diesem Schauspiel begann sie, sich mit geschlossenen Augen im Kreis zu drehen und das angenehme Rauschen des Windes an ihrem Körper zu spüren. Für einen Augenblick vergaß sie alles um sich herum und gab sich ganz dem Gefühl des Friedens und der Freiheit hin. Zumindest bis eine leise, krächzende Stimme zu ihr drang.
Ich werde dich finden …
Erschrocken stolperte Aleríà über ihre eigenen Füße und fiel zu Boden, während ein regelrechter Blätterregen auf sie niederprasselte.
„Aleríà“, erklangen nun die Stimmen ihrer Freundinnen, die zurückgelaufen kamen, um nach ihr zu sehen.
„Wo bleibst du denn?“, riefen sie im Chor und zogen eine völlig verwirrte Aleríà auf die Füße zurück und hinein in den Wald, fort von der Stelle, an der noch immer ein kleiner Blätterhaufen von dem seltsamen Ereignis zeugte.
Schnell war dieses eigenartige Phänomen vergessen, als Aleríà sah, an was für einen Ort die Zwillinge sie geführt hatten.
Vor ihr erstreckte sich ein gigantischer See, der in einem nahezu mystischen Azurblau zu leuchten schien und alles mit einer Aura der Ruhe bereicherte.
„Komm, Aley. Lass uns ein wenig schwimmen gehen“, riefen sie vergnügt aus und rannten bereits zum Wasser, während sie hastig ihre Kleider aufschnürten und zu Boden warfen.
Ohne lange zu zögern, folgte Aleríà ihnen in das kühle Nass, welches überwältigend kalt über ihr zusammenschlug und ihr für wenige Sekunden den Atem raubte.
Prustend schnappten ihre Lungen nach Luft, als sie aus den Fluten auftauchte. Sogleich schlug eine Welle über ihr zusammen – die Zwillinge begannen eine Wasserschlacht.
Wer am Ende siegte, konnte keiner mit Bestimmtheit sagen. Es war aber auch egal. Glücklich und vollkommen erschöpft kletterten die Mädchen ans Ufer zurück und schliefen binnen Augenblicken ein, während die warme Sommersonne sie wärmte.
Währenddessen hatte Aleríà einen befremdlichen Traum …
Sie befand sich in einem dunklen Zimmer, welches trotz der Dunkelheit nicht gänzlich finster, sondern von einem flackernden Licht erhellt wurde.
Neugierig tapste sie auf die Tür zu und bemerkte den orangeroten Schatten, der unter ihr in den Raum fiel.
Vorsichtig streckte sie ihre winzige Hand empor, um den Türgriff zu fassen, doch schon im nächsten Augenblick öffnete sich die Tür und ihre Mutter stürzte herein.
„Mama?“, fragte sie leise, ängstlich. Sie musterte das mit schwarzem Ruß verschmierte Gesicht ihrer Mutter und spürte, wie sich ihre Anspannung auch auf sie übertrug.
„Hab keine Angst, mein Schatz. Es wird alles wieder gut!“, sagte sie hastig, während sie die Kleine dicht an ihre Brust drückte und einen Umhang, der schwer vor Nässe triefte, um sie beide wickelte.
„Versprich mir, dass du jetzt ganz tapfer bist, wenn wir nach draußen gehen, verstanden?“
„Aber was ist denn da draußen?“
„Versprich es!“, sagte ihre Mutter energischer und überging die Frage ihrer Tochter. Vollkommen erstarrt vor Schreck, nickte Aleríà bloß und klammerte sich an die Brust ihrer Mutter.
Unverzüglich hob diese ihre Tochter in ihre Arme und öffnete die Tür.
Völlig unerwartet für Aleríà schlug ihr lodernde Hitze entgegen, die ihre zarte Kinderhaut sofort versengt hätte, wäre der Umhang nicht gewesen.
Sie begann, leise zu wimmern, und vergrub sich tiefer in die Brust ihrer Mutter, während diese losrannte.
Holz knackte bedrohlich, als wild lodernde Flammen an ihm leckten. Vorhänge brannten lichterloh und von überall drangen Schreie zu ihnen herüber. Aleríà wollte sich die Ohren zuhalten, doch ihre Mutter hielt sie so fest in den Armen, dass sie sich überhaupt nicht bewegen konnte.
Kaum dass sie die Treppe zum Foyer erreichten, drang auch schon das Klirren von Metall auf Metall zu ihnen herauf und Aleríà bemerkte mehrere Schatten, die sich scheinbar spielerisch durch die Feuerzungen bewegten.
„Armand“, schrie Aleríàs Mutter panisch und suchte mit fieberhaftem Blick die untere Etage ab, konnte ihren Mann jedoch nirgendwo entdecken.
„Elenór, lauf“, rief plötzlich eine gedämpfte Stimme und Armand trat mit schwersten Verletzungen in ihr Blickfeld. Seine Kleidung brannte an einigen Stellen und hatte sich bereits tief in seine Haut gefressen –