Licht am Ende vom Filz. Julianne Becker
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Im Grunde hätte mir da schon auffallen müssen, dass meine schwarze Schönheit von ihren Fans außer "Lady Africa" auch "Big Mama" genannt worden war, aber ich brauchte noch sehr lange, bis ich darüber stolperte, ich war einfach sehr schwer von Begriff oder ich sah den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Zwischen dem zweiten und dritten Vollmond gebar ich dann nicht nur den Körper der Puppe und damit ein Tor zur Schwingung der Göttin, sondern schaffte auch in mir selbst den Raum für die Qualitäten der Göttin. Und ich geriet dabei in so etwas ähnliches wie psychische Wehen und machte einen extrem heftigen Reinigungsprozess durch, der sich nur schwer beschreiben lässt. Gefühle und Gedanken, Erfahrungen aus diesem und anderen Leben, mein Umgang mit meinem Körper bis hin zu einigen spirituellen Konzepten, die mit Weiblichkeit verbunden waren, liefen durch und mussten verstanden und losgelassen werden.
Ich heulte fast täglich mehrere Stunden, war dann aber zwischendurch wieder absolut high und glückselig, mal wurde mein Körper ganz steif, mal schmerzte mein Rücken oder es fühlte sich an wie Muskelkater, obwohl ich mich kaum noch bewegt hatte. Die körperlichen und seelischen Symptome und die Themen in meinen Gedanken wechselten ständig. So konnte ich keine zuverlässigen Verabredungen mehr treffen.
Stundenlang liefen starke Energieströme durch mich hindurch, die mein erschöpfter Körper nur liegend und irgendwie dahin dämmernd bewältigen konnte. Wann immer mein Körper es zuließ, filzte ich an der Puppe weiter. Ich fühlte mich dazu mächtig angetrieben und inspiriert, und das Filzen erwies sich als ideal. Dabei gelang es mir viel besser, den inneren psychischen Cocktail an mir vorbeiziehen zu lassen, ohne daran anzuhaften, sprich es zu bewerten, festzuhalten und vielleicht auch noch in Selbstmitleid zurück zu fallen. Natürlich passierte auch das trotzdem, denn mein Zustand blieb für lange Zeit unkontrollierbar.
Eigentlich hätte ich viel mehr innere Ausgeglichenheit gebraucht, aber genau diese Ruhe fand ich nur noch sehr selten, ich konnte mich kaum konzentrieren. So ließ ich es laufen und vertraute darauf, dass schon alles stimmte, so wie am Anfang, gleich nach meinem Zusammenbruch, ich gab mir Zeit zum Regenerieren und um zu verstehen, aber ehrlich gesagt, ich verstand noch nicht viel davon. Erst im dritten und vierten Jahr danach ging mein Verstehen tiefer und tiefer. Zu der damaligen Zeit sammelte ich vor allem Erfahrungen, Zeugs und Nahrung (Essen) in großen und schlecht verdaulichen Portionen. Und dass ich mich eigentlich schon längst in einen absorbierenden Wiederkäuer verwandelt hatte, der sich eigentlich nach jeder Erfahrung lange genug verdauend auf die Wiese legen sollte, entdeckte ich ja auch erst später mit Sandra, Sugar und Lilly.
Ein Fass voll Zorn
Während die Puppe immer deutlicher Form annahm, merkte ich, dass irgendwie ganz viel Zorn in mir hoch kommen wollte, und zwar auf Männer. Das wirkte auf mich wie eine große, bedrohliche Feuerwand im Anmarsch, und so dachte ich vorsichtshalber über Evakuierung nach. Ich gab allen männlichen Freunden aus meinen Esoterik-Seminaren also bekannt, dass sie die nächste Zeit von Besuchen bitte absehen sollten, denn es gab da ein paar ganz liebe Freunde wie den Dieter, die öfter einfach mal spontan auftauchten. Es schien sie um so mehr zu locken, ich fand Blümchen oder Herzchen auf dem Fensterbrett, aber ich blieb eisern, es war wichtig: Keinen Kontakt, auch wenn ich nicht so ganz genau sagen konnte, warum.
Und dann ging ich wirklich fast täglich in einen solch kraftvollen Zorn, dass ich innerlich bebte, so kannte ich mich noch nicht. Gut, ich war auch früher schon ab und zu sehr wütend gewesen, aber das hier kam von viel tiefer, aus fast vulkanischer Tiefe und es fühlte sich auch so an. Ich baute dann vorsichtshalber um mich herum einen ätherischen Faradayschen Käfig (der echte schützt vor Blitzen). Diese Idee hatte ich jedenfalls, denn da floss eine riesige, zerstörerische Gewalt durch mich hindurch und ich wollte nicht, dass irgend jemand zu Schaden käme, wenn bei mir die Funken sprühten.
Ich ging außerdem zu einer Darmspülung, und auch da steckte ich meine Heilpraktikerin mit deren Einverständnis in einen Lichtschutzanzug. Es war nicht meine erste Sitzung, wir kannten uns schon eine Weile und so gab sie mir wohl einfach Narrenfreiheit. Sie hatte kaum angefangen, als ich auch schon in Zorn ging. Ich tobte bald ganz ungeheuerlich, ja ich schäumte buchstäblich vor Wut.
Meine Heilpraktikerin verharrte in einer stoischen Ruhe, obwohl meine Reaktion überaschend kam und sehr intensiv über uns beide hereinbrach, aber sie vertraute mir auch und ließ mich kommentarlos gewähren. Und nachdem ich ja schon zwei Wochen lang täglich diesen Zorn in Portionen entlüftet hatte, ging ich nun bei ihr außerdem in eine leichte Trance und fand mich endlich wieder in der Situation, die wohl zu meinem gewaltigen Zorn gehörte:
Ich befand mich in einem Tempel der Göttin. Ihr hatte ich Leben um Leben unter vielen Namen gedient, das wusste ich einfach. Und dieser Tempel wurde gerade von einer barbarischen, kriegerischen Männerhorde überrannt und erobert. Alles Heilige wurde dabei von ihnen gestohlen, zerstört oder gebrandschatzt, und alle meine Priesterinnen wurden außerdem brutal vergewaltigt. Als oberste Hohepriesterin stand ich in dieser Szene fassungslos da in einem ohnmächtigen, grenzenlosen und heiligen Zorn. Was wagten sich diese Barbaren! Und ich hatte meine Göttin und mein Allerheiligstes nicht schützen können!
Und bei meiner Heilpraktikerin in dem winzigen Behandlungsraum und in der heutigen Realität schrie und tobte ich nun wie eine Wahnsinnige. Ich schimpfte und wütete und schrie meine Gedanken und Gefühle aus dem Tempel laut durch den Raum. So lange hatte ich sie unterdrückt, nun entwich der Druck mit aller Macht. Vor allem die Ohnmacht der damaligen Situation war schwer zu ertragen, dass ich einfach nichts dagegen tun konnte, rein gar nichts. Ich hatte mein Allerheiligstes nicht vor dieser Tragödie bewahren können!
Ich litt so sehr, dass ich mich entschied, mich etwas aus der Trance zurückzunehmen. Dazu konzentrierte ich mich wieder mehr auf meinen Körper, meine Finger, meine Füße, mein ganzes Körperbewusstsein und milderte so die Erfahrung. Ich verließ den Tempel aber nicht vollstädig, blieb in diesem Gedanken-Gefühls-Cocktail und bebte immer noch unter all diesen Eindrücken, es war einfach so schrecklich, so unglaublich, eigentlich überhaupt nicht beschreibbar!
Wie konnte man mit einem heiligen Ort, mit heiligen Gegenständen und meinen heiligen Priesterinnen so umgehen! Und plötzlich begriff ich, dass es genau dieser Zorn war, der in meiner Emanzenzeit mein Interesse und Engagement für die Gleichberechtigung der Frauen gespeist hatte. Und die alte Emanze in mir dachte:
"Es braucht dreißig Generationen, um aus einem freien, wilden Wolf einen Pudel zu züchten."
Das hatte ich von einem Hundezüchter erfahren.
"Aber mit Vergewaltigung und Abrichtung durch die gleiche Spezies geht es beim Menschen viel schneller!"
Ich ließ mich wieder ganz auf die Trance ein und glitt in den Tempel zurück, mit all diesen schrecklichen Ereignissen, die sich weiter vor meinen Augen abspielten. Ich beobachtete das Entsetzen in den Augen meiner Priesterinnen, hörte sie angstvoll und in Schmerzen schreien und konnte nichts tun. Ich stand da wie versteinert, während ich innerlich fast vor Zorn platzte.
Und bei meiner Heilpraktikerin ließ ich nun endlich diesen Zorn zu und die erstarrten Gefühle frei fließen. Ich tobte und schrie nun schon eine halbe Stunde - und rutschte in eine weitere Erfahrung, denn die Priesterin in ihrer Erstarrung dort im Tempel fiel ebenfalls in eine Trance und glitt in die Zukunft, Jahrhunderte umfassend, wie in einem Zeitraffer. Und ich sah und verstand:
Diese Männer hatten sich