Licht am Ende vom Filz. Julianne Becker
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Und dann begriff ich als Priesterin im Tempel auch, dass die Züchtung braver, folgsamer Frauen nie ganz erfolgreich sein würde, es würden immer auch kraftvolle, freie Frauen geboren, aber wer das alte Freiheits-Gen als Frau erbte, kam als ehrbare Frau nicht in Betracht, sie würde den ebenso domestizierten Männern der folgenden Generationen als Partnerin möglichst ausgeredet. Und gleichzeitig würde ihr die Aufzucht eigener Kinder ohne Mann zumindest ziemlich schwer gemacht. Auch die Männer würden ja nun genetisch leider meist zu Pudeln. Eine Züchtung erfasste immer beide Geschlechter.
Und dann sah diese Priesterin im Tempel in jeder Generation neben all den Pudeln immer wieder ein paar Wölfe durchkommen und die fanden dann genügend Pudel vor, die ihnen ein angenehmes Leben garantierten. Und die meisten wilden Männer mit dem Freiheits-Gen würden man in den kommenden Zeiten als Anführer und Entdecker in die Welt schicken und sie dort verheizen, ebenso wie viele Pudel, nur um die angenehmen Lebensverhältnisse von ein paar Herrschenden zu gewährleisten, und man nannte sie dann tapfere Helden. Und die freien, wilden Frauen würde man "böse" und "Hexen" nennen und im besten Fall an den Rand der Gesellschaft und der Dörfer drängen, aber in einigen Zeiten auch foltern und verbrennen. Ja selbst die Kinder einer stolzen, freien Frau würden, da in der Regel außerehelich, von der Dorfgemeinschaft diskriminiert und verfolgt.
Und die Priesterin sah: So würden sie auch mit der heiligen Mutter Erde selbst und der ganzen heiligen Natur umgehen, genau wie mit den heiligen weiblichen Gefäßen der Göttin: Alle zukünftigen Wolfs- und Pudelgenerationen würden alles und jedes Lebendige einfach nur zur eigenen Bequemlichkeit benutzen und maximal ausbeuten. Nichts und niemand war ihnen mehr heilig! Für wie viele dunkle Jahrhunderte? Ich konnte es nicht mehr sagen, die innere Schau erlosch. Ich stand dort im Tempel und sah dies alles in einer klaren Vision in innerer Hellsicht kommen und ich zerbarst fast vor Schock, Zorn und unendlichem Schmerz.
Und wir alle, die wir überlebten oder danach geboren wurden, fanden keinen Kontakt mehr zur Göttin. Dieser wilden Männerhorde war es mit einem einzigen Kriegszug und der Installation ihrer Herrschaft gelungen, uns unsere spirituelle Grundlage zu entziehen. Auch mein damaliges Ich kam nicht mehr durch zur Göttin, so sehr es sich anstrengte, es fühlte sich nur noch alleine und ausgesetzt auf einem Planeten, der sich in erschreckende Ereignisse stürzen würde. Die Tür zur Göttin hatte sich geschlossen. Dort im Tempel brach sie dann zusammen und weinte bitterlich.
Die Göttin kehrt zurück
Und so weinte ich jetzt wieder bei meiner Heilpraktikerin, weinte und weinte. Nun verstand ich endlich auch, wieso der Anleiter eines Mann-Frau-Seminars in Findhorn viele Jahre zuvor bei mir davon gesprochen hatte, man spüre deutlich, dass in mir ein Vulkan lauere und wenn ein Mann eine gute Intuition hätte, müsste er um mich einen großen Bogen machen. Damals hatte mich das sehr beschäftigt und noch viel mehr gekränkt.
In diesem anstrengenden Prozess mit den vielen Wut- und Heulanfällen, der sich auch noch auf mehrere Wochen danach erstreckte, hielt ich mich halbwegs mit Filzen an der neuen Puppe zusammen, um nicht völlig verrückt zu werden. Und die sollte sehr groß und sehr schön werden. Das monotone Sticheln in der Wolle beruhigte mich und es gelang mir dadurch viel besser, alles in mir einfach laufen zu lassen.
Mittlerweile hatte ich die Körperteile der Puppe einzeln und oft tränenüberströmt in grober Wolle modelliert und fügte sie nun mit Wollstreifen zusammen zu einem prachtvollen, sehr schlanken Körper. Ich wusste später nicht mehr, wie oft ich die Einzelteile erneut ansetzte, korrigierte, veränderte, es dauerte ewig, wirklich, bis ich das Gefühl hatte, wenigstens die Form des Körpers und die Länge der Gliedmaßen stimmte, weil alles harmonisch zusammenpasste. Nun musste die Puppe noch mit Haut überzogen werden, aber ich besaß keine Wolle in hautfarben, ich musste sie mischen. Und während ich so vor mich hin arbeitete, löste sich dieses Gefühl gänzlich in mir auf, die Göttin für immer verloren zu haben, ich fühlte mich ganz glück-seelig und dachte an die Ankündigung aus dem Vortrag, dass das, was ich in all den Leben danach für unmöglich gehalten hatte, das Unfassbare, nun doch passierte: Die Göttin, meine Göttin, kam zurück, war bei mir und ich spürte sie wieder ganz deutlich, außer wenn ich gerade in den nächsten Prozess gestürzt wurde. Nun wusste ich ja auch, mein Puppe sollte eine Göttinnen-Statue werden. Und in diesen Gedanken und Gefühlen vollendete ich meine prächtige Puppe, die sogar im Sitzen auf die stattliche Höhe von 60 cm kam.
Ich verbrachte einen ganzen Tag damit, meine Puppe einfach nur zu halten, zu streicheln und zu berühren. Dazu lag ich auf dem Sofa, in meine Kuscheldecke gehüllt und mit Blick zum Altar. Dort stand St. Germain, eine andere Puppe, und die hielt mir den Raum. Mit ihr stand die Tür zu St. Germain und dem Tempel der violetten Flamme immer einen Spalt breit offen. Ich hatte mir Kerzen und Räucherstäbchen angezündet und Musik auflegen wollen. Aber nichts passte, so viel ich auch suchte. So lag ich da in Stille. Es war soooo wunderschön! So, als würde ich meinen eigenen Körper im Arm wiegen und mit ihm das Gleiche tun, und ich heulte getröstet in meiner Einsamkeit. Diesmal waren es Tränen des Loslassens, der Reinigung, Heilung und Erneuerung. Die Göttin war zurück, in mir, die Tür zur Göttin hatte sich erneut geöffnet, ich war pure Freude. Und wie um mein Glück noch perfekt zu machen, sprach die Göttin zu mir. In meinem Kopf hörte ich wieder die lautlosen Worte:
"Die Göttin ist zurück. Ich bin Isis, der weibliche Weg in diesem Universum. Du bist ganz und geheilt. Das weibliche Mysterium wurde nie entweiht, es hat sich nur entzogen."
Es kam mir vor, als würde ein ganzer Berg Bedrückung von mir abfallen, eine immense Heilwoge fegte durch meinen Körper. Und ich spürte, dass ich mit meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele – und mit allen Männern und der Welt – endlich in einen tiefen Frieden kam.
Und ich habe mich so gefreut!
Am nächsten Tag drängte es mich, meine Göttin anzuziehen. Dafür brauchte ich Informationen, ich hatte ja eigentlich keine Ahnung von Göttinnen und was die sie so anzogen. Von meiner Schwester, die wunderschöne Skarabäen-Käfer aus grünen Edelsteinen gravierte und mir einmal einen Skarabäus mit der Isis auf der Rückseite schenkte, wusste ich nur, dass es sich bei der Isis um eine ägyptische Göttin handelte, aber das war's auch schon. Ich hatte mich in diesem Leben noch nie damit beschäftigt.
Wie wurde Isis dargestellt im alten Ägypten? Welche Farben, welche Symbole begleiteten sie? Denn nun musste ich ja sehen, wie es weiterging. Also zog ich hochmotiviert los in die Berliner City und fand auf dem Weihnachtsmarkt am Potsdamer Platz einen Stand mit ägyptischen Motiven. Und dort kaufte ich alles, was der an Isis zu bieten hatte: Zwei Stofftaschen, eine Papyros-Zeichnung und einen Henkelkaffeebecher.
Gleich darauf betrat ich ein Einkaufszentrum und in meinem Ungeschick schlug die Tasche heftig gegen die Drehtür. Upps! Der Henkel am Becher zersplitterte laut und mir war, als hätte das eine Bedeutung, um mich herum spürte ich zudem ein Feld von Zorn. Zu Hause angekommen, zündete ich mir eine Kerze an, packte die gekauften Sachen aus und fragte nach innen, was los sei. Ich spürte wieder diesen puren Zorn, so mehr die Kraft selbst ohne irgend einen Zerstörungswillen, es ließ sich schlecht beschreiben. Diesmal aber als Stimme in mir und ich hörte deutlich:
„Ich bin Isis. Wie kannst du annehmen, dass eine patriarchale Souvenir-Kultur dir sagen kann, wie ich aussehen will? Was sollen diese alten Symbole und Farben? Ich bin zu dir gekommen, damit du mich so machst, wie ich jetzt aussehen will. Also höre mir zu!“
Whow! Was für eine Kraft floss