Oskar trifft die Todesgöttin. Jörgen Dingler
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Читать онлайн книгу Oskar trifft die Todesgöttin - Jörgen Dingler страница 2
Sie und ihr Galan saßen an Bord des Großseglers ‚Rickmer Rickmers‘ im Hamburger Hafen. Der Liebhaber hatte einiges aufgeboten, um die Dame zu beeindrucken. Er hatte das grüne Schiff bis zum nächsten Mittag gemietet und ließ in einem der Rettungsboote, die über die Außenwand ragten, zum Dinner for two aufdecken. Als alles auf dem Tisch stand, sprach der Mann ein »Danke, wir brauchen Sie nicht mehr« an den Kellner aus. Das Gemisch aus Lichtern und Geräuschen des Hafens sowie Gerüchen nach Holz, Lack und Brackwasser sollten genug Sinneseindrücke sein. Da brauchte es nicht noch andere Männer in der Nähe, einen jungen, gutaussehenden wie den Kellner schon mal überhaupt nicht.
Sie waren allein. Der Mann schenkte Champagner ein. Jetzt passte alles, auch das: Die Frau trank einen Schluck. Nachdem sie ihr Glas absetzte, leckte sie über ihre Lippen, beugte sich vor, züngelte am Ohr ihres Bewunderers und griff ihm dabei in den Schritt. Sie wusste, wie man Männer heiß machte, wusste, wie man sie manipulierte, auf ihre Seite zog, ihr verfallen ließ. Dass sich währenddessen ein Schatten vom mittleren Mast der Dreimastbark zu dem Tête-à-Tête hinunterließ, bekam weder sie noch ihr Begleiter mit. Die Frau sah den Schatten erst, als sie vom Ohr des Mannes abließ. Es riss sie innerlich, obwohl sie nicht wirklich erschrocken war. Was sie sah, sog sie richtiggehend in sich auf und fühlte sich in einer Entscheidung bestärkt. Ihre Augen erblickten eine schlanke Silhouette in engem Gewand. Die Gestalt hockte auf der Reling und belauerte das Paar aus rund zehn Metern Entfernung.
Mit einem Mal bewegte sich die dunkle Gestalt. Katzengleich schnell und lautlos begab sie sich an Deck, blieb mit leicht gespreizten Beinen stehen. Die Figur war ohne Zweifel weiblich und ebenso aufregend wie die Figur der Frau. Ihr Liebhaber hatte deren Verblüffung mitbekommen und starrte nun ebenfalls auf die Silhouette.
»Wer sind Sie?«, fragte der Mann barsch. »Das hier ist Privatbesitz. Ich habe das Schiff gemietet. Was machen Sie hier?«
Die Gestalt kam auf das Paar zu. Ihr Gang war das Gleiten eines Topmodels, allerdings ohne jedes Geräusch. Die Frau betrachtete das anmutige Wesen mit dem Pagenkopf. War es so, wie sie gedacht hatte? Sie hätte es in diesem Moment nicht beantworten können.
Eine vollständig dunkle Erscheinung: Gewand, Hände, Haare, alles war schwarz – bis auf den unteren Teil ihres Gesichtes. Sie blieb am Rand des Bereichs stehen, der von den Petroleumlampen in Licht getaucht wurde. Der Kontrast zu ihrer hellen Gesichtshaut ließ die Schwärzung der Augenpartie und die schwarzen Lippen auch im Halbdunkel erkennen.
»Is das‘n Kostüm? Sind Sie… das Unterhaltungsprogramm?«, wollte der Mann vor allem seine eigene Irritiertheit kalmieren. Er hatte keine Showeinlage bestellt, insofern war ihr Erscheinen eine Überraschung für ihn. Sicher war sie als Artistin oder Zauberkünstlerin eine Aufmerksamkeit der Schiffsbetreiber. Nett gemeint, aber ebenso unerwünscht wie unpassend. Morgen würde er denen mal auf den Zahn fühlen und sich über die Störung beschweren. Bei der Reservierung des Schiffs ließ er keinen Zweifel an der Privatheit des Dinners. Das sollte deutlich genug gewesen sein. Und teuer genug war‘s auch.
Ein maskiertes M ä del im Superheldenkost ü m! Was denn nicht noch?
»Wenn Sie so wollen«, flüsterte die Gestalt mit sinnlich-verwegenem Unterton. Die Stimme klang auffallend jung. Ohne die kaum fehlinterpretierbare Gefährlichkeit hätte man sie sogar als mädchenhaft bezeichnen können. Jung, eigentlich niedlich, sexy.
»Lass mal stecken, Püppchen, die Vorstellung is vorbei. Zieh Leine!«, ließ er nunmehr seine gewohnten Umgangsformen erkennen.
St ö ren und auch noch auf neunmalklug machen. Nicht mit mir!
Die Frau erstarrte neben ihrem Liebhaber, ihre Pupillen weiteten sich. Sie hatte den Ernst der Lage und wen sie vor sich hatte, schon beim Erscheinen der dunklen Gestalt erahnt. Das eine bedingte das andere. Nun gab es keinen Zweifel mehr, wie ernst die Lage war.
Die junge Dame in Schwarz wusste Bescheid.
»Es sieht eher danach aus, dass du hier nicht gebraucht wirst«, raunzte sie ihrem Galan zu.
»Was???«
»Hau ab. Solange du noch kannst«, flüsterte die Frau und dachte kurz nach. »Spring über Bord. Jetzt!«
»Ich soll verschwinden? Ins Wasser springen?
Bist du noch ganz dicht? Was läuft denn hier???« Der Mann war keiner von der Sorte, der einen derart ausgefallenen Vorschlag widerspruchslos hinnahm. Er war zwar im Begriff, wütend zu werden, passte seine Lautstärke aber dem Flüstern seiner Begleiterin an. Er sah sie an, richtete seinen Blick dann auf die dunkle Gestalt. Sein Instinkt wies ihm die nächste Frage an. »Kennt ihr euch etwa?«
»Lass ihn ruhig bleiben. Du legtest ja bis jetzt gesteigerten Wert auf seine Gesellschaft«, entließ die Silhouette nicht ohne Ironie. Sie hatte offensichtlich ein gutes Gehör, war auch in diesem Sinne katzengleich. Auch ließ die Wortwahl erkennen, dass ihre Jugend nicht im Widerspruch zu Ernsthaftigkeit, Coolness und Intelligenz stand.
»Es ist also wahr«, richtete sich die Frau an den Überraschungsgast und rümpfte halb verbittert, halb verächtlich die Nase. Sie sprach auf einmal französisch.
»Was ist wahr?«, hauchte die dunkle Gestalt ebenfalls auf Französisch.
»Das, was er aus dir gemacht hat.« Die mediterrane Schönheit ließ ihre Augenlider sinken und fixierte die Gestalt im Catsuit. Ein Duell der Blicke. Die junge Schöne im Halbdunkel hinterließ nicht den Eindruck, sich weiterhin mit gefährlichen Blicken begnügen zu wollen.
»Und? Was hast du aus dir gemacht? Was willst du noch aus dir machen?«, hauchte die Stimme. »Was willst du aus uns machen?«
»Aus euch???«, entrüstete sich die Frau. Merde! Die Dunkle wusste in der Tat Bescheid. Damit war es unausweichlich. Es würde passieren.
»Jaaa, aus uns. Aus uns allen.« Jede erneute Wortmeldung der dunklen Gestalt kam noch gefährlicher, ultimativer. Die Situation spitzte sich zu, obwohl die Stimme völlig unaufgeregt war. Vielleicht gerade deswegen. So leise wie die Stimme war, ließ sie doch Überlegenheit erahnen. Die junge Geheimnisvolle hatte es nicht nötig, ihre Stimme zu erheben, um Gehör zu finden, wichtig zu sein, ja, auch um gefährlich zu sein. Aber einer empfand das nicht so. Der Mann sah zwischen den beiden Frauen hin und her. Seit die Damen französisch parlierten, fühlte er sich erst recht als Außenstehender (»sieht eher danach aus, dass du hier nicht gebraucht wirst«).
»Ich versteh euch nicht. Und ich muss euch wohl auch nicht verstehen. So wie ich das sehe, geht mich das nichts an. Das ist was zwischen euch beiden…«, eröffnete er.
»Irrtum. Mitgefangen, mitgehangen«, kam die