Das Schicksal und andere Zufälle. Sabine Otto
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Schicksal und andere Zufälle - Sabine Otto страница 4
Kai war dankbar über Lindas Anruf gewesen. Er hatte Elli nur die halbe Wahrheit erzählt. Die Kollegen hatten sich zum Brunch verabredet. Jeder konnte seinen Partner mitbringen, aber das wollte er ihr nicht auf die Nase binden. Elli war zwar in den letzten Tagen in guter Stimmung gewesen, gab sich ihm gegenüber aber trotzdem ziemlich reserviert. Das konnte er auch. Sie musste ja nicht alles wissen!
„Na, wo hast du denn deine Perle gelassen? Warum hast du Elli denn nicht mitgebracht?“ tönte es Kai entgegen, als er das Bistro betrat. Die anderen hatten schon ihre Gläser mit Sekt gefüllt und waren guter Dinge.
„Sie hatte schon was anderes vor. Gibt’s denn was zu feiern?“
„Peter tat sehr geheimnisvoll. Irgendetwas hat er uns wohl mitzuteilen. Der Sekt geht jedenfalls auf ihn, ließ er uns schon mal ausrichten.“ Ihr Boss war sonst nicht so spendabel. Es musste also schon einen besonderen Grund dafür geben.
„Was ist mit Dir, Natascha? Keine Ahnung?“ Kai blickte fragend zu Peters Sekretärin, die sonst immer auf dem Laufenden war. Aber die zuckte nur bedauernd die Schultern. „Keinen blassen Schimmer.“
„Na dann Prost“, Kai schaute sich in der Runde um. Jeder hatte eigentlich seine bessere Hälfte mitgebracht, bis auf Natascha und Linda. Natascha, das war ein offenes Geheimnis, lebte mit einer Frau zusammen, die bislang aber noch keiner kennen gelernt hatte. Und Linda? Es wusste eigentlich niemand etwas Genaueres über deren Privatleben. Sie redete ja nie viel. Kai fing einen spöttischen Blick von ihr auf, so als ob sie seine Gedanken erraten hätte.
In dem Moment kam Peter mit wehendem Trenchcoat zur Tür herein. „Sorry, ich bin noch aufgehalten worden.“
Alle blickten ihn erwartungsvoll an. Ohne große Umschweife kam er zum Thema. „Also Leute, hört mal alle her!“ Als ob nicht sowieso schon alle die Ohren gespitzt hätten. „Erinnert ihr euch an den letzten Auftrag auf Mallorca? Nun, unser Auftraggeber war so begeistert, dass er uns in Zukunft exklusiv unter Vertrag nimmt. Das heißt für seine Modefirma von der Katalogerstellung bis hin zur Werbung, beauftragt er nur noch die Werbeagentur Peter Kern! Was sagt ihr jetzt?“ Beifall kam von allen Seiten. „Eure Arbeitsplätze sind also gesichert.“ Allgemeines Gelächter machte sich breit. Wobei die Bemerkung gar nicht so abwegig war. Peter Kerns Agentur war klein und stand noch ganz am Anfang. Aber dies schien jetzt der große Durchbruch zu sein.
„Ich danke euch allen herzlich für Euer Engagement, Eure Loyalität und natürlich für die hervorragende Arbeit!“ Peter erhob sein Glas und das Team folgte seinem Beispiel. Das kam so ehrlich aus dem Munde des Chefs, dass alle direkt ein bisschen gerührt waren. Peter war sonst kein Mann großer Worte. „Kommt Ihr Lieben, lasst uns feiern! Das Buffet ist eröffnet.“ Peter ging voraus in ein Nebenzimmer. Dort war ein herrlicher Brunch vorbereitet. Es wurde ein so nettes Beisammensein, dass man beschloss, es noch auf den Abend auszudehnen.
Es war schließlich weit nach Mitternacht, als Kai, Linda und Tim untergehakt nach Hause wankten. Sie hatten alle drei fast den gleichen Heimweg. Tim wohnte nur ein paar Straßen weiter als Kai und wie sich herausstellte, lag Lindas Appartement auch nicht weit weg. Komisch, dass ich das bisher noch nicht wusste, dachte Kai bei sich. In bester Stimmung verabschiedeten die beiden Männer erst Linda und als nächstes waren sie vor Kais Haustür angelangt. Erleichtert stellte er fest, dass oben schon dunkel war. So musste er wenigstens keine unbequemen Fragen beantworten. Leise schlich er in die Wohnung - soweit es ihm möglich war in seinem Zustand. Als er sich neben Elli legte, schien diese jedenfalls fest zu schlafen. Kaum dass er sich ausgestreckt hatte, war auch er ins Reich der Träume entschwunden.
Es war ein typischer Montag! Er begann schon damit, dass kein Kaffee mehr vorrätig war. Vielleicht war es Einbildung, aber Elli konnte ohne eine Dosis Koffein nicht richtig wach werden. Kai lag noch in den Federn. Dass der noch immer schlafen konnte! Er hat den ganzen Sonntag im Bett verbracht, um seinen Kater auszukurieren.
Es war zwar erst halb sieben und normalerweise lag Elli um die Uhrzeit noch im Bett, aber sie mussten bis übermorgen die Präsentation unter Dach und Fach haben. Da würde die gesamte Projektgruppe um acht Uhr antreten. Ihr Chef war der Ansicht, dass Kreativität nicht nach Zeitplan funktioniere, deswegen hatte er die Gleitzeitregelung eingeführt. Ihm kam es lediglich darauf an, dass das Ergebnis zum Schluss stand. Nur mittwochmorgens war für jeden von 10.00 bis 12.00 Uhr Anwesenheitspflicht für eine Personalbesprechung mit seinen Projektleitern. Die restlichen Tage überließ er es ihnen, ihre Truppe zu organisieren.
Der Verkehr war mörderisch um diese Zeit. Es dauerte ewig bis sie vor dem modernen Gebäude ankam, in dem sich ihr Arbeitsplatz befand. Direkt vor dem Haus war ein Parkplatz frei. Um die frühe Uhrzeit fingen in der Agentur noch nicht allzu viele Leute an zu arbeiten. Zu ihrem Erstaunen war ihr Team schon im Besprechungszimmer versammelt. Ihre Projektgruppe bestand aus sieben Leuten: Willi - dem Grafikdesigner, Rike - der Texterin, Stefan - dem Computerfachmann, Anna - der Auszubildenden, dann natürlich aus dem Fotografen und Kameramann Nick mit seinem Assistenten Phillip und Jule - der Maskenbildnerin. Sie selbst war als Projektleiterin für das Team und die Koordination aller Aufgaben verantwortlich. Sie waren ein toller Haufen; alle verstanden sich hervorragend.
„So, zeigt mal alle Eure Ideen her“ forderte Elli auf und blickte erwartungsvoll in die Runde. „Breitet einfach mal alles auf dem Tisch aus!“
Bald standen alle wild diskutierend um die Zeichnungen, Fotos und Texte herum. Elli war die einzige, die sich nicht daran beteiligte, sondern stumm um die Vorschläge herum lief, ab und zu mal einen Entwurf in die Hand nahm, aber sonst tief in Gedanken versunken zu sein schien.
„Also Leute“, Elli machte eine kurze Pause, um sicher zu gehen, dass sie die volle Aufmerksamkeit des ganzen Teams hatte, „das ist ja alles ganz nett. Schöne Frauenkörper, gute Texte mit Schlagwörtern, wie Sinnlichkeit, Verführung der Sinne und so weiter, also die Erotikmasche. Aber dafür braucht Herr Beckmann nun wirklich keine Werbeagentur zu beauftragen. Das würde er ganz gut auch alleine hinbekommen. Wir brauchen etwas Witziges, etwas das aus dem Rahmen fällt und hängen bleibt; also etwas Außergewöhnliches mit Wiedererkennungswert. Wir machen jetzt folgendes: eine Stunde Brainstorming in Kleingruppen. Ihr zieht Euch für vier Stunden zurück. Danach“, sie blickte jedem einzelnen in die Augen, „will ich Ergebnisse sehen!“
Kaum war Elli aus dem Haus, regten sich auch schon Kais Lebensgeister. Er hatte den ganzen Sonntag im Bett verbracht, Elli in dem Glauben lassend, er müsse seinen Rausch ausschlafen. Das war jedoch nur die halbe Wahrheit gewesen. In Wirklichkeit wollte er einfach seine Ruhe haben und nachdenken. Er hatte gestern einen Entschluss gefasst und suchte nach etwas zu schreiben. Oft konnte man seine Gedanken besser ausdrücken, indem man sie zu Papier brachte. Außerdem hatte er keine Lust auf Streit und Szenen; das hatte er noch nie vertragen können. Elli war da ganz anders; sie scheute keine Auseinandersetzung. Manchmal dachte er, würde sie diese sogar regelrecht genießen! Er fühlte sich dann immer so in die Enge getrieben, dass er an nichts anderes mehr denken konnte als an Flucht, wie ein verängstigtes Tier, das verzweifelt versucht der zuschnappenden Falle zu entgehen. Sowieso wusste er meistens nicht, warum sie sich überhaupt stritten. Eigentlich war doch alles in Ordnung, würde sie ihn nur in Ruhe lassen. Es war ihm rätselhaft, wo Elli immer die Probleme herzauberte! Bisher waren es ebenso klassische wie triviale Themen, wie die falsch ausgedrückte Zahnpastatube oder umherliegende Socken. Aber als nun neuerdings das Babythema hinzugekommen war und Elli immer unausstehlicher wurde, war ihm endlich klar geworden, dass sich etwas ändern musste. Er wusste zwar nicht genau wie und was, aber dass es so nicht weitergehen konnte, lag für ihn auf der Hand. Erst war es nur ein wages