Das Schicksal und andere Zufälle. Sabine Otto
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Als sie ihre Präsentation abgeschlossen hatte, stand Herr Beckmann auf, blickte mit einem schiefen Grinsen auf Willi: „Ich denke, wir Männer haben nun diesem energischen Vortrag nichts mehr hinzuzufügen.“ Und zu Elli gewandt. „Ich werde mich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden. Vielen Dank einstweilen.“ Und weg war er.
Willi und Elli blickten sich perplex an. Mit so einer abrupten Verabschiedung hatten beide nicht gerechnet. Ihr Assistent schickte sich noch einmal an, sich zu entschuldigen, doch sie winkte nur müde ab und packte ihre Unterlagen zusammen. Auf einmal überkam sie die Erschöpfung durch den Stress der letzten Tage. Sie wollte nur noch in ihr Bett und schlafen, bis sie wieder von alleine aufwachte. Und genau das war es, was sie jetzt gedachte zu tun: Nach Hause ins Bett, ohne Wecker – und ohne Mann, fügte sie noch sarkastisch in Gedanken hinzu.
Auf dem Nachhauseweg gingen ihr die letzten Stunden noch einmal im Kopf herum. Sie konnte überhaupt nicht einschätzen, wie Herr Beckmann sich nun entscheiden würde. Was sie aber nicht mehr losließ, das war die Erinnerung an seine verwirrend männliche Ausstrahlung und deren Auswirkung auf ihr Gemüt.
Fast hätte sie die Geschichte mit Kai vergessen. Sie wollte jetzt auch gar nicht darüber nachdenken; erst würde sie einmal schlafen. Lächelnd musste sie an ihren früheren Lieblingsroman denken. Scarlett O’Hara würde jetzt auch sagen, ‚Morgen ist auch noch ein Tag, dann werde ich über all das nachdenken‘.
Zu Hause kam ihr der Postbote im Hausflur entgegen: „Gut, dass ich Sie hier treffe! So viele Briefe hätte ich niemals in Ihren Briefkasten bekommen.“ Mit diesen Worten drückte er ihr einen Stapel Post in die Hand. Verblüfft blickte sie auf die Umschläge. Du meine Güte! Das waren alles Antworten auf ihre Chiffreanzeige. Noch immer fassungslos schloss sie die Wohnungstür auf und ließ die Briefe auf den Couchtisch fallen. Die würde sie erst später, nach ihrem wohlverdienten Schlaf lesen. Erschöpft schlüpfte sie aus ihrem Kostüm, warf sich auf ihr Bett und ehe sie noch irgendeinen Gedanken fassen konnte, war sie schon eingeschlafen.
Lachend blickte Kati auf. „Hör mal, was der schreibt!
Ich bin bereit mich zu opfern. Ich habe eigentlich schon seit Jahren dem Sex entsagt, um mich ganz Gott, unserem Herren hinzugeben. Da ich aber über hervorragendes Genmaterial verfüge, würde ich Ihnen dieses zur Verfügung stellen.
Na, was sagst Du zu unserem Heiligen?“
„Oder der hier!“ Elli wedelte mit einem Blatt Papier in der Luft herum. „Ich kenne alle Stellungen des Kamasutra. Du darfst Dir gerne eine aussuchen. Oder noch besser – wir probieren sie alle gemeinsam aus.
Na, wenn das nicht edelmütig ist. Wie viele gibt es denn da eigentlich?“
„Keine Ahnung. Aber schon einige. Zeig mal her, wie sieht der denn aus?“
Elli reichte ihr das Foto rüber. Es war eine gute Idee gewesen, ein Lichtbild angefordert zu haben. Er musste ja Kai etwas ähnlich sehen und natürlich schon ein bisschen ihr Typ sein.
„Huch, nicht gerade ein Traumprinz. Vielleicht, wenn er seinen Ziegenbart abrasieren würde.“ Die beiden Freundinnen kicherten.
Elli war am frühen Abend aufgewacht und hatte sich richtig erfrischt und erholt gefühlt. Da sie die Briefe zusammen mit Kati lesen wollte, hatte sie mit dem Öffnen auf ihre Freundin gewartet. Schließlich hatte die ja auch die Idee ausgeheckt. Auch wenn Elli immer wieder betonte, dass sie ihren Plan jetzt nicht mehr in die Tat umsetzen würde, da sie ja nun niemanden mehr hatte, dem sie das Kuckucksei ins Nest legen konnte, hatten die beiden doch sehr viel Spaß beim Lesen der vielen Briefe.
Kati verstand Ellis Bedenken nicht. Wenn sie sofort schwanger würde, könnte sie damit Kai doch wieder zurückgewinnen. Mit der Begründung, er sei nun doch Vater geworden, würde er sich niemals seiner Verantwortung entziehen.
Elli guckte ihre Freundin empört an. Erstens wäre Kai ja nicht doof und könnte nachrechnen, dass er als potentieller Erzeuger gar nicht in Frage käme, da sie ja auch schon vorher eine Weile nicht mehr miteinander geschlafen hatten und zweitens, war sie sich gar nicht so sicher, ob sie Kai überhaupt zurück haben wollte. Zuerst hatte es ihr natürlich einen Stich versetzt, dass er sie so einfach verlassen konnte. Andererseits war so eine räumliche Distanz vielleicht gar nicht so schlecht, um sich über ihre Gefühle klar zu werden. Ja, seufzte sie, das war schon so eine Sache mit der verletzten Eitelkeit.
„Du hast ja zwei Monate Zeit, Dir zu überlegen, ob Du um ihn kämpfen willst oder ob es dir lieber ist, dass ihr euch wirklich trennt“, meinte Kati, die ihre Gedanken zu erraten schien. „In der Zwischenzeit kannst Du Dich ja erst einmal amüsieren.“
In gespielter Empörung bewarf Elli ihre Freundin mit den geöffneten Briefen.
„Du glaubst ja wohl nicht im Ernst, dass ich mich mit einem von diesen Hirnamputierten treffen werde! Zeige mir einen dieser Kandidaten, die Du auch nur in die engere Wahl nehmen würdest!“
„Zugegeben, von denen kommt keiner in Frage. Aber wir können ja mal abwarten, da kommen sicher noch mehr Briefe. Nicht alle reagieren sofort. Dann triffst Du Dich erst einmal mit jemandem zum Beschnuppern und dann können wir die ganze Sache ja so abstimmen, dass Du schwanger wirst, kurz bevor Du Kai wieder triffst. Zur Versöhnung ziehst Du ihn dann in die Kiste und schon wird er zum Vater.“
„Du stellst Dir das alles so einfach vor. Erstens heißt es ja nicht, dass ich sofort beim ersten Mal schwanger werde, zweitens bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich mit einem wildfremden Mann ins Bett kann, drittens werden wir vielleicht gar keinen potentiellen Kandidaten finden und viertens weiß ich gar nicht, ob ich Kai wieder zurück haben will und fünftens kann es ja auch sein, und das finde ich am Allerwahrscheinlichsten, dass Kai gar nicht mehr zu mir zurückkommen will.“
„Und sechstens fällt Dir bestimmt auch noch ein. Übrigens, zu zweitens: Du musst doch nicht unbedingt mit ihm ins Bett. Da gibt es ja auch andere Methoden an den männlichen Samen zu kommen.“ Kati lächelte amüsiert. „Selbst wenn alle bisherigen Bewerber diese Möglichkeit eindeutig nicht in Betracht ziehen. Aber jetzt sei doch mal ein bisschen optimistischer! So kenne ich Dich ja gar nicht!“
„Ach, ich weiß. Ich bin wohl bloß überarbeitet. Ich habe eine anstrengende Präsentation hinter mir. Ich habe Dir doch von dieser Parfum-Kampagne erzählt, Du erinnerst Dich?“
„Ja genau, wie war es denn? Und der potentielle Auftraggeber? Hattet ihr einen Draht zueinander? Das ist ja immer wichtig bei solchen Verkaufsgesprächen.“
„Es ging“, meinte Elli und konnte es zu ihrem Ärger nicht verhindern, dass sie leicht errötete.
„Aha, daher weht der Wind! Er gefällt dir wohl!“
„Ach Quatsch! Wie kommst Du denn drauf? Ich habe Herrn Beckmann doch erst heute kennen gelernt. Außerdem bin ich ja noch nicht endgültig von Kai getrennt“, verteidigte sich Elli.
„Mir kannst Du nichts vormachen, ich kenne Dich. Aber das ist doch in Ordnung. So ein kleiner Flirt ist ja wohl erlaubt und schadet doch niemandem; besonders wenn man eine Beziehungspause eingelegt