Tödlicher Aufguss. Axel Birkmann
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Читать онлайн книгу Tödlicher Aufguss - Axel Birkmann страница 17
»Ich habe darüber gelesen. Die Nutten in Frankreich sind mit einer Lilie gebrandmarkt worden. Das war kein Tattoo sondern ein Brandeisen.«
»Wieso interessiert dich das, mein Kommissar?«
»Das kann ich leider nicht sagen. Ich ermittle noch. Aber es ist nett von Ihnen, dass Sie sich Zeit für mich nehmen.«
»Das bin ich dir doch schuldig. Einige meiner besten Kunden sind Polizisten.«
»Auch einer mit langen Haaren, die er seit ich denken kann in einem Pferdeschwanz trägt?«
»Mit einer etwas größeren Nase?«
»Ja!«
»Der Rainer. Natürlich, der ist schon oft bei mir gewesen. Immer sehr ausgefallene Sachen.«
»Und was?«
»Bei aller Liebe, Herr Kommissar. Diskretion. Du verstehst. Auch wir haben eine gewisse Schweigepflicht und Verantwortung unseren Kunden gegenüber. Du weißt gar nicht, wer sich hier schon alles stechen hat lassen, gerade auch von den gehoberen Herrschaften, und an was für Stellen. No Fucking Way. Do geht nix. Das musst du halt so hinnehmen. Zurück zu deinem Anliegen. Ich habe hier einen Schmöker über Symbolik. Das kann vielleicht interessant sein.«
Der Tätowierer ließ sich neben Kreithmeier fallen und schlug den Bildband auf.
»Hier steht einiges über die Lilie. Ich lese mal vor: Die Form dieser stilisierten Blume selbst geht zurück bis ins frühe Mesopotamien. Als Herrschersymbol wurde es in Österreich und in anderen Nachbarländern, auch in Deutschland, übernommen und findet sich in der Heraldik auf Schilden, Wappen und Flaggen wieder. Es wurde sogar zum Wahrzeichen von Florenz, der Stadt der Lilie.
Erst später wurde es zum Brandmal von Ehebrecherinnen, Verrätern und Sträflingen, die damit als „Unberührbare“ gekennzeichnet und teilweise deportiert wurden. Somit findet sich dieses Zeichen in den damaligen französischen Kolonien wieder und eroberte den amerikanischen Kontinent, wie zum Beispiel in New Orleans.
Auch in der Neuzeit fordert das Zeichen der Schwertlilie Hochachtung ein und steht für Edles und Adeliges. Es symbolisiert Perfektion, Reinheit und Leben. Die römisch-katholische Kirche adaptierte dieses Symbol daher für die Jungfrau Maria und aufgrund ihrer dreiblättrigen Basis für die Dreieinigkeit. In zahlreichen Kirchen findet sich daher dieses Symbol wieder.
Das Militär der Vereinigten Staaten verwendete es schließlich, um Macht und Stärke zu demonstrieren, denn es erinnert in seiner Form an eine Speerspitze.
Die Lilie soll sogar das Symbol einer Geheimorganisation gewesen sein, der berühmte Persönlichkeiten wie Da Vinci, Isaac Newton und Victor Hugo angehörten. So muss sie ihren Weg in die heutige Esoterik gefunden haben.
Mittlerweile ist die so genannte Ritter– oder Bourbonenlilie auch in der Gothic-Szene nicht mehr weg zu denken. Gerade bei den Vampiranhängern symbolisiert sie immer noch Herrschaft und Macht, Eigenschaften, die ohne Zweifel diesen Kreaturen zugeschrieben werden. Sie sind genauso unsterblich wie diese Lilie, tragen wie sie gute und schlechte Eigenschaften in sich und überdauern die Jahrhunderte wie sie – unbeschadet.«
»Vampire, so ein Schmarrn. Steht auch etwas über eine weiße Lilie darin?«
»Ja, hier. Die weiße Lilie steht nicht nur für Schönheit und Reinheit, sondern auch für den Tod. Sie gilt als Blume der Lilith. Das war die erste Frau Adams. Viele Mythen und Legenden ranken sich nicht nur im christlichen Glauben um diese faszinierende Blume. So heißt es, sie blüht besonders auf den Gräbern unglücklich Liebender oder unschuldig Hingerichteter, hier symbolisiert sie die Entsagung. Und sie soll als „Blume der Maria“ auch gegen Hexerei und schwarze Magie wirken, wenn man sie vor dem Haus pflanzt.«
»Danke für diese vielen Informationen. Warum lässt sich nun eine junge Frau eine schwarze Lilie auf den Hintern stechen und eine andere eine weiße?«
»Aha, Herr Kommissar, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Sie suchen nach zwei Frauen mit diesen Blumen als Tattoo?«
»Ja. Und ich frage mich erstens, wer hat diese Arbeit getan und zweitens warum gerade diese Symbolik. Was bedeutet sie?«
»Muss sie denn etwas bedeuten?«
»Ich habe bei der Polizei auch erst lernen müssen, dass nichts dem Zufall überlassen ist und das alles einen Sinn hat und ergibt. Also warum zwei solche eigenartige Blumen auf dem Gesäß zweier hübscher junger Frauen?«
»Hübsch sind sie auch noch. Wir kommen der Sache näher.«
»Wie sind denn Ihre Kontakte zu anderen Tattoo Studios?«
»Sehr gut. Wir sehen uns immer wieder mal auf einer Erotikmesse oder auf der Tattoo Convention in München.«
»Könnten Sie für mich ein wenig rumhorchen, ob einer ihrer Kollegen diese Tattoos kennt oder sie sogar eigenhändig gestochen hat.«
»Herr Kommissar, ich soll für dich den Spitzel spielen?«
»Nur etwas rumhorchen, das können Sie besser als ich.«
»Sie sind mir einer, Herr Kommissar. Ich mache es, ich finde das für dich raus, unter einer Bedingung ...«
»Und die wäre?«
»Du lässt dich von mir stechen, ein kleines Tattoo, ganz nach deinem Wunsch, einen Kriminalkommissar hatte ich noch nie unter der Nadel.«
»Niemals. Das tut ja weh. Und ich bin kein Knacki oder Asozialer.«
»Jetzt mal halb lang. Tattoos sind längst gesellschaftsfähig. Selbst die First Lady, Frau Wulff hat eins. Ein Schlüsselloch, aus dem Flammen auflodern, ziert ihren rechten Oberarm.«
»Sie war die First Lady.«
»Wie bitte?«
»Bundespräsident Christian Wulff ist zurück getreten.«
»Auch egal. Dann die Ex First Lady. Also abgemacht. Du darfst den Platz und das Symbol aussuchen. Das Tätowieren mache ich.«
Sven schaute ihn herausfordernd an und hielt ihm die offene Hand hin. Kreithmeier zierte sich noch etwas, doch dann schlug er ein und wiederholte den Deal noch einmal: »Platz und Symbol suche ich aus. Und Sie erkundigen sich nach der Lilie. Und sagen Sie bitte nicht, dass Sie für die Polizei Fragen stellen.«
»Sehe ich aus wie ein Volltrottel? Natürlich nicht. Ich nehme dich beim Wort, Herr Kommissar. Wo treffen wir uns?«
»Ich komme. Keine Angst, ich komme schon.«
»Wer soll denn Angst haben, ich vielleicht?«
Kreithmeier