König Oyster und sein Reich. Bärbel Junker

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König Oyster und sein Reich - Bärbel Junker

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      Bereits ein einziges undichtes Giftfass kann Elend und Tod über uns bringen, ganz zu schweigen von den Substanzen, die ungehindert ins Meer abgelassen werden. Niemand kennt die Spätfolgen dieser Substanzen. Keiner kann voraussehen, welche Auswirkungen sie auf unsere Kinder und Kindeskinder haben werden.

      Verflüchtigen sie sich? Zersetzen sie sich? Vermag das Meer sie zu absorbieren? Oder werden die Meeresbewohner eines Tages nur noch aus schrecklichen Monstern bestehen? Zugegeben, diese Vision ist wahrlich grauenhaft. Doch ist sie wirklich so abwegig?“

      „Nein, ist sie nicht“, brummte eine schwergewichtige Seekuh.

      „Leider nicht“, fügte ihr noch weitaus wuchtigerer Ehemann hinzu.

      „So auszusehen wie Risko, wäre wahrlich schauderhaft“, flüsterte Portza, eine üppig blau und weiß gemusterte Königsschlange mit gefährlich spitzen Zähnen, ihrer Begleiterin, einer gestreiften Wasserschlange namens Flonka, zu. Aber so leise sie auch gesprochen hatte, Risko hatte es dennoch gehört.

      „Ja, Portza, ich weiß sehr wohl, dass wir Riesenkrabben schaurig aussehen“, sagte er traurig. „Wir sind dazu verurteilt mit der Mutation zu leben wie so viele andere auch und glaube mir, das ist wahrlich nicht leicht“, sagte der Krabbenmann ernst.

      Nach seinen Worten herrschte sekundenlang Grabesstille, bevor der Tumult wie ein Orkan losbrach.

      „Wir müssen uns wehren!“, kreischte ein Kabeljau.

      „Er hat recht!“, schrie einstimmig die Menge. „Wir müssen ihnen Einhalt gebieten! Das Maß ist endgültig voll! Es ist an der Zeit …

      „Ruhe im Saal!“, donnerte König Oyster.

      Schlagartig wurde es mucksmäuschenstill. Barsche und Muränen; Flundern und Aale; Seepferdchen und Stinte; Thunfische und Delphine; Seeschildkröten und Goldfische; Rochen und Schwertfische; Wale und Seekühe; Krokodile und Meeresschlangen; Vogelfische und Kraken; Alligatoren und Kleinstlebewesen; sowie all die anderen zahlreichen Meeresbewohner der unterschiedlichsten und ungewöhnlichsten Formen, Farben und Muster, von keines Menschen Auge jemals gesehen, sie alle senkten beschämt ob ihrer Unbeherrschtheit den Blick.

      König Oyster musterte seine Untertanen streng. Und obwohl er sein Volk von ganzem Herzen liebte und ein überaus gütiger und verständnisvoller Herrscher war, regierte er mit strenger Hand und der nötigen Konsequenz, falls es erforderlich war. Gewalt duldete er ebenso wenig wie Unbeherrschtheit. Ordnung und Gehorsam, Anstand und Sitte mussten sein, waren lebenswichtig, wenn so viele verschiedenartige Geschöpfe miteinander leben und auskommen sollten.

      Schließlich sah man ja am Beispiel der Menschheit, wohin Disziplinlosigkeit und Gewalt, Egoismus und die Gier nach dem Besitz des Nächsten, dazu noch der Verlust jeglicher Moral und Ethik führten.

      In seinem Reich würde er derartige Zustände niemals dulden! Hier unten im Reich der Wasserlebewesen ehrten und respektierten sie die Weisheit des Alters, während die Menschheit dieses so wichtige und wertvolle Gefühl ebenso wie viele andere fast verloren hatte.

      Sie umsorgten ihre kranken und gebrechlichen Mitbewohner liebevoll und ließen sie ebenso wenig allein wie ihren Nachwuchs, der mit Verständnis und Güte, doch nötigenfalls auch mit Konsequenz und Strenge, erzogen wurde.

      Spiel und Spaß waren zwar auch sehr wichtig, doch nicht ausschließlich. Auch das Pflichtbewusstsein und besonders die Achtung vor jedwedem Leben nahmen einen hohen, sehr hohen, Stellenwert ein. Außerdem waren natürlich auch noch...

      „Sieh doch nur, Andros! Was für eine besonders schöne Schnecke“, unterbrach eine vergnügte Stimme abrupt des Königs Gedanken.

      König Oyster drehte verärgert den schweren Kopf in Richtung des Störenfrieds. Seine schweren Lider senkten sich halb über die Augen. Seine breiten Lippen spitzten sich als wolle er pfeifen, und sein Brustkorb spannte sich unter einem gewaltigen Atemzug.

      „Robby!“

      Tosend wie ein Orkan brach sich seine befehlsgewohnte Stimme an den Muschel- und Glaswänden und ließ nicht nur diese erbeben.

      „Robby! Hierher!“

       Klick. Klack. Klick. Klack.

      Zarte Muscheln lösten sich von den Wänden, sanken lautlos hinab, um für alle Zeiten im weichen Sand des sich unaufhörlich wandelnden Meeresbodens zu versinken. Seepferdchen klammerten sich Halt suchend aneinander. Schlanke Aalleiber drifteten hilflos unter der gewaltigen, Schallwellen erzeugenden Stimme ihres Herrschers in alle vier Himmelsrichtungen auseinander.

      Kinder klammerten sich in wilder Panik an ihren Fischeltern fest. Sprotten und andere leichtgewichtige Meeresbewohner taumelten schwerelos wie Blütenstaub zur gewölbten Glaskuppel des Saales empor.

      Schnecken und Muscheln zogen sich blitzschnell in ihre Häuser zurück. Muränen und anderes Getier vergruben sich hastig im Sand. Und selbst die nicht gerade leichtgewichtigen Delphine schwankten ein wenig haltlos hin und her. Ein nochmaliges, jetzt jedoch bereits gedämpftes:

      „Robby, komm sofort hierher!“

       Klick. Klack.

      Eine letzte Muschel versinkt im ockerfarbenen Sand.

      Ein weißer Schatten huscht pfeilschnell an der atemlos verharrenden Menge vorbei und passiert wendig und äußerst elegant den schmalen Durchgang, hinter dem eine geschwungene gläserne Empore der Dachkuppel entgegenstrebt.

      Und hier, auf seinem Thron, über dem das mit Juwelen und Perlen geschmückte Auge der Weisheit und der Gerechtigkeit über die Entscheidungen des Herrschers der Unterwasserwelt wacht, erwartet König Oyster den Störenfried. Der weiße Schatten gleitet gewandt neben ihn.

      „Hier bin ich, Großvater. Ich habe dir etwas mitgebracht“, verkündet die sanfte Stimme seiner Enkeltochter. Ein behutsamer Flossenschlag. Etwas Weiches gleitet in des Königs vierfingrige, auf der Sessellehne ruhende Hand.

      Er senkt den Kopf und schaut. Eine Blume, so weiß wie frisch gefallener Schnee, gesprenkelt mit seegrünen und aquamarinblauen Tupfern. Wie schön, denkt der König, der Blumen bewundert. Dieses liebe Mädchen! Er verkneift sich mühsam ein gerührtes Lächeln.

      „Was sollte dieser Lärm, Robby?“, fragt er stattdessen streng. „Hier findet eine wichtige Versammlung statt, falls dir das entgangen sein sollte. Wir haben Probleme, mein Kind. Große Probleme! Du, als die Thronerbin, solltest wahrlich mehr Interesse zeigen; schließlich besteht das Leben nicht nur aus Spiel und Spaß.“

      Robby senkte beschämt den Kopf. Ach, herrjeh! Die Versammlung! Die hatte sie doch glatt vergessen.

      „Wo seid ihr gewesen, du und deine Brüder?“, fragte der König streng.

      „Wir...wir haben Menschen beobachte“, kam es leise wie ein Hauch aus Robbys Mund.

      „Menschen?! Wann? Wo?“

      „I...im Plank...Planktongrund“ stotterte Robby wohl wissend, dass sie und ihre Brüder dort nichts zu suchen hatten.

      „Planktongrund?! Habe ich das richtig verstanden, Robby? Sagtest du wirklich Planktongrund? Diese Gegend ist doch für jedermann, hörst du, Robby:

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