Täubchen alla Boscaiola. Martin Schlobies

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Täubchen alla Boscaiola - Martin Schlobies

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nur noch das Meer zu sehen und links nur noch Fels und Geröll, und dazwischen die Straße, und nach ein paar hundert Metern sah sie mittendrin im Geröll ein unleserliches Schild, verrostet, zerschossen und verbeult, und weil es das einzige war, glaubte sie, daß es das endlich sein müßte.

      „Links jetzt, bitte links!“, schrie sie auf, aber zu spät, denn sie waren schon daran vorbei gefahren, „Das muß es sein, hier gibt es sonst nichts. Glaub mir, links war richtig! Ich schwöre es dir!“ Sie duzte ihn plötzlich, und es war ganz selbstverständlich.

      „Ja, du hast recht,“, sagte er, „ich erkenne es wieder!“ Er wendete direkt auf der Straße, und fuhr zurück. Ja, es war wirklich diese Abzweigung, die sie gesucht hatten, jetzt auf der rechten Straßenseite, die in die Berge führte. Gezwungen ruhig sagte sie,

      „Dort hinauf geht es also!?“

      Doch als sie die schräge, entsetzlich steile Geröllfläche in der ganzen Ausdehnung überblickte, durch die sich die Straße nach oben wand, rief sie, „Doch nicht da hinauf! Nein, das will ich nicht!“ Er lachte einfach, dieser ahnungslose Junge!

      Je höher sie fuhren, desto kahler wurde der Berg, desto feiner die Luft, desto durchsichtiger der Himmel. Das Meer erschien manchmal nah, manchmal weit weg, wie in manchen Reisen ihrer Träume. Schließlich war die Straße nur noch eine Geröllpiste, und ab und zu flogen kleine Steine gegen den Boden des Wagens.

      Bei einer Kehre sah sie das Meer unter sich, unvermittelt zu Füßen eines lotrecht abfallenden Felsens, wie aus der Höhe eines riesigen Turms, der nur Stein war, nackt und riesig, und vom kürzlichen Regen sauber gewaschen. Endlich waren sie daran vorbei!

      Abergläubisch zählte sie die Kehren. An der dreizehnten Steilkehre begann es. Sie spürte es kommen, machte sich steif, stemmte sich ab, drückte sich mit den Füßen gegen das Bodenblech des Wagens, mit solcher Kraft, daß sie befürchtete, eine Beule in das Blech des alten Autos zu treten.

      „Nicht so schnell!“, flüsterte sie.

      „Der Wagen kann noch schneller . . . “ und er lachte, legte sogar seine Hand auf ihre Knie, „Du brauchst nicht mitzubremsen!“ So versteinert war sie vor Angst, daß sie nichts mehr zu sagen wagte. Es ist mein Ende, dachte sie, ich vergehe, ich löse mich auf, wenn er weiter hoch fährt!

      Bei jeder Kehre verging sie von neuem.

      „Herrlich . . . ,“, sagte er, „obwohl unpraktisch, mit einem solchen Wagen!“ Er bremste, kuppelte aus, weil er einen niedrigeren Gang einlegen mußte. Sie litt - und er genoß es! Wie ungerecht! -

      Wie konnte man nur eine derartige Straße fahren? Und diese ständigen Steilkurven an Abhängen, wo nur Wahnsinnige so schnell hindurchrasen konnten. - Warum hatte sie nicht gleich gemerkt, daß etwas mit ihm nicht stimmte?

      „Wie soll denn da oben noch ein Dorf sein?“ Hier oben konnte es überhaupt kein Dorf geben, hier war nur noch Wind und eine steile Straße, die sich den Berg hinaufquälte, mit diesem gelben Auto, das jeden Moment mit ihnen beiden den Abhang hinabstürzen mußte.

      Er verstand natürlich nichts. Männer begreifen nie, was in Frauen vorgeht. - Er erzählte ihr etwas von Dörfern, die man aus Angst vor arabischen Korsaren so hoch in die Berge gebaut hatte, selbst noch zu Schinkels Zeiten hatte es sie gegeben, und daß die Amerikaner damals ein Kriegsschiff ins Mittelmeer geschickt hatten, um diesem Piraterie-Unwesen ein Ende zu bereiten, - wie sie so oft einem Unwesen endlich ein Ende machen wollten, doch damals wie heute meist völlig erfolglos.

      Gut, diese Korsaren, dachte sie, die alten waren doch aber seit zweihundert Jahren fort, vertrieben, und die neuen hatten anderen Methoden. Da reichte ein Tapetenmesser. Die Zeit gebärdete sich doch so modern! Warum konnte man die Dörfer nicht nach unten verlegen, ihr zuliebe?

      „Und die Silbermine?“, fragte er.

      „Die auch!“, murmelte sie verstört. Er lachte. Wieder eine Kehre, bei der alles neben ihr wegsackte, um dann plötzlich als riesige Wand neben ihr wieder aufzutauchen und sie zu erschlagen. Nur Geröll, Gesteinsbrocken, schwarz und braun, dazwischen wuchsen weiße Kerzen. Asphodelos, Affodil, die Totenblume, ein Totenacker am Hang, ein rhythmisch aufheulender Motor. -

      'Eine Silbermine?' - Jetzt war das Wort bei ihr angekommen, in seiner Bedeutung. Er suchte also eine Silbermine! - Wirklich, einem Wahnsinnigen war sie in die Hände gefallen, einem Phantasten! - Obgleich er eigentlich, rein äußerlich, mit seinem hohen, knochigen Wuchs, mit seinem roten Haar und der hellen Hautfarbe eher jenen Eroberernaturen glich, die nie fehlgehen. Sie musterte ihn mißtrauisch und genau. Wo sollte hier eine Silbermine herkommen?

       Er ließ sich sogar herab, ihr alles zu erklären. Man hatte ihm gesagt, wer, spielte keine Rolle, daß am halben Hang des Monte Largo eine Grube silberhaltigen Bleis lag, eine Art Bergwerk, das aber seit einigen Jahren stillgelegt war.

      Immerhin sollten der Besitzer, er sei Witwer, habe er gehört, mit einer Haushälterin oder Frau und einem Sohn und einer jungen Tochter noch dort oben in dem Haus wohnen, das die 'Direktion' gewesen war, und darauf warten, daß irgend jemand sich melde, die Abbauarbeiten wieder aufzunehmen.

      Im Auftrag einer Bergbaufirma, die Gruben in ganz Europa, ja in der ganzen Welt besaß, hauptsächlich Zinngruben, sollte er, Raphael, die alte verlassene Mine erkunden. Er kam als Privatmann getarnt, um einen vernünftigen Preis zu erfahren, hätte auch Verhandlungsvollmacht, sogar für einen Kauf.

      „Wie geht es dir?“, fragte er endlich. Ihr ging es so schlecht, daß seine Nachfrage höhnisch in ihren Ohren klang. Sogar immer schlechter!

      „Du bist blaß!“, stellte er erschreckend nüchtern und sachlich fest.

      „Nein! Ich bin gar nicht blaß!“, behauptete sie, „Schau auf die Straße!“

      „Keine Angst, ich bin ja bei Dir!“, versuchte er, sie zu beruhigen.

      „Es wird schon gehen!“, murmelte sie.

      Sie konnte doch nicht zugeben, ihm, dem immer noch Fremden, - wie alles unter ihr, neben ihr und in ihr verrutschte, - diese wahnsinnige Straße, er, dieses Auto, - wie der Himmel schon schräg stand - und wie alles begann zu kippen, mit all ihren Plänen und seinen Plänen und dem ganzen Silberbergwerk; - wie etwas in ihrem Gehirn sich schräg legte und alles Blut in eine Ecke des Schädels rann, sich dort sammelte, sich schon einen Weg bahnte, um mit einem Mal einfach durch den Knochen zu brechen, - und dann wäre es endlich vorbei!

      „Halten wir an!“, bat sie.

      „Wie?“

      „Bitte anhalten!“, sie konnte nur noch flüstern; doch er rief fröhlich:

      „Wir sind doch gleich da!“

      Waren die Kopfschmerzen nun schlimmer oder die Übelkeit? Diese Frage lenkte sie ab, doch nur kurz. - Nein, die Kopfschmerzen waren nicht das Schlimmste, - die Hilflosigkeit, das Ausgeliefertsein war ärger. Und sie war auf einmal verzweifelt, daß ihr der Name dieser Stadt da unten am Meer nicht einfallen wollte. Diese Stadt, die sich um den Normannenfelsen herum das Meer entlang drückte. Es war so wichtig, etwas zu wissen, sie war weniger verloren, wenn sie den Namen dieser verzweifelten Stadt jetzt wußte! - bis endlich die ersten runden Wachttürme sich zeigten, endlich eine Geröllhalde sichtbar wurde, die Abraumhalde, und plötzlich, bei einer neuen Biegung der Straße, das Dach eines Hauses auftauchte.

      Raphael hielt den Wagen jetzt an. Eine Art natürlicher

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