Täubchen alla Boscaiola. Martin Schlobies
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Plötzlich machte er ihr den Vorschlag, nach Agrigento zu fahren, ja, die Tempel dort! - „Nein, bitte nicht!“ widersprach sie heftig. - Mit wem sie die Tempel früher gesehen hatte, - es war ihr Mann, auf ihrer Hochzeitsreise, das ging ihn doch eigentlich nichts an, oder? Deshalb sagte sie es ihm auch nicht, sie wolle sie einfach nicht noch einmal sehen, er sei nicht der Grund dafür. Sie hätte genug Tempel gesehen in diesem Leben, nun seien Bäume dran, Berge, und Felsen, das Meer. Man müsse gelegentlich die Objekte der Anschauung wechseln.
Allein habe er keine Lust, gestand er enttäuscht; das sei einfach ein bißchen viel Kultur für ihn! Schnell lenkte sie ein, „Die Tempel, vielleicht später . . . Heute nicht!“, sie mußte das jetzt ablehnen, - sie wollte ihm doch nicht zeigen, wie schnell sie ihren Wunsch, allein zu sein, vergessen hatte, - wie sehr sie in Gefahr war, sich an ihn zu gewöhnen, in dieser kurzen Zeit.
„Ich will ein bißchen hier in der Gegend herumstreifen und malen, dort oben vielleicht, am Kamm!“, und als sie die Augen wieder hob, um den Weg zu messen, den sie heute zurücklegen wollte, fühlte sie sich tatsächlich vom Zauber dieses Himmels umfangen, und war darüber sehr erleichtert, von diesem Himmel, der jetzt glasklar war und grün erglänzte, - und wie stark war der Kontrast zu den dunklen violetten Bergketten davor, die in der klaren Luft wie mit dem Messer ausgeschnitten erschienen.
„Nun gut!“, sagte er, schien aber kaum berührt zu sein von ihrer Absage, und sie ärgerte sich ein wenig darüber. „Ich denke, die Leute werden das abräumen . . . “ Er verabschiedete sich, stand auf, stieg in seinen Wagen und fuhr davon.
Verwirrt blieb Pauline zurück, sie kam sich plötzlich so verlassen vor! - Da fiel es ihr glücklicherweise ein: Sie mußte, bevor sie zum Malen ging, zum Arbeiten, wie sie es gern nannte, noch ihren Jungen anrufen! - Jetzt waren sie vielleicht schon auf Rügen oder auf Hiddensee, und würden bei den Freunden dort übernachten; - bei gemeinsamen Freunden, den Altendorfs.
Im Restauranthaus, hinten in der Küche, hörte sie am Telefon erst die Stimme ihres getrennten Mannes, des Kindsvaters, wie sie immer sagte, dann die kleine dünne Stimme ihres Jungen, „Ja, Mammi, gut, Mammi, wir waren heute baden, nein, im Schwimmbad; ich habe ein Fernglas bekommen und eine Lederhose . . . “, und während sie dem Jungen zuhörte, der aufgeregt dieses Ferngespräch mit seiner fernen Mammi führte, und alle seine kleinen wichtigen Neuigkeiten aufzählte, dachte sie über Raphael nach.
Diese Leichtigkeit, mit der sie sich trotz ihrer Verlegenheit verständigen konnten, die Leichtigkeit, die dieser große kräftige Mann um sich verbreitete, diese Unkompliziertheit als Lebensform, konnte ihr vielleicht einen Teil ihrer verloren gegangenen Leichtigkeit zurückgeben. - Als sei irgendetwas weit Zurückliegendes, Verschüttetes wieder aufgefunden worden. Etwas, was zu ihr gehörig gewesen war. Was sie schon lange nicht mehr geglaubt oder erlebt hatte. Etwas, was in Vergessenheit geraten war, weil es so einfach war. - Gerade diese Einfachheit machte sie glücklich.
Plötzlich, mitten im Ferngespräch mit ihrem kleinen Philip, war da eine Hoffnung, glücklich sein zu können, denn das war sie ja, sofort glücklich mit ihm! Sie wagte es kaum, sich das einzugestehen.
„Tschüs, Philip,“, sagte sie zerstreut, „Bleib gesund und grüße deinen Papa!“
Als sie das Gespräch bezahlte, lächelte die Frau des Hauswarts sie verständnisvoll an, sie hatte es ihrem Gesicht angesehen, ja, sie hatte es sofort gesehen!
„ . . . mille trecento . . . “, sagte die Hauswartsfrau. Pauline bezahlte wie unter einer Betäubung; mille trecento, es war sehr billig.
5. Kapitel
Castellina al Monte Largo ist eine kleine Stadt in den Bergen im Westen Siziliens, fast ein Dorf, aber eine kleine Welt in der Welt. - Ausgestreckt auf sieben Hügeln, - nur ein wenig kleiner als Rom, - gewundene, krumme Straßen und Gassen, kleine, graue oder ehemals ocker gestrichene Häuser, viele leer oder verfallen, und die meisten verloren in einer ewigen Verlassenheit. Und an den Abenden im September erhebt sich langsam hinter den Hügeln ein roter und riesenhafter Mond, der wie eine Botschaft aus einem anderen Jahrhundert ausschaut.
Was für verwirrende Gegensätze birgt dieser Ort! An manchen Häusern hängen festgefügte hölzerne Balkone, hinter deren Jalousien man blasse, schwarzäugige Frauen reinsten Blutes hervorlugen meint - oder ihre finster blickenden, stolzen Brüder; doch die Zeit und der Staub haben alles in einen ewigen Schlaf versenkt. Statt der Mönche aller möglicher Orden laufen Ziegen herum mit ihren immer fragenden Gesichtern. In den kleineren Gassen sitzen ein paar schwarzgekleidete Frauen einsam auf ihren Stühlen vor ärmlichen Häusern und enthülsten Bohnen. Wenn ein Fremder an ihnen vorbeigeht, heben sie kaum die Augen und wagen den fremden Mann nur verstohlen zu mustern.
Heute war Castellina so totenstill, als ob überhaupt keine Menschen hier lebten. Die einzigen Wesen, die sich an diesem Septemberabend zu regen schienen, waren Fliegen. Fliegen summten an den Fenstern der 'Apotheke Meirelas', wo dunkle, mit Medizinen gefüllte Flaschen eingezwängt zwischen Hautwässern, Schwämmen und Pflastern standen. Auch an der Schaufensterscheibe, hinter der Sonnenbrillen, Kinder-Spaten, rosa Puppen und Tennisschuhen, nebst anderen hier schwer verständlichen Waren lagen, tanzten die Fliegen.
Sie krabbelten hinter einem Eisengitter über den leeren, blutbespritzten Hauklotz der 'Fleischerei von Signor Conardo - Verkauf von Fleisch und Honig'. Und der sandfarbene Hund, der mitten vor der Fleischerei auf der Straße lag, den Kopf zwischen den Pfoten, schnappte mit geschlossenen Augen nach den Fliegen, die ihn belästigten.
Aus einem kaum erleuchteten Gewölbe neben dem Laden lief Blut auf die Straße und der Fleischer, Signor Conardo kam gerade heraus und trug mit steifen Beinen und durchgedrückten Knien ein ausgenommenes Schwein auf dem Rücken in seinen Laden.
Ihm war eine grimmige Freude über das geschlachtete Tier ins Gesicht geschrieben, - seinem Lächeln nach zu urteilen, hatte er es sogar eigenhändig geschlachtet, - und so war es auch. Das Schwein war gerade erst getötet worden; seine Augen waren noch klar, doch sie sahen ins Leere, mit dem vorwurfsvollen Blick der gequälten Kreatur.
Aus der Wohnung über dem verstaubten 'Kolonialwaren-Laden' neben der Fleischerei drang jetzt das Kreischen eines Radios, das plötzlich abgedreht wurde, dann unvermutet ein unterdrückter Schrei, der eine Frau auf der Gasse übermäßig zusammenfahren ließ, danach das schwere Seufzen eines Menschen, der ungestört schlafen möchte.
Diese Frau, die in diesem Moment an dem Fleischergeschäft vorüber ging, war Luisa, die junge Frau Signor Botellos. Sie schüttelte sich unwillkürlich, als sie das tote Schwein auf dem Rücken des Fleischers sah. Sie selbst schleppte zwei Einkaufsnetze, die viel zu schwer schienen für ihre schmale Gestalt. Den Kopf hatte sie mit einem schwarzen Tuch verhüllt. Doch trotz der schweren Last, die sie tragen mußte, hatte ihr Gang eine eigentümliche Grazie und Würde.
Luisa wagte es einige Schritte lang nicht, fest aufzutreten, immer noch beladen vom Anblick des gerade eben geschlachteten Tieres. Als sie längst an der Fleischerei vorüber war, am Ende der Gasse, kam es ihr vor, als fühlte sie es immer noch im Rücken, den leeren Blick der toten Augen, wie eine wahnsinnige Erscheinung, und dann war es nur noch ein kleiner Seufzer, den sie auszustoßen wagte: „Muß das eigentlich sein, daß in diesem elenden Dorf fast auf der Straße geschlachtet wird?“
Inzwischen war sie zu einem kleinen ausgetrockneten Bach abgebogen, schritt über eine kleine Brücke und befand sich in einer kleinen Gasse, an deren Ende sich ein kleiner Platz vor ihr öffnete, Einige schöne