Täubchen alla Boscaiola. Martin Schlobies
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Читать онлайн книгу Täubchen alla Boscaiola - Martin Schlobies страница 6
„Luisa war noch viel jünger! Überleg einmal!“
„Ich hätte besser aufpassen sollen!“
„Man kann eine junge Frau nicht gut einsperren. Außerdem: vergiß nicht! Sie wurde dir schließlich anvertraut!“
„Und wie hat sie das Vertrauen belohnt?“ Der Alte brauste auf.
Die Erinnerung an die erlittene Ungerechtigkeit verlieh ihm Kraft. Und nun bekannte sich dieser Pfarrer, sein alter Kamerad, der doch ein abgeklärtes und friedliches Leben führte, sogar noch zu einem Leben in der Ungerechtigkeit, das aber er, Botello, ertragen sollte? Er fühlte sich nackt und wehrlos und betrogen und sah in dem Pfarrer schon wieder seinen Feind.
„Hast du ihr denn eigentlich jemals vertraut?“, sagte der Pfarrer jetzt.
„Ja, wenn ich die Wahrheit wüßte . . . “, antwortete der Alte ausweichend, denn er fand die Bermerkung seines Freundes hinterhältig.
„Würdest du ihr dann vergeben können?“, bohrte der Pfarrer weiter.
„Wenn ich sie wüßte! - “
„Vergeben ist immer schwer. - Vergessen ist leichter.“, sagte der Pfarrer.
„Kannst du selbst denn - wirklich vergeben?“, fragte Signor Botello und sah den Pfarrer prüfend an.
„Ob ich es wirklich kann,“, antwortete dieser, „Das weiß ich nicht, aber es gab einen, der es konnte.“
„Das ist lange her!“
„Lange zwar, aber nicht so lange, daß es vergessen wurde.“
Signor Botello schwieg, und dabei kam ihm ein anderes, neueres Unrecht in den Sinn, etwas, das sich immer wieder ereignete hatte und weiter ereignete. Beim Denken daran fing er an, sich erneut zu erregen, bis es endlich aus ihm herausbrach:
„Weißt du,“, sagte er mit ärgerlicher Stimme „daß Toccabellis Schweine schon wieder in meinem Kohlgarten waren?“
„So?“ murmelte der Pfarrer wenig interssiert und starrte auf das Wasser hinab.
„Wenn das noch einmal passiert, werde ich etwas tun müssen!“
„Was denn?“, fragte der Pfarrer.
„Ich habe schon eine Idee!“
„Ach, - und welche?“
„Das werde ich dir gerade verraten.“, sagte Signor Botello listig, und malte sich in Gedanken aus, was er zu tun gedachte.
„Wie du willst! Was habe ich mit Toccabellis Schweinen zu tun?“
„Du - nichts! Aber ich! Drei Kohlköpfe haben die Schweine gestern gefressen!“
„Von wievielen?“, fragte der Pfarrer.
„Das spielt keine Rolle!“, erwidert Signor Botello aufbrausend und rüttelte an seiner Angel, als sei diese eine Waffe, „Außerdem fressen sie die Eicheln in meinem Eichenwäldchen!“
„Laß sie fressen!“, sagte der Pfarrer gleichmütig, „Du ißt sie doch nicht! Aber du lenkst ab. Was ist nun mit Luisa? Wirst du dich mit ihr versöhnen?“ Eine Zeitlang herrschte Schweigen, nur das sanfte Murmeln des Wassers war zu hören, und ab und zu der Gesang einer Lerche hoch oben im Himmel.
„Ich traue den Menschen nicht mehr!“, sagte der Alte endlich, „Oder anders gesagt: ich traue ihnen alles zu!“
„Auf diese Weise kommt man dazu, Freundschaft mit den Steinen zu schließen.“, sagte der Pfarrer.
„Wenn ich die Wahrheit wüßte!“ wiederholte der Alte und fühlte sich ertappt.
„Das würde auch nichts ändern! Die arme Luisa hat nun lange genug gelitten.“
„Ich habe mehr gelitten . . . “
„Vielleicht noch nicht genug!“
Bei diesen Worten überkam den Alten wieder die Erinnerung und die Wut und die Scham und die Empörung und der alte Schmerz und er kam sich auf einmal wie frisch betrogen vor.
„Genug! Herr Pastor!“ rief er, „Soll ich etwa in Deinen Orden eintreten?“ Der Pfarrer blieb ganz ruhig,
„Das ist nicht notwendig!“
„Du redest von Dingen, die nur Dichter und Heilige verstehen können.“ Der alte Mann sprang auf, warf seine Angelrute wütend über die Schulter, „Ich kann nicht vergeben! Ich kann nicht verzeihen!!“ und stapfte ohne Gruß davon.
Der Pfarrer begriff, daß er die Schraube überdreht hatte. Nun würde es eine ganze Zeit dauern, bis er wieder mit dem alten Botello würde reden können. Er war einen Moment lang unwillig, wunderte sich über die schroffe Art und Weise, in der sein Kamerad verschwunden war, sah ihm nach, ruhig, neugierig, was nun geschehen würde. Es geschah nichts. Er zuckte mit den Schultern und wendete sich zum Bach, sah voller Geduld auf den Kork, der im Wasser schwamm. Dann erhellte sich seine Miene, ein überirdisches Leuchten verschönte seine Züge, sein Kork hatte begonnen, irrsinnige Kreise zu ziehen und er wußte, - endlich hatte der Berghecht angebissen!
4. Kapitel
Pauline hatte zum ersten Mal, in all den Wochen, seit sie hier oben in diesem ehemaligen Bauernhof lebte, schlecht geschlafen. Immer wieder hatte sie wachgelegen. Der Boiler im Bad hatte geknistert, eine Mücke gesirrt im Zimmer. Trotz der Steinböden hatte es ständig irgendwo in dem weitläufigen Haus geknarrt, hatte es unerklärliche Geräusche gegeben, eine zitternde Unruhe die ganze Nacht hindurch. Erst gegen Morgen war sie etwas fester eingeschlafen.
Die Pferde hatten sie dann geweckt mit ihrem Wiehern. Noch im Nachthemd und Morgenmantel ging sie hinaus in den Garten. Draußen war es frisch und auf dem Gras lag noch Tau. Rasch pflückte sie ein paar kleine Blümchen, und eilte zurück in ihr Zimmer, immer in Sorge, Raphael in diesem Aufzuge zu begegnen.
„Guten Morgen, Philipp!“, begrüßte sie das Foto ihres Sohnes auf dem Nachttisch, „Herzlichen Glückwunsch!“, und legte die kleinen Blumen davor. - Nachher mußte sie ihn anrufen! Unbedingt! Nicht vergessen! -
Ihr Sohn, der jetzt in den Ferien bei seinem Vater war, war heute zehn Jahre alt geworden; - der erste Geburtstag, den er ohne seine Mutter erlebte. Wie würde das sein für ihn? Wahrscheinlich würde sein Vater mit ihm im Motorsegler an die Ostsee fliegen, nach Rügen, das war des Jungen sehnlichster Wunsch gewesen. Jahrelang hatte sie sich dagegen gewehrt, daß er den Jungen in diesem zerbrechlichen Gerät zum Fliegen mitnahm, jetzt war es nicht mehr zu verhindern.
Diese Ferien in Sizilien hatte sich Pauline so schwer erkämpft, auch gegen eigene innere Widerstände erstritten, - wenigstens für ein paar Wochen die Pflichten loszuwerden, sich einmal für lange Zeit, - sechs Wochen waren es! - ganz der Kunst, ihrer geliebten Bildhauerei und der Malerei widmen zu können, diesen alten Traum endlich einmal leben, nicht immer nur davon träumen!
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