dem Fenster an der Wand gelehnt. Seine Miene zuckte nicht einmal, als er sich Damion zuwandte. »Nicht bei diesem Bastard, Damion. Niemand darf jemals davon erfahren. Das Kind muss vom Hof. Lasst es zu eurem Onkel auf Burg Rotstein bringen. Er soll anstatt euer, das Kind als seinen Sohn aufziehen.« Mit einer gewissen Resignation in den Gesichtszügen drehte sich Damion von dem Hochlord ab. Leise befahl er, untermalt von einer wegwerfenden Handbewegung, den Vorschlag seines Beraters in die Tat umzusetzen. Die Anwesenden verstanden den Wink des Monarchen. Mit der jungen Frau an der Seite verließ Lord Jester den königlichen Raum. Tarm Lorin schloss sich ihnen nach anfänglichen Zaudern an. »Dieses Kind ist eine Gefahr. Es ist und bleibt ein Bastard und darf niemals König werden«, murmelte Lorin wie beiläufig, blickte jedoch lauernd zu seinen Begleitern. Sehr wohl ahnend, was der Hochlord zu bezwecken versuchte, drehte sich Deirdre zu diesem um. »Eines Tages, wenn dieser Knabe sein Schicksal anzunehmen vermag, möge dieser Knabe auch der König sein.« »Richtig, wenn er denn vermag. Das wird jedoch nie der Fall sein. Welcher windige Zauber sollte genau das bewirken?«, spöttelte Lorin. Augenblicklich wurzelten sich Deirdres Füße auf den Treppenabsatz fest. Einige Stufen unter ihr stehend bleibend, wandten sich ihr Vater und der weiterhin spöttisch dreinschauende General und Hochlord zu ihr um. »Die Zukunft wird es zeigen und auch ihr werdet euren Platz in dieser Geschichte einnehmen. Wir werden sehen, ob zum Guten oder Schlechtem, Kriegsherr.« In den Augen des Hochlords flackerte es kurzweilig auf, bevor er missmutig in seiner klirrenden Rüstung davon stapfte. Er hatte nichts übrig für solche Art von Diskussion. Besonders war er nicht Willens auf den Rat anderer zu hören. Er zog es vor, selbst Ratschläge zu erteilen. Es wurde sogar gemunkelt, das er in diesem Bezug einen erheblichen Einfluss auf seinen Freund, den König, hatte. Genau das war das Gefährliche an diesem Mann. Er war eine Bedrohung für den Frieden, denn die Gedanken des Kriegsherrn waren mit unerschütterlichem Hass auf das Nachbarreich getränkt. »Wir gehen ein erhebliches Risiko ein«, ließ Lord Jester verlauten. Seine stechenden Augen fixierten die Magierin, die seine Tochter war. Deirdre lächelt schwach. »Mag sein! Doch gehört Risiko nicht zum Spiel des Lebens dazu?« Beinahe verlegen strich sie sich eine Falte ihres schwarzen langen Gewandes glatt. »Der Name meiner Mutter bringt mir diese Verantwortung ein, liebster Vater.« »Ich muss etwas verpasst haben. Wann kam es dazu, dass Kinder ihre Väter in Weisheit überflügeln?« Der Lord fuhr sich über seinen kahlen Schädel und in seinem bärtigen Gesicht zeigte sich eine Spur Wehmut. »Überlass die Nachforschungen deinem Bruder. Deine Zeit wird kommen, wenn in ferner Zukunft ein Bastardprinz den Thron besteigen wird.« »Es ist Vaters Wille, dass du dich zurückhältst«, beharrte Merthed wenige Tage später. Seine Jungenhaftigkeit irritierte sie stets. Deirdre mochte die ältere sein, aber Merthed war es zugetragen worden die Forschungen voranzutreiben. Sie sollte sich genügsam geben und sich den alten Schriften zuwenden. Aufzeichnungen über längst vergangene Zeiten, Orte und Taten, an die sich niemand mehr erinnerte. »Ich habe Verpflichtungen gegenüber den Namen meiner Mutter«, beschwerte sie sich. Unwirsch winkte Merthed ab. »Pflicht! Sie wird allenthalber hochgeschätzt und ebenso missbraucht. Und was den Namen deiner geschätzten Mutter betrifft, solltest du allein aus diesem Grund im Hintergrund bleiben.« »Ich habe Angst um dich. Wenn …« »Ich werde aufpassen. Sollten mich die Krieger der Schöpferhäuser erwischen, ist es eine Sache. Bekommen sie dich in ihre Hände, stirbt der Name Nilrem endgültig mit dir.« Er schlug den schweren Folianten mit Wucht zu, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Feine Staubkörnchen wirbelten aufgescheucht durch die Luft. »Lerne und bereite dich vor. Eines Tages wird auch deine Zeit kommen, dann werde ich dich in meine Forschungen einweihen.« Daraufhin tat Deirdre wie ihr geheißen. Sie las und studierte. Sie blickte ihrem Bruder, der mit jedem Tag älter wurde, während sich bei ihr die Frische der Jugend hielt, über die Schulter. Sie lernte von den fernen Orten und anderen Welten. Sie erfuhr die Geheimnisse und Wunder der altvorderen Zeit, in der Panera ein Paradies hatte sein sollen. Gegründet von Göttern, Menschen, Elfen und Zwergen gleichermaßen. Sie las von den Menschen, allen voran den Magiern von Nemibistar, die es zu der Macht des Einen, den obersten aller Götter, zog. Sie erlangte Kenntnis von dem Zorn des Schöpfergottes, der daraufhin die Stadt des Lichts zerstörte und den Sturm der Anderen entfachte. Auf das sie alle nur ein Schatten ihrer selbst wurden. Die Menschen wanden sich in ihrer Verzweiflung ob des Fluches dem Gottesoberhaupt zu. Er erhörte ihr Flehen nicht. Einzig seiner geliebten Karmaste schenkte er Beachtung. Ein Fehler folgte dem anderen. Während die Elfen ihre Wurzeln in der Tiefe der Vergessenheit ruhen ließen, wurden sie von den Menschen bekämpft und unterdrückt. So wurden sie mehr und mehr wie sie. Die Zwerge hatten lange alles hinter sich gelassen und wandten sich dem Glauben ihrer Ahnen zu. Sie rühmten sich der Bewahrung allen Wissens und doch vergaßen sie, dass ihr Weg einst derselbe von Mensch und Elf war. Alles war vergessen. Entschwunden im Nichts. Genau dort, im Nichts, im Jenseits befand sich eine letzte Hoffnung, um den Hauch der alten Zeit erneut über die Welt wehen zu lassen. Nicht um Altes neu aufleben zu lassen, sondern um die Menschen daran zu erinnern, was war. Deirdre begriff in ihren Studien: Es war des Menschen Verhängnis, das er vergaß. Der Drachen war die Weisheit der Sterne und die Sterne waren der Sitz des Einen und seinen Göttern. Etwas Kaltes berührte die Hand der Zauberin. Kluge rehbraune Augen blickten sie an, als sie aufschaute. »Mich würde es nicht wundern, wenn du Gedanken lesen könntest«, raunte sie dem Struppeltier zu. Wie zur Bestätigung winselte der Hund auf. Ihr Gegenüber regte sich Es war Sebyll, die sich an ihrem Feuer bequem gemacht hatte. Mit unergründlichem Blick schaute die Gryposfrau die Zauberin an.
* * *
Lutek hatte sich mit Kelthran, Thorgrim und zwei Hütern am darauffolgenden Tag zur Nahrungssuche verabredet und waren früh abmarschiert. Celena schlenderte derweil gelangweilt alleine durch die Ruinen. Ihre Augen blieben auf eine Truhe haften, die durch äußere Gewalteinwirkung ein wenig lädiert schien.
Die Kiste, welche sich ohne große Einwende öffnen ließ, barg einen wahrlich alten Tropfen und einige wenige Silberstücke. Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, steckte sie sich die Münzen pfeifend in ihren kleinen Beutel.
Der Inhalt des geborgenen Schatzes, welches sie wenig später vor sich hertrug, sah durchaus noch trinkbar aus. Allerdings war die Schrift auf den Gefäßen bereits verblasst und kaum noch zu entziffern. Schalk stand ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben, als sie an jenen dachte, den sie mit ihrer Errungenschaft beehren wollte.
Er saß entfernt von den anderen an einem kleinen Feuerchen. Nach seiner mürrischen Miene zu urteilen, schien er es vorzuziehen, alleine zu bleiben. Celena war das in diesem Moment egal. Sie war zwar nicht in Feierlaune, doch ein Schlückchen in Ehren … Thorgrim wusste mit Sicherheit Derartiges zu schätzen. Also, warum nicht auch dieser vor sich hinbrütende Kerl.
Tatsächlich waren Belothars Gedanken mehr als verworren. Auf nichts konnte er sich lange konzentrieren. Eine Sache lag ihm auf den Magen. Immer und immer wieder, einem sich unaufhörlich drehendem Mühlrad gleich, schwirrte der eine Name in seinem Bewusstsein herum. Nacud. Es war jedoch nicht sein alter Mentor, welcher überraschend vor ihm stand. Es war seine Waffenschwester. Voll beladen mit Gefäßen, grinste sie ihn schelmisch an.
»Wie wäre es mit ein paar Schluck geistvoller Erfrischung?«
Ohne eine Einladung seinerseits abzuwarten, ließ sich Celena neben ihn in auf den Boden fallen. Grinsend reichte sie eine der bauchigen Gefäße vollen rot trüben Mostes weiter.
Die festsitzenden Verschlüsse sträubten sich nicht lange dagegen, das kostbare Tröpfchen gefangen zu halten. Ein lauter Blubb und die Stopfen landeten im Schnee. Herzhaft stießen die beiden Freunde an.
Der erste Schluck breitete sich mit süßer Aufdringlichkeit in der Mundhöhle aus. Vergorener Traubensaft kitzelte den Gaumen. Man mochte die Flüssigkeit nicht die Kehle hinunterrutschen lassen.
»Auf was trinken wir, Verehrteste?« wollte Belothar in Erfahrung bringen.
Allzu oft kam es nicht vor, dass sie gemeinsam rauschträchtige Behältnisse leerten.
Celena stülpte spitzbübisch die Lippen vor. »Ich weiß nicht!«