Vermächtnis der Sünder Trilogie. Angelika Merkel
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»Tatsächlich?« erstaunte sich der Elf, dessen spitze Ohren offensichtlich jedes der flüsternden Worte vernommen hatte.
»Nun, das …« Lutek breitete die Arme aus und verneigte sich leicht, als wolle er eine Ankündigung unterbreiten. »Verehrter Elf … das wäre rein privater Natur.«
»Zu dumm aber auch! Wie sollte man das schöne Werk benennen?«
Nachdenklich stülpte Lutek die Lippen. »Oh! Wie wäre es mit "die Verse des Verlangens"?«
»Welch ein Titel eines großartigen Werkes. Ein Buch, das man jedem Buchhändler in Arvelis regelrecht aus den Händen reißen wird«, feixte Kelthran.
»Beim Schöpfer!« Lutek, zwischen Abscheu und Anflug von lustgetränkter Neugier, wandte sich ab. »Oder "die göttlichen Hymnen der …"«, murmelte er gedankenverloren. »Wie hieß nur jene Dichterin? Wenn ich mich bloß an ihren Namen erinnern könnte. Verdammt, ich lasse nach. Ich werde alt.«
Kopfschüttelnd und lächelnd blickte Celena dem einstigen osgosainischen Spion hinterher. Sie war nicht älter als fünfundzwanzig Sommer, doch mochte sie für manch einen älter wirken. Auch Lutek wirkte älter als er war, aber alt? Erneut schüttelte sie ihr Haupt, diesmal jedoch um sich von den vorhergehenden Gedanken freizumachen. Sie wollte sich endlich den Neuigkeiten widmen, die Kelthran mitgebracht hatte.
Dessen abwesende Miene und tiefsinniges Grinsen in seinem Gesicht erinnerte Celena an einen Kater, dem die Katze nicht aus dem Sinn ging.
»Wenn ihr fertiggegrinst habt, könntet ihr eure Gedanken dann auf das Wesentliche richten?«
»Was?« Er schaute sie dümmlich an.
»Euer Auftrag! Nun, was hat Tacio gesagt?«
»Ach das! Er lässt ausrichten, dass er einverstanden sei. Möchte euch jedoch zuvor treffen und das so schnell wie möglich. Er sprach von irgendeiner Befragung?«
»Gut! Je eher um so besser.«
»Das kann niemals gut sein«, mahnte Kelthran. Die feinen Züge des Elfs wurden ernst. »Er hat seinen eigenen Namen unter der flüsternden Bruderschaft. Einen gefürchteten Namen, den selbst die jüngsten in der Gilde nicht auszusprechen wagen.«
»Werde ich endlich von diesem Teufelsvieh heruntergeholt?«, zeterte es von dem Pferd herab, welches erschrocken zu tänzeln anfing. »Beim letzten Furz meines Onkels. Schlimm genug das ich den ganzen Spaß verpasst habe.«
»Oh! Ho!«, zischte Kelthran. »Und ich war der Meinung, diesem Zwerg gefällt es da oben, so ruhig er eben war.«
Nicht ohne die Nase dabei zu rümpfen, half Kelthran Thorgrim aus dem Sattel. »Und Thorgrim«, brummte der Elf. »Dass alles war mit Sicherheit kein Spaß. Fragt die Bewohner des Dorfes.« Kelthran blickte zu Celena. »Wobei, es gibt weitaus elegantere Arten, dem Schöpfer gegenüber zutreten. Das hier war ungehobelt, stillos und ohne jede Freude am Töten.«
»Welch ein Glück, dass ihr euren guten Geschmack für das Töten nicht eingebüßt habt, Kelthran«, meinte Celena zynisch.
Den zynischen Unterton überhörend, strahlte der Elf sie an. Denn obschon er das Leben liebte, stand er dem Tod mit gewissem Gleichmut gegenüber. »Würdet ihr solch einen Tod dem eines angenehmeren vorziehen?«
»Im Vertrauen?«
Die Spitzohren des Elfs wurden sogleich noch spitzer. Erwartungsvoll schaute er sie an.
»Ich ziehe es vor, im Bett zu sterben.«
»Ein wenig langweilig. Findet ihr nicht?« Mit Bedauern verzog Kelthran seine elfischen Züge zu einer Maske von Frustration.
»Oh! Wo denkt ihr hin. Nicht schlafend! Wenn, durch … seine Hand.«
Die Augen Kelthrans weiteten sich. In ihnen blitzte romantisches Entzücken, beigemengt mit beinahe krankhafter Lust.
»Entzückend! Auf dem Gipfel der Lust, den Tod durch die Hand des Geliebten. Welch anmutiger Gedanke. Womöglich mit dankbarer Beihilfe und gegenseitiger Bezeugung von Wonne.«
»Allerdings, einzig die Sauerei danach, vermiest mir den Gedanken«, wähnte Celena mit spitzem Unterton in ihrer Stimme.
Bestätigend nickte Kelthran. »In der Tat, eine unschöne Angelegenheit, wenn sich der Todgeweihte in seinem letzten Akt des Lebens entleert.«
»Genau! Und aus diesem Grund ist am Tod nichts Schönes zu finden.« Mit diesen Worten entfernte sich Celena. Kelthran, sowie auch der zerknautscht dreinblickende Zwerg sahen ihr irritiert nach.
»Eine Frau mit Widersprüchen«, meinte der zurückbleibende Elf.
»Dann geht einfach euren Pflichten als Mann nach«, knurrte Thorgrim in seinem zwergischen rollenden Akzent. »Rute entpacken, die Beine auseinander und …«
»Lasst gut sein, Thorgrim. Es ist nicht jeder ein ungehobelter Holzklotz wie ihr.«
In den Augen Kelthrans glomm ein Hauch von Verliebtheit, erkannte Celena mit einem Blick zurück zu dem Elfen.
* * *
Die knarzende Stimme seines Bruders echote noch immer in seinen Ohren. »Das Gift des Bösen ist ein Todesurteil.« Diese Worte hatte ihm Terzios an den Kopf geschmissen. Wie recht dieser damit hatte. Selbst wenn er, Morco, sich die Frage gestellt hatte, wie nützlich es möglicherweise sein könnte. Dann aber hatte er abgelehnt, als er erfuhr, was es bedeutete. Sie waren verdammt dazu auf den Tod zu warten, der ihr Leben deutlich verkürzte. Dieser Schrecken war kaum zu ertragen. Unvorstellbar für jeden anderen.
Es war unvorstellbar. Hatte er deshalb das Recht Folter zu genehmigen oder zu dulden?
Er dachte an die erbarmungswürdigen Seelen, die im unterirdischen Teil seines Landhauses verweilten. Sie gingen nicht auf sein persönliches Konto. Denn wenn er jemanden tötete, so hatte er nie wirklich gequält.
Trotzdem plagte ihn die Schuld. Sich dessen bewusst, wandte sich der San-Hüter dem einzigartigen Objekt zu, welches ihm gestattete die Sterne zu erforschen. Es erlaubte einen kleinen, flüchtigen Blick in das Universum zu werfen.
Es war Folter für Geist und Körper. Es griff in der Tat das Recht auf Leben an. Es konnte weder gegeben noch entzogen werden. Und doch nahmen sie, die sie sich San-Hüter nannten, einfach das Recht dazu.
Morco schüttelte sein Haupt. Wollten sie wirklich denen folgen, die sie als grausame Herrscher ansahen? Wollten sie wirklich wie jene werden, die mordeten, brandschatzten und sogar vergewaltigten? Sie, die San-Hüter, waren nicht besser. Sie waren schlimmer.
Nachdenklich legte Morco sich einen Zeigefinger auf die Lippen.
Wollten sie tatsächlich so sein?
Manche Taten, manche Schritte mochten unverzichtbar sein zum Wohle aller. Das sagte der Orden. Doch war es tatsächlich so? Gab es tatsächlich stets nur einen Weg? Ein Ziel? Eine Wahl?
Es trat einst jemand in seinem Leben. Sie hatte wahrlich jeden geschulmeistert, der ihr über den Weg gelaufen war. Wilna, die alte Magierin. Sie war bereits alt, zumindest in den Augen eines jungen Mannes, wie er es damals war. Seine Einheit, wie es