Personen - Schutz. Jürgen H. Ruhr
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Ein energisches Klopfen an meiner Seitenscheibe riss mich aus meinen Gedanken. Verwirrt drehte ich den Kopf. Zunächst sah ich nur die langen blonden Haare, dann auch das lächelnde Gesicht. Jennifer! Unser ‚Mädchen‘ für alles. Die hübsche Blonde betreut die Rezeption. Und in dieser Eigenschaft ist sie in diesem ‚Sportstudio‘ natürlich auch bestens mit Kampfsport und Waffen vertraut.
Jenni fuchtelte jetzt mit beiden Händen vor der Seitenscheibe herum. Ich lächelte selig zurück. Dann öffnete diese blonde Maus die Beifahrertür.
„Hallo Jonathan. Hast du Drogen genommen? Du grinst so dämlich! Wieso sitzt du eigentlich seit einer halben Stunde hier im Auto? Ich habe dich über den Überwachungsmonitor beobachtet. Es wäre wirklich schön, wenn du deinen Hintern ins Studio bequemen könntest. Bernd wartet schon in seinem Büro auf dich.“
Mit einem lauten Rums schlug die Türe wieder zu. Ja, so war Jennifer. Immer charmant und direkt heraus. Ich drehte den Zündschlüssel und versuchte eine kleine Melodie auf der Hupe erklingen zu lassen. Ich bin wieder da!
Jennifer drehte sich nicht einmal um. Lediglich der ausgestreckte Mittelfinger zeigte mir, dass sie mein Signal mitbekommen hatte.
„Morgen Jonathan. Schön, dass du es endlich in mein Büro geschafft hast! Bist du im Auto eingeschlafen?“
Offensichtlich hatte Jennifer allen direkt nach ihrer Rückkehr von meinem Aufenthalt auf dem Parkplatz berichtet. Diese alte Klatschtante.
„Guten Morgen Bernd.“ - „Wie geht’s Jonathan?“ Bernd erhob sich und kam lächelnd um seinen Schreibtisch herum. Dann nahm er mich in den Arm. „Willkommen zurück. Wir haben dich schon vermisst.“
Mir kamen die Tränen der Rührung. Welch ein Empfang. Bernd wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch: „Setz‘ dich.“ Dann nahm auch er wieder Platz. „Wie war der Lehrgang? In drei Monaten kann man natürlich nicht viel lernen, aber ihr werdet doch hoffentlich einige Grundlagen im Personenschutz mitbekommen haben?“
Ich nickte. Noch steckte ein Riesenkloß in meinem Hals und mir war kaum zum Sprechen zumute. Gut, dass sich jetzt die Tür öffnete und Jennifer mit einem Tablett voller Brötchen und zwei Bechern Kaffee den Raum betrat. „Schön dich wieder bei uns zu haben, Jonathan.“
Langsam fing ich mich wieder. „Wir haben in den drei Monaten eine Menge gelernt. Leider waren die Personenschutzübungen ein wenig dürftig.“
Bernd nickte. „Du wirst noch genug Gelegenheit finden, deine Kenntnisse in der Praxis anzuwenden. Aber dazu später. Ich warte noch auf Christine, dann erfahrt ihr mehr zu eurem ersten Auftrag als Personenschützer. Aber bis dahin wäre es schon interessant, wenn du mir über deinen Eindruck bezüglich des Seminars etwas Genaueres erzählen würdest. Schließlich planen wir eine engere Zusammenarbeit mit dieser Akademie. Also, wie war dein erster Eindruck, wie war die Unterbringung, wie der Lernstoff?“
Ich schluckte einen Bissen Brötchen herunter und nahm einen Schluck Kaffee. „Nun, die Unterbringung war ganz in Ordnung. Da ich ja keine Kosten tragen muss, ist es natürlich für mich schwierig zu sagen, ob der Preis angemessen ist. Aber die Zimmer waren sauber, wobei wir selbst für Sauberkeit und Ordnung sorgen mussten. Das erinnerte mich ein wenig an den Militärdienst.“
„Inwiefern? Ich denke, du warst nie bei der Bundeswehr?“
„Stimmt, Bernd. Trotzdem hört man ja so einiges. Der gesamte Ablauf, sowie der Ton, erinnerten mich stark an das Militär. Nur höflicher. Das Ausbildungsprogramm hielt man sehr straff und Freizeit wurde uns kaum gewährt. Dafür bekamen wir aber sämtliche Informationen, Bücher und Unterlagen. Einerseits die, die für die Ausbildung erforderlich waren, andererseits alles, wonach wir fragten. Nachmittags und abends stand dann meistens Kampfsport auf dem Plan, was uns natürlich sehr entgegen kam. Besonders Chrissi“, merkte ich schmunzelnd an.
Ich musste an den ersten Tag des Seminars denken. Tags zuvor kamen wir nach einer längeren Bahnfahrt recht spät an, bezogen direkt unsere Stuben und nachdem alle Teilnehmer nach einem kurzen Abendessen noch eine gemeinsame Begrüßung über sich ergehen lassen mussten, freuten wir uns, in unsere Betten fallen zu können. Frauen und Männer natürlich getrennt.
Bei den Zimmern handelte es sich um Vierbettzimmer mit je zwei Etagenbetten. Ich bekam einen Platz am Fenster und zum Glück in der oberen Etage. An das Geschnarche der Kollegen gewöhnte ich mich allerdings erst nach einer Woche.
Der erste Tag verging mit organisatorischen Dingen und einer kurzen Einführung in allgemeine Rechte. Und am Nachmittag folgte direkt ein Kampftraining. Christine konnte den Beginn des Trainings kaum abwarten. Seitdem Monika und Sam ihr einige Krav Maga Techniken beigebracht hatten, war sie Feuer und Flamme für den Kampfsport.
Hier sollten wir zunächst eine Einführung in Taekwondo bekommen und später auch verschiedene Prüfungen absolvieren. Der Trainer war ein Bulle von Mann und nannte sich ‚Dozer‘. In Wirklichkeit hieß er aber Thomas Friedlich. Nomen est omen halt.
Wir bekamen die Kleidung gestellt. Weiße Judoanzüge. Meiner war ein wenig zu kurz, aber es musste reichen. Wir trainierten in einer kleinen Sporthalle, in der auf dem Boden Matten lagen.
Wie sich herausstellte, verfügte kaum einer der Teilnehmer über Erfahrungen im Kampfsport. Dozer erklärte uns die Grundregeln des Sports und zeigte auch bei den dümmsten Fragen eine erstaunliche Ruhe. Endlich befand sich die Gruppe in der Lage, dass wir uns zum Training - wie es bei diesen Sportarten ja so üblich ist - verbeugen konnten.
„Ich freue mich, sie ab heute in die Geheimnisse des Kampfsportes einführen zu können. Das Training wird, jedenfalls soweit es möglich ist, jeden Tag stattfinden.“
Schon ließ sich ein leises Stöhnen vernehmen. Und ein Kichern. Ich schaute mich um. Christine, natürlich. Das entging auch dem Trainer nicht.
„Ja, soweit möglich. Denn selbstsicheres Auftreten und körperliche Fitness sind das A und O des Personenschutzes. Ihre Auftraggeber müssen sich auf sie verlassen können. Schließlich vertrauen sie ihnen ihr Leben an.“
Jetzt entstand ein wenig Unruhe in der Gruppe und ein kleiner, magerer Mann konnte sich einer Frage nicht enthalten: „Aber wir haben dann doch Waffen. Wofür also diese Schinderei?“
Christine kicherte wieder.
Dozer sah erst Christine, dann den Frager böse an. „Egon Selbstki, richtig? Die Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Es kann durchaus sein, dass sie einmal keine Waffe zur Hand haben. Oder ihre Pistole versagt. Ladehemmung oder so ... Dann müssen sie in der Lage sein, sich auch ohne Waffe zu verteidigen und die ihnen anvertraute Person zu schützen. Aber bei dieser Gelegenheit: Falls man es ihnen noch nicht mitgeteilt hat, so erfahren sie es jetzt und hier von mir. Dies ist kein ‚Bezahllehrgang‘ den sie so oder so mit einem Zertifikat verlassen. Sie werden Prüfungen absolvieren müssen und besonders hier im Kampfsport erwarte ich, dass sie mindestens die Prüfung zum sechsten Kup, dem grünen Gürtel schaffen. Das ist jedenfalls eine der Voraussetzungen um das Abschlussdiplom zu erhalten.“
Es wurde totenstill in dem Raum. Lediglich ein leises Kichern ließ sich vernehmen. Christine - natürlich.
Dozer sah sich lauernd um. „Ah, da scheint ja jemand das Ganze sehr, sehr lustig zu finden. Sie sind sehr albern, junge Dame.