Personen - Schutz. Jürgen H. Ruhr

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andererseits spürte ich aber auch kein Verlangen wieder bei meinen Eltern zu übernachten.

      Nachdem letztes Jahr meine Wohnung samt meinem Detektivbüro abgebrannt war, zeigten sich meine Eltern gnädig und ließen mich in meinem ehemaligen Jugendzimmer zuhause übernachten. Nur dumm, dass mein Vater das Zimmer inzwischen für seine Carrera - Rennbahn nutzte, die er vorzugsweise mit seinem Nachbarsfreund betrieb. Wenn ich mich recht erinnerte, durfte ich mit ihm nur einmal ein Rennen fahren. Oder ein halbes Rennen, denn als mein Wagen aus der Kurve flog und krachend auf dem Boden zerplatzte, war es vorbei mit gemeinsamen Autorennen. Mein Vater schloss sogar die Fahrzeuge und Regler weg, damit ich auch ja nicht alleine mit der Bahn spielen würde ...

      „Ich werde mir etwas suchen. Eine Pension vielleicht. Und dann natürlich eine neue Wohnung.“ Aber auf gar keinen Fall in Rheydt. Vielleicht eher schön weit außerhalb. Wickrath, Rheindahlen oder besser noch Wegberg oder so. Genaueres schwebte mir noch nicht vor.

      „Komm doch so lange zu mir. Du weißt, ich habe genug Zimmer. Nur am Abwasch wirst du dich beteiligen müssen.“ Sam lachte leise.

      „Ich werde drüber nachdenken, Sam. Vielleicht für einige Tage, bis ich selber etwas gefunden habe. Ich möchte dir schließlich nicht zur Last fallen.“

      „Wirst du nicht, Jonathan.“ Sam kramte in seinen Taschen. „Hier der Schlüssel. Nur eine Sache: Wenn du hinfährst, achte darauf, dass du nicht verfolgt wirst. Bisher kennt niemand mein kleines Haus und so soll es auch bleiben. Also nimm Umwege und lass dich nicht verfolgen. Mir gefällt mein Zuhause und ich möchte nicht umziehen müssen!“

      „Danke Sam. Das ist sehr großzügig von dir. Vielleicht kann ich mich ja einmal revanchieren.“ - „Ach was, nicht der Rede wert. Nimm das gleiche Zimmer wie damals. Ich muss jetzt los. Grüße bitte Christine von mir.“

      „Mach ich.“

      Inzwischen war ich umgezogen und trug meinen Kampfsportanzug. Ein Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass noch gut eine dreiviertel Stunde zum Trainieren blieb. Die Zeit wollte ich ausnutzen.

      Im Dojo, dem Trainingsraum, unterrichtete Frank gerade eine Gruppe junger Polizisten. Während er die jungen Leute selbständig trainieren ließ, begrüßten wir uns. Auch Frank musste ich über meine Erfahrungen im Seminar berichten; nur diesmal fasste ich mich wesentlich kürzer als bei Sam. Ohne viel Federlesens integrierte er mich in das Training.

      Pünktlich um zwölf Uhr betrat ich frisch geduscht die ‚Bibliothek‘. Dies war der zentrale Raum im Gebäude, ausgestattet mit mehreren Tischen und den dazugehörigen Stühlen. Neben zahlreichen Fachbüchern befanden sich an den Wänden kleine Schrankfächer, in denen jeder seine persönlichen Habseligkeiten verstauen konnte. Ebenso wie die Fächer in der Umkleide oder dem Schießstand ließen sie sich mit einer Codekarte öffnen. Jedes Mitglied im Krav Maga Sportstudio erhielt jeweils einen eigenen Spind in den Räumen. Ich fragte mich, was Bernd machen würde, wenn mehr Mitglieder als diese kleinen Fächer vorhanden waren.

      „Jonathan. Nach deinem Gesichtsausdruck zu schließen, trägst du schwerwiegende Gedanken mit dir herum. Worum geht‘s?“

      Bernd und Christine machten es sich an unserem ‚Stammplatz‘ derweil bequem. Außer uns befand sich niemand in der Bibliothek.

      „Ach, nichts Wichtiges.“ Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich habe mich nur gerade gefragt, was passiert, wenn du mehr Mitglieder als Schränke hast ...“

      Bernd lachte. „Ja, wahrlich. Das sind weltbewegende Gedanken.“ Er wies auf einen freien Stuhl am Tisch. „Die Sache ist aber ganz einfach: Es gibt nicht mehr Mitglieder als Schränke. Richtige Mitglieder - so wie Christine, Monika, Sam, du, und so weiter - bekommen natürlich entsprechende Schränke. Mitglieder, die hier mehr oder weniger nur trainieren, nutzen die Schränke, die frei zugänglich sind. Stell dir das so wie im Schwimmbad vor. Du musst eine Münze einwerfen.“

      „Ach.“ Das war mir noch gar nicht aufgefallen. „Naja, dann ...“

      Christine und Bernd lachten.

      „Ja, manchmal sind die kleinsten Dinge die kompliziertesten ... Aber lasst uns zum Thema kommen. Ich bin froh, dass ihr beide wieder hier seid, denn es kommt einiges an Arbeit auf uns zu. Nicht nur, dass uns ja dieses Jahr wieder einmal ein Wahlkampf ins Haus steht, auch von anderer Seite haben wir Anfragen in Bezug auf Personenschutz erhalten. Erinnert ihr euch noch daran, welchen Auftrag ich vergangenes Jahr hatte?“

      Ich musste überlegen. Dass es damals um Personenschutz ging, war klar; aber wen zu ...

      „Rihanna“, platzte es aus Christine hervor.

      Bernd nickte. „Ja, das war eine ziemlich anstrengende Sache. Wenn ihr‘s keinem weitersagt: die Dame kann ganz schön nervig sein. Aber offensichtlich haben wir unsere Aufgabe so gut erledigt, dass wir weiterempfohlen wurden. Es kommt also dieses Jahr nicht nur der Wahlkampf auf uns zu, zu dem wir auch schon einige Anfragen von Politikern bezüglich Personenschutz bekommen haben, sondern einige Musiker wollen sich ebenfalls dieses Jahr bei Konzerten von uns schützen lassen.“

      „Wow, super“, entfuhr es mir.

      „Dass du so reagieren würdest, dachte ich mir Jonathan. Und es ist auch genau der richtige Einsteigerjob, in dem ihr eure erste praktische Erfahrung sammeln könnt. Sam ist“, Bernd schaute auf die Uhr an der Wand, „jetzt dabei die ersten Verträge abzuschließen.“

      „Wann geht‘s los?“, fragte ich. Endlich ein richtiger Auftrag als Personenschützer. Ich konnte es kaum fassen.

      „Langsam, Jonathan, langsam. Ihr habt jetzt noch fast genau einen Monat Zeit, euch vorzubereiten. Sam wird euch für diesen ersten Auftrag die notwendigen Dinge beibringen.“

      „Aber wir haben doch gerade erst den Lehrg...“, wollte ich protestieren, jedoch unterbrach mich Bernd: „Jonathan. Langsam. Nach eurem Lehrgang in Rendsburg verfügt ihr zwar über allgemeine Grundlagen; ja auch die rechtlichen Seiten werdet ihr in- und auswendig kennen, trotzdem gibt es bei der ‚Betreuung‘ von Stars und Sternchen viele Besonderheiten zu beachten.“

      Christine nickte. „Das wurde im Seminar kurz angesprochen. Man meinte, unsere Erfahrungen kämen aber schon von alleine.“

      „Ja und nein. Meistens ist es nämlich leider zu spät, wenn ihr auf diese Art und Weise eure Erfahrungen macht. Ist der Star erst einmal sauer, dann gibt es auch keine Folgeaufträge mehr. Andererseits, wenn er zufrieden ist - nun, ihr seht es ja am Beispiel von Rihanna.“

      „Also, müssen wir auf der Hut sein, müssen den ‚Star‘ wie ein rohes Ei behandeln?“, fragte ich. Den Job stellte ich mir anders vor, als vorsichtig und diplomatisch auf alles und jedes achtzugeben was man sagte oder tat.

      „So ähnlich, Jonathan. Jeder Star, Musiker oder Musikgruppe hat so seine Eigenarten. Damit müsst ihr euch im Vorfeld vertraut machen. Denkt einmal an diverse Auftritte und Aktivitäten von sogenannten Stars in Hotels. Da wurden auch schon einmal ganze Zimmereinrichtungen in Kleinholz verwandelt. Diese ‚Stars‘ haben das Geld und bezahlen alles großzügig. Also wird solch ein Verhalten allgemein toleriert - solange es nicht allzu sehr über die Stränge schlägt.“

      „Uje, das hört sich aber nicht prickelnd an.“ Mein Bild vom Schutz eines Musikers mit Backstageparty und Musikgenuss wandelte sich schlagartig.

      „Keine Sorge, Jonathan. Für euch beide habe ich einen netten, kleinen Sänger. Genau die richtige Aufgabe für den Start. Er gilt als unproblematisch,

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