Fall eines Engels. Simone Lilly

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Fall eines Engels - Simone Lilly

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mich mit dir zu treffen.“

       „Das ist etwas Besonderes?“

       „Ja, für mich schon.“

       Das laute Kreischen eines Vogels war zu hören, er flog dicht an der Wolkendecke unter ihnen vorüber. Raphal nutzte die Gunst der Stunde, um ihn genauestens zu beobachten. Es geschah selten, dass sich ein Tier so hoch oben bei ihnen bewegte.

      „Du frägst mich gar nicht, was ich tue“, merkte Merlina auf und begann ihre Haare zu flechten, in langen Strähnen legte sie es übereinander. Den Vogel beachtete sie nur kurz.

       „Das tut mir leid.“

       „Braucht es nicht.“

       Peinlich berührt grinste er. Doch es kam ihm eher wie ein unbeholfenes Grunzen vor. „Also, was tust du?“

       „Ich bin noch in der Ausbildung. Ist mein letztes Jahr.“

       „Was möchtest du danach tun?“ Sie zuckte mit den Achseln, genau das, was auch er am Ende seiner Ausbildungszeit getan hatte, und – zugegeben – immer noch tat.

      „Ich weiß es nicht. Ich würde gerne eine Wächterin werden.“ „Was, wirklich?“ Sie nickte und Raphal konnte nicht anders, als sie bewundernd von allen Seiten zu beäugen. Nicht einmal er traute sich Wächter zu werden. Sie mussten schnell sein und die Himmelsmenschen vor ihrem größten Feind bewahren. Sich selbst. Sie hatten ihnen bei schweren Unwettern zur Seite zu stehen, sie mussten sie vor besonderen Veränderungen in der Luft warnen und hatten Engel wie auch Teufel vor einem ungewollten Fall durch das Tor zu schützen. Alle zu versorgen war nicht leicht und nach ihrem Erlebnis auf Erden, dieser Besuch auch nicht. Innerlich spielte er mit dem Gedanken sie nun auf ihr Abenteuer anzusprechen und sich noch einmal förmlich zu entschuldigen. Aber sie redete so munter drauf los, dass er ihr Gespräch nicht mit Unmut verderben wollte.

       „Ja, aber ich weiß nicht, ob ich überhaupt angenommen werde.“

       „Mein Bru …“, schnell stoppte er mitten im Satz. Es war bestimmt nicht klug ihr von einem Bruder zu erzählen, einem Bruder, der ein Teufel war. „… Bruder erzählte mir, dass es Teufeln nicht erlaubt ist, als Wächter zu arbeiten.“

       „Ach, dein Bruder ist Wächter?“

      „Ja, er wollte einer werden.“

      Das stimmte sogar, es war Adrals größter Wunsch gewesen. Nur dass er niemals dazu gekommen war seine Fähigkeiten zu beweisen. Und die hatte er wirklich, denn er konnte besonders schnell und wendig fliegen, lautlos, war stark und gewissenhaft. Doch das war ihnen egal, die Farbe seiner Flügel zählte.

      Merlinas Augen leuchteten nur kurz, dann blinzelte sie einige Male und widmete sich wieder ihm, ihm ganz allein. „Das ist schön. Aber reden wir wieder von dir.“

       „Von mir?“

       „Ja, was gibt es von dir zu erzählen?“

       Er wusste es nicht. Hatte bei jedem seiner Worte Angst seine Eltern und seinen Bruder zu verraten, und Merlina zu verschrecken. „Ich weiß es nicht.“, mutig hob er seine Hand und legte sie auf Merlinas. Ihre Pupillen blieben an ihr hängen. Als würde er es provozieren wollen, dass sie ihre Finger zu sich zog, beobachtete er sie, verkrampfte sich und schloss seine Handfläche um die ihre. „Müssen wir unbedingt reden?“

       Merlina lächelte. „Nein, natürlich nicht.“ Ihre Hand ließ sie liegen, dort, wo sie war, unter seiner, zwischen seiner, von seiner umschlossen. Er meinte sogar kurz zu spüren, wie sie sich an ihn lehnte. Gemeinsam saßen sie vor dem Tor, niemand kam zu ihnen. Keiner sagte etwas. Sie genossen die Stille und ihre zaghafte Berührung, mehr geschah nicht. Ab und an drehte er sich zu ihr, um sie von der Seite anzublicken. Ihren langen Zopf zu sehen, ihre strahlenden Augen, die in der Sonne funkelten, ihr zartes Gesicht, ihre weiche Haut und ihre vollen Lippen. Er hatte das Gefühl, zu keinster Zeit seines Lebens genug von diesem Anblick zu bekommen. Nur einmal, ganz kurz, wenn sie sich zu ihm wandte, schaffte er es sich von ihr loszureißen und geradeauszusehen und selbst dann kam es ihm vor, als würde er von gähnender Leere erfüllt werden. Nichts konnte ihm mehr Glück bescheren, als in ihr Gesicht zu sehen. Die Stille war nicht so erdrückend, wie Raphal es erwartet hätte. Er genoss sie in jeder Sekunde, jeder Minute, jeder Stunde, die verstrich. Wie verzaubert ging die Sonne vor ihnen unter, das Licht wurde mit jedem Wimpernschlag schwächer und rötlicher. Bald schon war sie kaum noch zu sehen, ihre Gesichter schimmerten in sanften orangenen Tönen.

       „Ist dir kalt?“, fragte er und schämte sich fast dafür, Merlinas Zittern nicht schon zuvor bemerkt zu haben. Wurde es Nacht, wurde es noch eisiger. Eine zarte Gänsehaut hatte sich auf ihren Armen gebildet, selbst an ihrem Bauchnabel und ihrem Dekolleté konnte er die kleinen Punkte erkennen. Wieder begann er sich zu schämen, für das was er dachte.

      Merlina nickte. „Ja, es ist schon etwas kühl.“ Seine Mundwinkel zuckten nach oben, formten sich zu einem sachten Lächeln. Nie hätte er es für möglich gehalten, zwei

      Himmelsmenschen könnten sich stundenlang unterhalten, ohne dass es einem langweilig wurde, ohne dennoch ein einziges Wort zu sagen. Das Licht war verschwunden. Fast traurig darüber, nun nicht mehr Merlinas funkelnde Augen sehen zu können, sich nicht mehr in ihnen verlieren zu können, stand er auf, seine Hand hielt er aber noch immer um die ihre geklammert. Sie sah ihn fragend an. „E … es ist spät“, erklärte er seine Hektik und fuhr sich über den zerzausten Hinterkopf.

      „Heißt das, du möchtest mich nachhause bringen?“

       Sofort hielt er den Atem an. Daran hatte er gar nicht gedacht. Jedenfalls nicht gleich. Seine Stimme wurde beschlagen, nervös versuchte er sich zu räuspern um ihr wieder einen klaren Klang zu verleihen. Vergebens. „Ähm, du … möchtest, dass ich dich nachhausebegleite?“ Sie nickte knapp.

      „Du möchtest, dass ich … mit dir mitfliege?“

      Jetzt schüttelte sie den Kopf. „Nein“, dicht an ihn gedrückt, drängte sie ihn von der Mauer und sank mit ihm im Schlepptau auf den Boden. „Ich möchte gehen. Das dauert länger.“

      Der Gedanke daran, dass eine so wundervolle Frau wie Merlina es war, ihn länger bei sich haben wollte, seine Anwesenheit genoss, machte ihn glücklich, von diesem Gefühl beflügelt wäre Raphal am liebsten hoch in den Himmel gestiegen, hätte sich von den eisigen Wolken umhüllen lassen und wäre auf ihnen durch den verhangenen Sternenhimmel geschwebt. Am besten noch mit ihr. Sie machten sich auf den Weg. Vereinzelt flogen Himmelsmenschen an ihnen vorüber, allerdings konnten sie kein Wort, von dem was sie sprachen, hören, denn sie waren zu weit entfernt. Sein Magen wollte es, noch mehr als ein jeder ihrer Finger sich an ihn klammerten, an seinen starken Arm, ihn nicht mehr losließen und sich in sein Fleisch bohrten. Sein Magen wollte fliegen, zappelig konnte Raphal kaum Ruhe bewahren. Er wollte schreien, wollte herumwirbeln, wollte lauthals loslachen und seine Freude in die Welt hinausbrüllen.

      „Wird deine Mutter sich nicht Sorgen machen?“

       „Warum sollte sie das?“

      Sie erreichten die Stadt. Alle Lichter waren schon erloschen, nichts war mehr zu erkennen, nur schwerlich fanden sie den Weg und schafften es nicht über ihre eigenen Füße zu stolpern. „… wenn sie sieht, dass ich dich zurückbringe?“

       Ob seine Angst begründet war wusste er nicht recht. Er kannte ihre Mutter nicht. Merlina stockte.

      Du Trottel! Jetzt hatte er diesen

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