Fall eines Engels. Simone Lilly

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Fall eines Engels - Simone Lilly

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auch ohne von ihr abgewiesen zu werden, griff er nach ihrer Hand und umschloss sie mit seinen starken Fingern. „Das braucht es nicht. Ich könnte mir keine bessere Gesellschaft vorstellen.“ Sie schmunzelte angetan. Miteinander vertraut als wären sie alte Freunde saßen sie auf dem harten Stein, sahen sich einige Male verstohlen an, blinzelten, senkten den Blick und hoben ihn gen Himmel, auf das gewaltige Tor vor ihnen. Noch immer hielt er ihre Hand, wollte sie nicht loslassen. Genoss es zu fühlen, wie sich ihre zarten Finger ab und an bewegten, sich lockerten und dann wieder verkrampften, sich an seine Haut schmiegten. Sie war herrlich warm. Das Leben in der Stadt erwachte, das konnten beide hören. Auch waren schon die ersten kräftigen Flügelschläge zu vernehmen. Sicherlich hatten seine Eltern sein Verschwinden bemerkt.

      Als beide so vor sich hin starrten, begann ein seltsames Gefühl in Raphal zu reifen. Warum eigentlich waren sie alle gleich? Glichen dem anderen wie dessen Zwilling? Natürlich gab es größere, dickere, mit langen Haaren, mit kurzen, mit glatten Haaren oder Locken. Genau konnte er es nicht sagen, doch irgendetwas war an Merlina was ihn faszinierte. Womöglich war es der bloße Umstand dass sie die Einzige war in seinem jungen Leben, mit der er je gesprochen hatte und die ihm allein ihre Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Abheben, genau das musste er. Nicht vom Boden, sondern aus der Menge an gleichaussehenden Engeln. Verlegen griff er sich an die Schulter und drehte sich zu ihr hinüber.

      Wortlos wurde ihr Gesicht von der Sonne beschienen, ihre Gesichtszüge wurden immer milder und weicher je länger sie die vorrüberziehenden Wolken beobachtete.

      Ihr größter Wunsch war es gewesen, einmal auf die Erde gehen zu können, zu sehen wie die Menschen dort lebten. Sich abheben? Ja das konnte er indem ihm die entscheidende Idee in den Sinn kam: er würde es ihr ermöglichen.

      „Du?“, sagte er vorsichtig.

      Sofort hafteten ihre durchbohrenden Augen auf ihm. „Ja?“

      „Möchtest du auf die Erde? Jetzt?“

      „Jetzt?“, ihre Frage klang nicht umsonst erschrocken. Fast keiner traute sich auf die Erde, höchstens die Wächter. Ansonsten wusste ein jeder, dass man nur wenig Zeit hatte, bis das Tor sich wieder schloss. Nicht umsonst war es Brauch, dass selbst die Wächter immer zu zweit loszogen. Während der eine unten an Land seine Arbeit verrichtete, wartete der andere oben. Verpasste der unten gebliebene den Moment rechtzeitig wieder aufzusteigen, so konnte der Obere das Tor mit Leichtigkeit wieder öffnen und ihn hereinlassen. Raphal hatte wenig Angst. Wären sie nur kurz unten und würden nicht viel Zeit verstreichen lassen, würde ihnen nichts geschehen.

      Um seinen Verstand besorgt neigte sie den Kopf. „Meinst du das ernst?“

      Er nickte rasch, stand auf und nahm sie bei der Hand, bevor sie ihn noch länger für verrückt erklärte. „Natürlich nur kurz, nicht lange. Doch du wolltest schon immer dorthin oder.“

      „Ja schon.“

      Lächelnd folgte sie ihm. Sein Griff um ihre Hand tat ihm gut. Gespannt stellten sie sich vor das Tor und schritten durch es hindurch. Ein Beben überkam seinen Körper. Die Luft wurde dünner, sie begannen zu fallen. Ein lauter Schrei kam ihr über die Lippen.

      Sie setzten erst nach Langem sanft auf den Boden auf, als sie sich daran gewöhnt hatten zu fallen und ihre Flügel weit von sich breiteten. Eigentlich war ihm die Umgebung egal. Es war ihm nur darum gegangen vor Merlina mit seinem Mut zu prahlen. Obwohl alles schnell gegangen war, schneller wie einschlafen.

      „Das ist die Erde?“, obwohl Merlinas Blick gebannt auf die seltsamen Körner gerichtet war, auf denen sie standen, sie waren warm und von der Sonne aufgeheizt, wirkte sie enttäuscht.

      Raphal konnte sich nicht von ihr abwenden. In Trance ließ er sogar den ersten Moment verstreichen um zu realisieren dass er auf der Erde war, er würde nicht mehr wieder kommen.

      „Du bist wunderschön.“, brach es aus ihm heraus.

      Betreten sie sie zu Boden, immer noch auf die seltsamen Körner. „Danke.“

      Dumm von ihm! Er wusste doch am Besten dass dieses Kompliment alles andere als gut war. Immerhin waren sie alle gleich. Würde sie also wunderschön für ihn sein, war es auch jede andere. „Du weißt was ich meinte.“, fügte er schnell hinzu, da er an ihrem Blick merkte, dass sie genau das dachte.

      Kleinlaut versuchte sie zu lächeln. „Ja, ich hoffe es jedenfalls es zu wissen.“

      Ungeachtet der Gefahr die vom Boden ausgehen konnte, ließ sie sich auf ihn fallen, hob die Hände und lies ihn stückchenweise durch ihre Finger rieseln. „Sie fühlen sich wundervoll an, möchtest du auch mal?“

      „Nein.“ Dafür hatte er viel zu viel Angst.

      Allein dass seine Füße alles berührten machte ihn wahnsinnig. Am liebsten wäre er nicht einmal durch die Luft der Erde geschwebt. Um anzugeben tat er es. Um Mut zu beweisen, den sonst keiner besaß. Sah er sich um, verstand er auch warum. Abschätzend glitt sein Blick auf und ab. Alles hier war kahl und trostlos, dachte er an seinen Großvater, wer hier leben musste, tat ihm leid. Jeder Engel und sogar Teufel der gefallen war und sein Leben hier fristen musste, tat ihm leid.

      Sein Unbehagen kümmerte Merlina wenig. Glücklich breitete sie ihre Arme und Flügel von sich. Das sonst so schöne und reine Weiß ihrer Federn war nun vollkommen verdreckt. Raphal schluckte. Kräftig schütteln würde nun nicht mehr reichen, um ihren geheimen Ausflug vor anderen zu verbergen.

      „Nun komm schon!“, sagte sie, packte ihn und zog ihn zu sich hinunter. Ungewohnt nahe waren sie sich nun. Raphal überlegte. Sollte er sie jetzt Küssen? Sein Herz begann schneller zu schlagen. Ihre Augen huschten an seinem Gesicht hinauf und hinab. Als besäße er keine Macht über ihn, begann sein Kopf sich zu ihr zu neigen. Immer weiter und weiter, bis er ihren warmen Atem spürte. Auch sie schloss die Augen, ihr Atem wurde langsamer.

      Jetzt war der perfekte Moment. Doch etwas störte ihn. Schlagartig bremste er ab, räusperte sich peinlich berührt und blickte wieder geradeaus von sich. Wälzte sich von ihr fort und nahm Haltung an.

      Irritiert und traurig zu gleich dauerte es einige Sekunden, bis sie klare Worte an ihn richten konnte. „Was ist los? Stimmt etwas nicht ...?“

      „Ich finde nur.“, unterbrach er sie schnell, um sie nicht falsch von ihm denken zu lassen. „ ... das unser erster Kuss nicht in dieser Welt sein sollte.“

      „Aber es ist dann etwas Außergewöhnliches!“

      Abwertend zuckte er mit den Achseln. „Ja das schon. Besser wäre es aber, wir würden so etwas in unserer Welt lassen. Verstehst du?“

      Sie nickte. „Muss ich wohl, obwohl es mir nichts ausgemacht hätte.“

      „Das weiß ich.“

      Lange sahen sie sich an. Bevor sie es aber nocheinmal versuchten, begannen sie lieber, von unten auf ihre Heimat hinaufzusehen.

      „Es ist ungewohnt.“, stieß sie hervor und nickte gen Wolken. „Man sieht sie wirklich nicht. Still sieht es aus, leicht, als ob es uns gar nicht gäbe.“

      „Stimmt.“, pflichtete er ihr bei.

      Minuten verstrichen. Langsam wurde es warm, zu warm. Die Kälte waren sie gewohnt, nicht aber die erbarmungslose Sonne. Merlinas Haut war ganz und gar rot gefärbt.

      „Sollten wir nicht langsam wieder zurück?“

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