Heidesumpf. Herbert Weyand

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Heidesumpf - Herbert Weyand KHK Claudia Plum

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      Titelbild: © 2017 Laura Schruff

      Herbert Weyand

      52511 Geilenkirchen

      [email protected]

      Erstellt mit Papyrus Autor, www..papyrus.de

      Eins

      »Der Tod ist gegen dreiundzwanzig Uhr eingetreten. Aber …«

      »Danke Thilo. Ich weiß schon. Genaueres nach der Obduktion.« Kriminalhauptkommissarin Claudia Plum unterbrach den Gerichtsmediziner. Sie sah auf das Opfer, einen unscheinbaren Mann, von Anfang bis Mitte fünfzig. Die braune Tuchhose hing, auf links gestülpt, über dem rechten Fuß. Der braune elegante Slipper, am anderen Fuß, spiegelte das Licht der Deckenlampe. Der weiße Hintern reckte sich seitlich in die Höhe. Entlang der Furche wucherten drei dunkle Haarbüschel, wie Riedgrasinseln. Das schreiend bunte Hemd hing vom Kragenknopf gehalten am Hals. Es breitete sich um ihn herum aus. Die Züge des Mannes zeigten Entspannung und etwas wie Frieden. Ungewöhnlich, angesichts der Tatsache, dass der Penis mittels zwei Drahtstiften, mit übergroßen Köpfen, wie sie zur Befestigung von Dachpappe Verwendung fanden, auf dem Dielenboden festgehalten wurde. Die Blutlache um das gute Stück zeugte von funktionierendem Blutkreislauf zum Zeitpunkt der Tat.

      Claudias Nerven kribbelten, angesichts der Vorstellung, was der Tote empfunden haben mochte. Sie schüttelte sich.

      In ihre Wahrnehmung rückten drei dicke Ringe an den Fingern der linken Hand. Zwei Goldklunker mit wahrscheinlich echten Steinen. Dadurch fiel das dritte Schmuckstück besonders ins Auge. Ein Siegelring. Genauso protzig wie die anderen. Allerdings blieb Claudias Blick darauf hängen. Das Bild des Siegels ließ eine Saite in ihr anklingen, jedoch mehr nicht. Sie legte keine Konzentration auf diese Ahnung, sonst spukte der Gedanke noch am nächsten Tag, ohne Ergebnis, durch den Kopf.

      Der Blick der Hauptkommissarin glitt durch den Raum, in dem der Tote lag. Die Einrichtung ohne Protz. Eher gediegen und teuer. Kolonialstil. Nicht die Möbeldiscountvariante, sondern echt. Auch, wenn die Gebrauchsspuren kaum auszumachen waren. Geschmackvolle Gemälde an den Wänden zierten den Raum sowie andere Kunstgegenstände. Darauf würde sie später zurückkommen. Etwas störte sie. Trotz aller Sorgfalt lebte das Zimmer nicht. Keine Ausstrahlung. Kein Leben. Genau, das war es: kein Zeichen von Leben.

      »Du hast recht.« Hauptkommissar Heinz Bauer stand etwas abseits. Er folgte der Kollegin und Chefin mit den Augen. »Diese Hütte ist steril. Ein Museum. Eine Ausstellung.«

      Sie nickte, keineswegs erstaunt darüber, dass er ihre Gedanken erfasste. In ihrer kleinen Truppe, zu der auch Oberkommissarin Maria Römer gehörte, kannten sie sich in- und auswendig. »Wie viele Räume hat das Haus?«, fragte sie.

      »Neun. Drei hier in Parterre und sechs oben«, gab Heinz zurück.

      Sie nickte. Wie bei vielen alten Häusern wurden durch das Wegbrechen von Wänden die Zimmer vergrößert. Sie kannte den Toten. Paul Hellmer ... eine stadtbekannte Persönlichkeit. Ein Kunstmäzen, von dem niemand mehr den Durchblick hatte, woher sein Reichtum kam. Viele munkelten von Mafia, Ku-Klux-Klan und anderen exotischen Verbrecherorganisationen. Selbst die NSDAP wurde genannt. Sie fand das überspannt, aber in jedem Gerücht lag ein Körnchen Wahrheit. Wahrscheinlich verdiente er sein Geld nicht mit ehrlicher Arbeit. Auf jeden Fall wusste weder sie noch viele andere, woher sein Wohlstand kam.

      Claudia Plums graue Augen fixierten einen imaginären Punkt, während ihre Gedanken kreisten. Sie maß eins siebzig und trug heute ein dunkelgraues Kostüm. Der Rock endete zwei Fingerbreit über dem Knie. Das braune Haar fiel, leicht gelockt, bis auf die Schultern. Die Jacke spannte leicht über den breiten Schultern und der Brust. Insgesamt bot sie trotz ihrer Fraulichkeit eine sportliche Erscheinung. Anfang dreißig … na ja … fast zweiunddreißig. Sie übernahm vor etwas mehr als zwei Jahren das Dezernat für Tötungsdelikte.

      Trotz ihres Alters blickte sie auf einen steilen Aufstieg beim LKA in Düsseldorf zurück. In zwei spektakulären Mordfällen, sogenannte kalte Fälle, die bei den Akten verschimmelten gelang ihr die Aufklärung. Für die fällige Beförderung zur Hauptkommissarin fehlte die entsprechende Planstelle. Es sei denn, die Bewerbung in den Innendienst. Darauf hatte sie keine Lust und bewarb sich nach Aachen. So lautet die offizielle Geschichte. In Wahrheit uferte das Verhältnis zu einem verheirateten, vorgesetzten Kollegen aus, sodass es angebracht schien, den Berufsstandort zu wechseln.

      Gleich bei ihrem ersten Fall, traf sie hier im platten Hinterland Aachens, auf Kurt Hüffner, der Liebe ihres Lebens.

      Claudias Gesicht trug einen ständig distanzierten Ausdruck und schreckte viele, die sich ihr näherten. Sie besaß Ausstrahlung und beherrschte die Szene sofort, wenn sie, sie betrat. Sie bemühte sich immer um Perfektion und verdeckte ihre Unsicherheiten perfekt. Als größtes Manko sah die Hauptkommissarin ihre emphatische Veranlagung. Ihre Sensoren filterten die feinsten Schwingungen des Umfeldes heraus. Die Kollegen des Teams verdrehten die Augen, wenn ihr Bauchgefühl wieder zuschlug. Dabei stimmte der vorauseilende Ruf, sie löse ihre Fälle aus dem Bauch heraus, nur teilweise. Letztendlich fügte der analytische Verstand, Fakten und Gefühle zu erfolgreichen Ergebnissen.

      Vor einem Jahr heiratete sie ihren Hinterwäldler und lebte mit Kurt, in dem kleinen Heidedorf. Dort wo sich Fuchs und Gans Gute Nacht sagten … dort, wo die Gehwege jeden Abend hochgeklappt wurden, damit niemand stolperte. Nicht, dass jemand einen Bürgersteig benötigte. Grundsätzlich liefen die Dörfler mitten auf der Straße, sei es mit Kinderwagen oder Schubkarre. Für Claudia bedeutete es einen gewaltigen Schritt aus der Großstadt heraus, in dieses verschlafene Kaff. Jedoch liebte sie mittlerweile die Ruhe und das Bewusstsein, dass hier die Uhren anders tickten. Zeit war relativ, besonders hier. Immer wieder blieben einige Minuten für eine kurze Unterhaltung, die den alltäglichen Tratsch zum Inhalt hatte. Zeit, die sie nicht besaß und dennoch aufbrachte.

      Sie brachte Aufregung in das Dorf, als sie ihren Mädchennamen behielt. Die Empörung legte sich schnell. Eine Zugezogene störte nicht das dynastische Gefüge und die Besitzverhältnisse der Einheimischen.

      Kurt restaurierte das alte Bauernhaus, dessen Rückseite zum Heidegebiet hinaus ging. Zwischen dem Saum des Waldes und der Grundstücksgrenze lagen keine dreihundert Meter. Zurzeit baute er einen Kuhstall zum Pferdestall um. Drei Baustellen auf dem Grundstück entsprachen der Norm. Je nach Jahreszeit reichte es für vier oder fünf. Der Job ließ ihm im Grunde wenig Zeit für die Restaurierungsarbeiten.

      Jedoch siegte in dieser Hinsicht sein Eigensinn, nach dem Motto: Selbst ist der Mann. Seit er Claudia kannte, besser gesagt, gerade weil er sie kennenlernte, ließ er es ruhiger angehen. Na ja … ganz freiwillig trat er nicht kürzer. Kurt steckte die unglaublich neugierige Nase immer wieder in Claudias Fälle. Diese Vorwitzigkeit kostete ihn fast das Leben. Ein Gutes entwuchs aus dieser Angelegenheit: Er sah, dass es mehr, als nur Arbeit, im Leben gab. Von Haus aus hatte er einiges in petto, sodass er die feste Beschäftigung bei der RWTH reduzierte. Jetzt erledigte er viele berufliche Aufgaben von zu Hause aus. Das wiederum gab ihm Zeit und Flexibilität, in Claudias Arbeit hineinzuwirken. Claudia beobachtete die Entwicklung mit zwiespältigen Gefühlen. Zudem entwickelte Kurt ein Gespür für Leichen. Wenn es im Umkreis von zwanzig Kilometern eine Leiche gab, konnte sie sicher sein, dass er darüber stolperte. Was nicht ohne Komplikationen blieb.

      Die Entscheidung, in diesem kleinen Heidedorf zu leben, kam einer Rückkehr gleich. Denn im Grunde gehörte sie hierher. Claudia wurde hier geboren. Na ja. Nicht hier, sondern im nahe gelegenen Krankenhaus, weshalb

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