Heidesumpf. Herbert Weyand

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Heidesumpf - Herbert Weyand KHK Claudia Plum

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denn die Eltern zogen nach Düsseldorf, bevor sie bewusste Erinnerungen aufbaute. Erst vor Kurzem erfuhr sie, dass der gewaltsame Tod ihres Bruders den Umzug veranlasste. Bis dahin hatte sie von der Existenz des Geschwisterteils keine Ahnung. Er wurde bei seiner Erstkommunionfeier ermordet. Sie erlebte die grausame Tat mit. Der kindliche Verstand verschloss die Tat tief in ihrem Innern und es blieb das Gefühl eines Verlustes, das sie ständig begleitete. Die Erinnerung daran, kam, in einem schmerzhaften Prozess, während einer spektakulären Entführung auf dem Aachener Katschhof. Sie überführte den Mörder und befreite sich von der bis dahin unbekannten Last, die sie verfolgte.

      Wie das Leben so spielte, führte es Claudia an die Wurzeln ihrer Familie zurück. Sie mochte nicht mehr an Zufall glauben, denn das alte Bauernhaus, das sie mit Kurt bewohnte, stellte sich als das ehemalige Heim ihrer Großeltern heraus.

      Mittlerweile kannte sie das Dorf gut genug, um zu wissen, dass nichts ohne Grund geschah. Ihre empathischen Empfindungen, die sie einerseits in ihrem Beruf nutzte, wirkten andererseits störend im täglichen Leben. Hier mutierte sie zur misstrauischen Ziege, wenn ein Gesprächspartner nicht auf Anhieb sympathisch herüberkam. Im Verlaufe ihres bisherigen Lebens machte sie sich oft Gedanken darüber, ob diese Begabung ein Fluch oder ein Segen war. Sie verbarg sie geschickt vor ihrer Umwelt. Nur wenige Menschen wussten darum. Selbst in ihrem Team, das aus Oberkommissarin Maria Römer und Hauptkommissar Heinz Bauer bestand, öffnete sie sich nicht. Ihre Kollegen sprachen von Intuition und Bauchgefühl, auch, wenn sie mutmaßten, dass mehr dahinter steckte.

      Jetzt, in diesem Dorf, stellte sie fest, dass insbesondere die älteren Einwohner des Dorfes diese Begabung auch besaßen. Also lag der Ursprung wahrscheinlich hier. Irgendwelche Gene, die auch sie besaß.

      Jetzt hatte sie zunächst diesen Fall am Hals, der sie einige Zeit beschäftigte, wie sie befürchtete.

      »Der hat ein Piercing am Schwanz«, rief Thilo. Er zog den Nagel aus dem Boden und wischte das Blut um das schlaffe Geschlechtsteil weg. »Nein. Kein Piercing. Das wurde später angebracht. Sieht mehr aus, wie …«, er putzte das Blut von dem Gegenstand, der aus der Vorhaut herausragte. »Tatsächlich. Als Kind habe ich so etwas schon einmal gesehen. Das ist so eine Hülse …«

      »Brieftauben«, unterbrach Heinz, der das kleine Behältnis interessiert musterte. »In solchen Kapseln wurden Nachrichten transportiert. Mein Vater besaß Tauben.«

      »Richtig«, stimmte der Mediziner zu. »Das ist ja vielleicht pervers.« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich hab ja schon viel gesehen. Aber so etwas?« Er trug die Kapsel zu einem Koffer, dem er ein Vergrößerungsglas entnahm. »Wir haben den Tatort fotografiert und gefilmt. Also sehen wir gleich nach, was in diesem Ding verborgen ist. Weißt du auch, wie ich es aufbekomme?« Er sah auffordernd zu Heinz.

      »Rechtsgewinde. Beide Enden packen und gegeneinander drehen.«

      Thilo drehte und hielt zwei Teile in der Hand, wobei in dem linken ein zusammengerollter Zettel steckte. Er zog ihn mit einer Pinzette heraus. »Zwölf«, las er vor, indem er das Papier auseinanderfaltete.

      »Scheiße«, rutschte es Claudia heraus. »Das ist der Dritte. Schau mal nach Thilo.«

      Doch diese Aufforderung war überflüssig. Der Mediziner fummelte bereits an der Kleidung des Toten und legte die Schulter frei. Dabei nahm er keine Rücksicht auf Spuren, die er eventuell hinterließ.

      »Tatsächlich«, flüsterte er. »Hier ist das Tattoo.«

      Claudia trat heran und sah die Tätowierung, die, wie ein Brandzeichen auf der Haut lag. Der Radius des Kreises wies blaues, fast schwarzes Gewebe auf. Eine Fläche, drei Zentimeter im Durchmesser, zu gleichen Teilen in Schwarz, Rot, Gold unterlegt. Im schwarzen Feld der stilisierte Buchstabe E, im roten F und im goldenen V. Also die Zeichen für Ehre, Freiheit und Vaterland. Das typische Zeichen einer studentischen Burschenschaft, das jedoch in der Regel nicht als Tattoo auf den Körper aufgebracht, sondern als Münze an einer Kette oder einem Ring getragen wurde. Claudias Blick suchte den Ring. Klar … das gleiche Symbol, jedoch nicht mit Farbe unterlegt. Wie konnte sie so blind sein? Anders als bei den beiden, wenigen Tagen zuvor ermordeten Typen, passte Hellmers Alter nicht. Unbestreitbar trugen sie jedoch das gleiche Zeichen.

      Marcus Brandt, ein fünfundzwanzigjähriger Mann lag vor wenigen Tagen im Westpark in einem Gebüsch und Till Höfer, dreiundzwanzigjährig, im Paulinenwäldchen nahe Kohlscheid. Der Erstere trug einen Zettel im Mund mit der Zahl fünf und der Zweite, die Sieben. Beiden, wie auch hier beim dritten Opfer, war gleich, dass die Genitalien verstümmelt wurden. Claudia hoffte für den toten Hellmer, genauso nach dem Tod, wie bei den beiden Jüngeren. Doch diese Hoffnung gab sie auf. Dafür war das Blutbad zu groß. Dem jüngeren Brandt wurde wahrscheinlich mit einer Tranchierschere der Hodensack abgeschnitten. Höfers Penis fiel einem scharfen Messer oder Skalpell zum Opfer.

      »Jetzt haben wir die Bescherung«, stellte Heinz Bauer gelassen fest. Der kleine, etwas übergewichtige Hauptkommissar zog die Jeans über den Bauch, der wie eine kleine Kugel darüber hing. Das schüttere Haar lag akkurat. Drei Strähnen in drei Reihen. Er zählte fünfundsechzig Jahre und stand einige Wochen vor der Pensionierung. Von den eins achtundsechzig, die er früher einmal maß, fehlten aufgrund des Alters, drei bis fünf Zentimeter. »Drei Tage, drei Tote. Ein guter Schnitt. Was kommt morgen?« Er lachte bitter. Dabei war er im Grunde genommen eine Frohnatur. Trotz des Berufs strahlte er in Regel Optimismus aus. Vielleicht lag es am Alter und dem absehbaren Ende des Jobs. Der Familienmensch Heinz Bauer fieberte darauf, denn er widmete jede freie Minute den Enkelkindern. Der Ermittler sah es mit Wehmut, vor allem, weil er auf die alten Tage endlich in einem Traumteam arbeitete. Claudia, Maria und er bildeten eine besondere Einheit.

      »Du machst mir Mut.« Claudia schüttelte den Kopf bei dieser Art von Humor, den sie zwar von ihm kannte, der sie jedoch immer wieder erstaunte. »Dann wurde Hellmer«, sie nickte zu dem Toten, »wahrscheinlich auch durch Stromschlag getötet.«

      »Nach der Obduktion.«, murmelte Thilo. Er hing gerade mit dem Vergrößerungsglas über dem Tattoo. »Die Tätowierung ist mindestens zwanzig Jahre alt, wenn nicht noch älter. Genaueres kann ich auch hier erst später sagen.« Er sah zu Claudia. »Eine Burschenschaft. Anstatt Schmiss im Gesicht, ein Brandzeichen auf der linken Schulter. Dann ist die Tätowierung vermutlich über vierzig Jahre alt. Die sind ja noch Kinder, wenn sie einer solchen Verbindung beitreten.« Thilo überlegte laut. »Hast du zu den anderen schon etwas herausbekommen?«

      Sie schüttelte den Kopf. Erst gestern bekam sie zehn Kolleginnen und Kollegen zur Verstärkung, die zurzeit überwiegend im Internet recherchierten, um einen Hinweis, auf die Burschenschaft zu finden. Ebenso auf das Gerät, das den tödlichen Stromschlag lieferte. Es passte genau auf das Tattoo. Sonderbar an allen drei Fällen blieb, dass kein Hinweis darauf deutete, dass an der Kleidung herumgefummelt wurde. Zumindest bei der Bekleidung des Oberkörpers, mit Ausnahme Hellmers jetzt. Dabei schien klar, dass die Elektrowaffe auf der Haut angesetzt wurde. Hinzu kam die Verstümmelung der Genitalien, die den wahrscheinlichen Schluss auf Sexualverbrechen zuließen. Offensichtlich von möglichen Opfern. Es konnte natürlich auch etwas anderes sein. Eine Opfergabe?

      »Ist die Spurensicherung durch?«, fragte Claudia ihren Kollegen.

      »Wir können nach oben, wenn du möchtest.«

      *

      »Elf Uhr dreißig.« Claudia sprach ins Smartphone. »Die Durchsuchung der Räume in der ersten Etage ergibt keine Besonderheiten, die Hinweise auf die Tat beziehungsweise Mitgliedschaft zu einer Studentenverbindung geben. Die Zimmer sind ebenso steril, wie in Parterre. Fotos befinden sich in der Cloud.« Claudia unterbrach und legte Heinz eine Hand auf die Schulter. »Der lebte doch nicht hier. Was denkst du?«

      »Im

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