Blutige Fäden. Fabian Holting
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»Herr Terhagen, ich kann Ihnen folgendes Angebot machen. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich Frau Hagena ansprechen und auch versuchen, Herrn Wagschal und Frau Mangold in Kanada zu erreichen. Vielleicht haben sie einen Anhaltspunkt, wo Herr Kessler sich derzeit aufhalten könnte.«
Ich war zwar nicht so glücklich damit, von Schmidt abhängig zu sein, doch die Idee war gar nicht so verkehrt. »Aber fragen Sie bitte auch, ob Herr Kessler etwas von einer bevorstehenden Reise erzählt hat.«
»Selbstverständlich Herr Terhagen.« Schmidt klappte mit zufriedener Miene die Personalakte zu und machte Anstalten, aufzustehen.
»Eine Frage noch.« Schmidt lehnte sich noch einmal im Stuhl zurück und sah mich aufmerksam an. »Ja, bitte.«
»Sascha Kessler hat einer Mitbewohnerin im Studentenwohnheim erzählt, er hätte hier im Unternehmen jemanden kennengelernt. Können Sie sich vorstellen, um wen es sich da handeln könnte?« Schmidt fuhr mit den Fingern durch seinen Haarkranz. »Soll sie in seinem Alter sein?«
»Vielleicht auch etwas jünger«, antwortete ich.
»Also, da bin ich überfragt. Natürlich beschäftigen wir auch einige sehr junge Damen. Wir haben eine Näherin hier in der Ausbildung und auch eine Buchhalterin, die beide Anfang oder Mitte zwanzig sind.« Schmidt schüttelte demonstrativ den Kopf. »Nein, da muss ich wirklich passen. Ich werde ihre Frage weitergeben.« Die Tür zum Nebenzimmer öffnete sich. Eine Frau in Schmidts Alter kam herein und stutzte, als sie uns am Besprechungstisch sitzen sah.
»Entschuldigung, ich habe gar nicht mitbekommen, dass Besuch da ist.«
»Kein Problem. Wir waren ohnehin gerade fertig«, sagte Schmidt verständnisvoll.
»Ich lege nur schnell die Akte auf deinen Schreibtisch.«
»Danke, Irene.« Irene warf mir einen unbestimmten Blick zu und lächelte verunsichert, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Wahrscheinlich befürchtete sie, ich wäre ein Bewerber. Schmidt beugte sich vor und schlug die Personalakte zu.
»Vielen Dank«, sagte ich und erhob mich brav. Schmidt wirkte erleichtert und stand ebenfalls auf. »Ich begleite Sie noch hinaus.«
Stumm gingen wir durch den Flur. Eine Bürotür wurde hinter uns geöffnet und gleich darauf wieder geschlossen. Dann betraten wir wieder das geflieste Foyer. Schmidt reichte mir die Hand. Sein warmer Händedruck war fester, als bei der Begrüßung.
»Wenn Herr Kessler während seines Praktikums irgendwelche Andeutungen über seine nächsten Pläne gemacht haben sollte, dann bringe ich das für Sie in Erfahrung«, sagte Schmidt in einem väterlichen Ton.
»Gut, dann rufen Sie mich also an, wenn Sie etwas wissen. Meine Visitenkarte haben Sie ja.« Schmidt nickte freundlich. »Also, dann auf Wiedersehen.« Er wandte sich ab und verschwand im Flur. Eine junge Frau, Anfang zwanzig, hübsch, gut gebräunt und auffällig geschminkt, stürmte herein. Sie hatte zwei prallgefüllte Einkaufstaschen einer bekannten Modekette bei sich.
»Ist sie da?«, fragte sie die Empfangsdame, ohne vorher gegrüßt zu haben.
»Ja«, antwortete diese überrascht.
»Sehr gut.«
Ich schien unsichtbar zu sein. Miss Beauty hatte mich keines Blickes gewürdigt. Schnellen Schrittes betrat sie den Flur, der zu den Büroräumen führte. Ich sah ihr nach. Sie trug einen Ledermini, schwarze Nylonstrumpfhose und braune Lederstiefel. Ein gut geschnittener Wollcaban betonte ihre ausgesprochen schlanke Taille. An den Schultern war er ausgepolstert. Der Duft eines bekannten Parfüms hing plötzlich schwer in der Luft. Ich kam nicht auf den Namen. Ich beugte mich verschwörerisch über den Empfangstresen.
»Ist das auch eine Mitarbeiterin?«, fragte ich die Empfangsdame.
»Nicht wirklich«, bekam ich zur Antwort. Es klang etwas abschätzig.
»Wie meinen Sie das?«
»Das war die Tochter unserer Chefin. Sie kommt nur gelegentlich vorbei.«
»Will sie denn nicht in die Fußstapfen ihrer Mutter treten?«
»Da scheint sie sich noch nicht sicher zu sein. Sie weiß noch nicht, was sie will und ihre Mutter bedrängt sie nicht.«
»Hat Herr Kessler auch mit ihr zu tun gehabt?«
»Glaube ich nicht«, sagte sie und zuckte demonstrativ mit den Achseln.
»Sie ist auch so schön urlaubsgebräunt, wie Sie«, sagte ich mit einschmeichelnder Stimme. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und verschwand wieder, als sie sagte:
»Die war bestimmt wieder für einige Tage in Südfrankreich. Die Hagenas haben dort ein Haus am Meer.« Ein leichter Hauch von Missgunst und Neid war ihrer Stimme zu entnehmen.
»Ja, bei den langen Wintern hier im Norden, wünscht man sich auch so ein Domizil im Süden zu besitzen. Leider viel zu teuer«, erwiderte ich und verabschiedete mich.
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