Blutige Fäden. Fabian Holting
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Читать онлайн книгу Blutige Fäden - Fabian Holting страница 12
»Thorsten, wie geht´s dir und was macht die Arbeit?«
»Mir geht es ganz gut und unser gehörnter Chef hat sich auch wieder beruhigt. Aber wenn er wüsste, dass wir uns noch regelmäßig treffen, würde er mich wahrscheinlich hochkant rausschmeißen.«
»Aber doch nicht seinen besten Mann«, scherzte ich, obwohl ich damit vermutlich sogar recht hatte. Thorsten war nicht nur sein bester Detektiv, er war auch ein harter Arbeiter. Dennoch sah man ihm die Strapazen seines anstrengenden Lebens nicht an. Sein volles, dunkelbraunes Haar war entweder gefärbt, woran ich nicht glauben konnte, oder aber vor dem Grauwerden noch für Jahre gefeit. Sein männlich markantes Gesicht mit dem dunklen Bartschatten wirkte immer frisch und straff. Es schien, als hätte er mit fünfunddreißig aufgehört zu altern. Nachdem mir die Sache mit der Frau unseres Chefs passiert war, hatte ich den Eindruck, dass er mich dafür ein wenig bewunderte. Auch an diesem Abend konnte er es nicht lassen, kurz davon zu sprechen.
»Eigentlich sollte ich dir das nicht erzählen«, fing er an, »aber die zwei besten Fotos von deiner Liaison mit Cleopatra kursieren noch immer bei uns im Büro.«
»Ich dachte, der Alte hätte der Löschung der Fotodateien höchstpersönlich beigewohnt.«
»Ja, aber es gibt eben noch Männer mit grenzenlosem Mut.«
Ich machte ein ärgerliches Gesicht. »Ach, bald sind die uninteressant und geraten in Vergessenheit.«
Ich wünschte mir die Zeiten zurück, in denen es noch Negative und Abzüge gab. Die Vorstellung, die Bilder könnten irgendwann in sozialen Netzwerken auftauchen, ließ mich erschauern. Ich war bestrebt, das Thema umgehend zu wechseln.
Thorsten lachte wieder. »Es war eben dumm von dir, ausgerechnet die Frau von deinem Chef zu begatten. Hättest du mich vorher nur eingeweiht, dann wäre das nicht passiert.«
Endlich wurde mein Bier gebracht. Nachdem wir angestoßen hatten, nahm ich einen großen Schluck. Thorsten leerte sein halbvolles Glas in einem Zug und hielt es anschließend mit Blickkontakt zur Theke demonstrativ in die Höhe.
»Sag´ mal, wenn ich schon das Gespött der ganzen Detektei bin, dann könntet ihr eigentlich mal was für mich tun.«
Thorsten sah mich interessiert an. »Dann hast du also deinen ersten Auftrag.«
»Richtig, eine Vermisstensuche.«
»Da werde ich dir wohl helfen müssen.«
Ich nickte nur. Thorsten bekam sein zweites Bier auf den Tisch gestellt. Ich ließ ihn einen Schluck nehmen. Erst dann fing ich an, von meinem ersten Auftrag zu berichten.
»Der Fall müsste bald gelöst sein«, bemerkte Thorsten, als ich mit meinem Bericht zu Ende war. »Schreib´ mir den Namen auf diesen Bierdeckel und morgen im Laufe des Tages kann ich dir sagen, ob er mit dem Flugzeug in den Süden geflogen ist.«
Ich blickte Thorsten freudig an. Er sah an mir vorbei und hob die Hand, um einem Bekannten zuzuwinken, der gerade das Lokal betreten hatte. »Vielleicht ist er auch mit dem Zug oder per Anhalter gefahren«, schob Thorsten hinterher, während er einer Frau auf den Hintern starrte, die gerade auf dem Weg zur Toilette war.
»Das wäre dann eben Künstlerpech«, antwortete ich beiläufig. »Sag‘ mal, kennst du eigentlich die Modedesignerin Maren Hagena?«, fragte ich ihn.
»Ein Kumpel von mir hat sie mal erwähnt. Ist wohl eine knallharte Geschäftsfrau, die es versteht, sich in der Männerwelt durchzusetzen. Ich glaube die hat mal auf nicht ganz so feine Art einen Wettbewerber rausgekickt. Was da genau war, weiß ich aber auch nicht. Warum interessiert dich die Frau?«
»Mein Vermisster hat bei ihr ein Praktikum gemacht und morgen wollte ich mich dort nach ihm erkundigen.«
»Warte doch erst ab, was ich in Erfahrung bringe.«
»Und, wie sieht es bei euch in der Detektei aus. Immer noch genug zu tun?«
»Wir sind gut im Geschäft. Der Alte versteht es blendend, gute Aufträge an Land zu ziehen, obwohl wir nicht ganz billig sind. Hast du denn bisher nur diesen einen Auftrag?«
Zu meinem Bedauern musste ich Thorsten mit Ja antworten. Ich versicherte ihm aber, dass ich guter Dinge sei, diesen Zustand bald überwunden zu haben. Ich erzählte ihm von der Anfrage für eine Mitarbeiterüberwachung. Nachdem wir jeder noch ein Bier getrunken hatten, wechselten wir endgültig das Thema. Wir sprachen über die abgelaufene Bundesligasaison und die bescheidenen Perspektiven des HSV. Der Abend wurde nicht mehr allzu lang. Wir hatten beide einen anstrengenden Tag hinter uns und waren ziemlich müde.
7
Als ich am nächsten Tag unausgeschlafen in mein Büro kam, erhielt ich kurze Zeit später einen Anruf. Es war das Unternehmen, das wegen der Mitarbeiterüberwachung angefragt hatte. Ich habe den Auftrag, sagte mir der Personalchef. Ich müsse mich gleich an die Arbeit machen. Die schriftliche Bestätigung bekäme ich vorab per Fax. Dann solle ich umgehend eine Auftragsbestätigung senden. Ich täuschte wegen der plötzlichen Beauftragung noch diverse Schwierigkeiten vor, versicherte aber, mich dennoch sofort an die Überwachung des Mitarbeiters zu machen. Eigentlich hatte ich vor, dem Modedesign-Unternehmen vormittags einen Besuch abzustatten, aber möglicherweise würde die Sache durch Thorstens Anruf ohnehin bald erledigt sein. Mit dem Beauftragungsfax kamen auch noch die notwendigen Personalunterlagen samt Mitarbeiterfoto. Der Mann war Mitte vierzig und führte seit etwa einem Jahr die Krankenstatistik wegen sich wiederholender Bandscheibenvorfälle an. Heute hatte er aus diesem Grund wieder eine Tour absagen müssen und war zu Hause geblieben. Sein Vorgesetzter hatte ihm wegen seiner angeblichen Beschwerden in den letzten Monaten nur noch Fahrten in die nähere Umgebung zugemutet. Das Misstrauen gegenüber dem Mitarbeiter war darin begründet, dass ein Kollege ihn am Wochenende beim Fußballspiel in der Altherrenmannschaft gesehen hatte. Ein klassischer Fall der Vertragsverletzung im Krankenstand. Ich faxte noch schnell die Auftragsbestätigung und nahm dann meine Digitalkamera zusammen mit dem großen Objektiv aus der Schublade. Die Kamera hatte ich erst vor zwei Wochen günstig bei eBay ersteigert. Wenige Minuten später saß ich in meinem vollgetankten Cinquecento und fuhr ans andere Ende von Hamburg, wo der vermeintlich betrügerische Lastkraftwagenfahrer wohnte. In der Nacht hatte es zwar keinen Frost gegeben, dennoch zeigte die Anzeige in meinem Cockpit gerade einmal sechs Grad Außentemperatur an. Große Kumuluswolken zogen wie dicke Wattebäusche am Himmel entlang. Eine halbe Stunde später befand ich mich in einer netten kleinen Siedlung mit meist liebevoll renovierten, freistehenden Einfamilienhäusern aus den Fünfzigerjahren. Eine deutsche Wohnidylle mit alten Bäumen und großzügig geschnittenen öffentlichen Rasenflächen. Sogar Parkbänke hatte die Stadt aufgestellt. Die einzelnen Grundstücke waren sehr groß, wahrscheinlich über tausend Quadratmeter. Die Häuser standen noch wirklich frei und nicht wie heute üblich, dicht gedrängt. Ich hielt schräg gegenüber des Hauses, das ich observieren wollte. In der breiten Einfahrt stand ein Opel Astra. Wenn der Wagen nicht seiner Frau gehörte, musste er eigentlich zu Hause sein, schlussfolgerte ich. Meine hübsche Kamera lag auf dem Beifahrersitz.